Beim Work Culture Festival sprach Dr. Christian Nocke, Inhaber des Akustikbüros Oldenburg, über die Bedeutung der Raumakustik in modernen Arbeitsumgebungen. Er ging dabei auf wesentliche rechtliche Grundlagen sowie aktuelle Normen und Empfehlungen ein. Anhand von Praxisbeispielen und Simulationen zeigte er, wie sich die akustische Qualität bereits in der Planungsphase zuverlässig bewerten lässt.
Bedeutung der Raumakustik in modernen Arbeitswelten
Raumakustik spielt in der Planung moderner Arbeitswelten eine zentrale Rolle, wird jedoch häufig erst spät berücksichtigt. Nocke, der als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Lärmimmission, Bau- und Raumakustik tätig und seit vielen Jahren Mitglied in DIN- und ISO-Gremien ist, machte deutlich: Die akustische Qualität beeinflusst Konzentration, Gesundheit und Zusammenarbeit und ist zugleich in Regelwerken verankert. Wer sie ignoriert, riskiert nicht nur Unzufriedenheit und Produktivitätsverluste, sondern häufig auch teure Nachrüstungen.
Anforderungen an Arbeitsräume und Nachhallzeiten
Besonders in offenen, multifunktionalen Büros unterscheiden sich die Anforderungen je nach Tätigkeit deutlich. Für Fokusarbeit sind kürzere Nachhallzeiten, geringe Hintergrundsprache und wirksame Abschirmungen entscheidend. Kommunikationsflächen vertragen dagegen längere Nachhallzeiten und eine kontrollierte Diffusität, damit Gruppen sprechen können, ohne die Nachbarzonen zