Die Komptech GmbH, Spezialist für mechanisches und biologisches Abfallrecycling sowie die Aufbereitung holziger Biomasse, setzt bei der Planung ihres neuen Bürogebäudes auf das Prinzip der Co-Creation. Am Standort Frohnleiten, Österreich, an dem künftig circa 300 Mitarbeiter:innen arbeiten werden, soll eine nachhaltige und moderne Arbeitswelt entstehen. Ein Gespräch mit Bernhard Herzog, Partner und Senior Consultant bei M.O.O.CON, der das Projekt koordinierend begleitet, über partizipative Gebäudeentwicklung und die Nachhaltigkeitsansätze im Projekt.
Sustainable Development Goals der UN als Richtschnur
2016 formulierten die Vereinten Nationen 17 Ziele, die Sustainable Development Goals (SDG), die weltweit der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene dienen sollen. Diesen Zielen hat sich auch Komptech verschrieben: Sie dienen als Richtschnur für das gesamte Handeln des Unternehmens, angefangen bei den eigenen Produkten – unter anderem extrahieren die Maschinen des Green-Tech-Unternehmens kompostierbares Material aus Restmüll und zerlegen diesen weiter in verwertbare Stoffe – bis hin zur Unternehmenskultur. Komptech Geschäftsführer Heinz Leitner und sein Team arbeiten am 20 Minuten nördlich von Graz gelegenen Standort Frohnleiten auf Basis der SDGs.
Dazu gehört für das Unternehmen, die für den Betrieb und die Gebäude nötige Energie selbst auf erneuerbarem Weg zu produzieren, ein konsequenter Kreislaufwirtschaftsprozess, Emissions- und Schadstofffreiheit, Regionalität, die Verwendung von gebrauchten Produkten und Wertstoffen sowie umfassende Mitsprache- und Mitwirkungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter:innen, zum Beispiel im Rahmen eines Co-Creation-Prozesses für das neue Gebäude.
Mehr Informationen unter: https://unric.org/de/17ziele/ und https://www.komptech.com/#/
Berücksichtigung von Kreislauffähigkeit bei der Gestaltung des Nullenergiegebäudes
Der Standort Frohnleiten des Green-Tech-Unternehmens umfasst Produktions- und Logistikflächen, ebenso wie Lager- und Büroflächen. Im Weißen Haus sind Geschäftsführung und White-Collar-Teams ansässig. Die Büros für produktionsnahe Tätigkeiten befinden sich in direkter Nähe zur Produktion.
Um das weitere Personalwachstum von derzeit 200 auf künftig 300 Personen bewältigen zu können, projektierte die Geschäftsführung das neue Headquarter, in das ursprünglich nur die neuen Mitarbeiter:innen hätten einziehen sollen. Ziel für den Neubau ist das Erreichen des bauphysikalischen Standards eines Nullenergiegebäudes; Baustoffe und Materialien sollen so weit wie möglich kreislauffähig, emissions- bzw. schadstofffrei sein und regional bezogen werden können. Zudem sollen auch gebrauchte Produkte und Wertstoffe im Gebäude eingesetzt werden.
Das Team nähert sich der neuen Raumlösung an
Obwohl zunächst nur ein Büroneubau geplant war, kam es im Projektverlauf zu umfassenden Änderungen der Grundkonzeption. Grund waren die Arbeitsergebnisse im Co-Creation-Prozess, denen die Geschäftsführung vollumfänglich folgte.
Die ursprüngliche Verteilung der Mitarbeiter:innen auf unterschiedliche Bürogebäude (bestehende in den Bestandsgebäuden, neue im Neubau) wurde zu Gunsten eines zentralen Bürogebäudes für alle Mitarbeiter:innen fallen gelassen. Dafür entschied sich das Projektteam für ein flexibles Sharing-Modell und konnte – trotz einer deutlich gestiegen Anzahl an unterzubringenden Mitarbeiter:innen – die Flächen- und Budgetvorgaben halten. Die im Altbestand freigewordenen Flächen können so in Zukunft umgenutzt und für die Komptech Academy, die Lehrlingsausbildung und ein Fitnessangebot umgewandelt werden.
Aber beginnen wir vom Anfang ...
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Organisationsplanung
Am Anfang des Projekts stand die Frage „Wie wollen wir künftig arbeiten?“. In vier Workshops mit einem 20-köpfigen Team aus Nutzervertreter:innen unterschiedlicher Abteilungen entstand ein recht genaues Bild künftiger Tätigkeiten für die Komptech-Personas. Die Profile pro Nutzergruppe beschrieben detailliert die Art der Tätigkeiten (Erledigen, Fokussieren, Zusammenarbeiten, Produzieren, Vernetzen) und ließen eine reale Einschätzung über die künftige Anwesenheit im Büro zu.
Um sich für die Raumplanung inspirieren zu lassen, unternahmen das Nutzer:innen- und das erweiterte Kernteam auch Studienreisen zu anderen Unternehmen wie SAP, Zürich Versicherung und Mediashop. Für Herzog eines der wichtigsten Elemente im Projekt. Hier konnten neue Ideen entstehen, bestehende Ideen konkretisiert werden, Vorstellungen reifen und was nicht gefiel, für das eigene Projekt ausgeschlossen werden.
„Beim Erkennen, beim Sehen, beim Austausch mit anderen Menschen werden unterschiedliche Zugänge sichtbar und spürbar und damit auch besprechbar.“ Bernhard Herzog, M.O.O.CON
Bedarfsplanung
Die Frage „Welche Räume brauchen wir dafür?“ leitete die zweite Projektphase ein. Mit einem errechneten Erstvorschlag für Räume und Ausstattung spielte das Team einen simulierten, typischen Arbeitsablauf im Rahmen der neuen Raumlösung durch und näherte sich so der gewünschten Ausstattung an.
„Über die spielerische Auseinandersetzung verändert sich die Startaufstellung in eine reale Aufstellung. Das passiert in ein bis zwei Workshops. Mit dem Feedback aus den Abteilungen wird immer feiner granuliert, das finale Raumprogramm definiert, in Flächen gegossen und in Qualitäten beschrieben“, so Herzog. Am Ende der Phase stand das Nutzungskonzept für das Komptech-Headquarter inklusive der Definition der Raummodule und der nutzerseitigen Raumanforderungen.
Machbarkeit
Die Frage „Was ist der beste Lösungsansatz?“ war der Auftakt für die dritte Projektphase – die Erarbeitung des Raumprogramms. Die Ergebnisse wurden der Belegschaft von den Nutzer:innen-Gruppen selbst in einem Townhall-Meeting präsentiert. In Form einer Ausstellung stellten sie das Projekt, seine Bestandteile und die Ergebnisse vor. Fragen über die Arbeitsweise der Gruppe, das Zustandekommen der Sharing-Ratio und des bevorzugten Raumprogramms wurden hier beantwortet und die Nutzer:innen-Gruppen wurden von Vorstand und Führungskräften entlastet.
Auswahl der Planer:innen
Nach diesem Meilenstein begann die Ausschreibung für den Architekturwettbewerb, der sich an den drei Schwerpunkten „Die Menschen im Mittelpunkt“, „Erlebnis Materialkreislauf“ und „CO2-Neutralität“ orientierte. Auch hier kam es während der Pitch-Phase zu co-kreativer Zusammenarbeit der Expert:innen. Mitten in der Wettbewerbsphase hatten die eigeladenen Architekturbüros die Möglichkeit Vorgaben zu hinterfragen, erste Ideen und Zugänge zu testen und mit viel Feedback in die Erarbeitung eines finalen Wettbewerbsbetrages zu gehen. Als Sieger ging das Atelier Thomas Pucher hervor.
Weitere Schritte
Die Nutzer:innen-Gruppen bleiben in den weiteren Projektphasen mit im Boot. Als Feedbackgeber:innen spiegeln sie den Architekt:innen ihre Bedürfnisse und Empfindungen und geben Feedback zu den Design-Konzepten. Form follows function in Reinform. So, da sind sich Bernhard Herzog und die Komptech-Geschäftsleitung einig, werden am Standort Frohnleiten großartige Formen in der Abstimmung mit den Nutzer:innen entstehen.
Der Mensch im Fokus: Einblick in das neue Komptech-Headquarter
Mit der Möglichkeit, zuhause, bei Kund:innen oder unterwegs zu arbeiten, wurde offensichtlich, wie wichtig im neuen Bürogebäude unterschiedlichste Kommunikations- und Zusammenarbeitsmodule sind, die die Teams darin unterstützen, das neue Arbeitsumfeld an ihre Bedürfnisse anzupassen. Ein offener Gebäude-Charakter und eine wandelbare Bürogestaltung entstehen in Frohnleiten ebenso, wie mehr Nähe zu Kund:innen und Gästen. Diese werden künftig durch eine offene Architektur eingeladen, das Unternehmen, seine Menschen und die Produkte kennenzulernen. Es gibt keine Barriere zwischen Kund:innen- und Mitarbeiter:innen-Bereichen mehr. Als Dreh- und Angelpunkt für den Austausch dient der zentrale Kommunikationshub, ein Ort der Begegnung und der Zusammenarbeit für alle Menschen. Und ein Ort, an dem der Bezug zur Natur, zu Nachhaltigkeit und Regionalität spürbar wird.
Für Herzog sind die Unternehmenskultur und die aktive Partizipation der Nutzer:innen-Gruppen die Projektbausteine, die es zum Erfolg führen werden. Die von der Geschäftsführung vorgegebenen Leitplanken und Richtlinien setzen für den Neubau des Headquarters zu jeder Zeit den Rahmen, in dem sich das Team frei bewegen kann. So entsteht eine moderne, nachhaltige Arbeitswelt, die auf die künftige Art zu arbeiten Rücksicht nimmt und Mitarbeiter:innen die notwendigen Flächen und Möglichkeitsräume bietet. Dem Ziel, einen place for opportunities zu bieten, ist Komptech damit ein gutes Stück nähergekommen.
Die Kultur der Auseinandersetzung ist die Basis für partizipative Prozesse. ‚Geh nie in Richtung Partizipation, wenn Hierarchie Hierarchie ist.‘ Partizipation funktioniert dort, wo Führungskräfte daran glauben, dass ihre Mitarbeiter:innen etwas können.“ Bernhard Herzog, M.O.O.CON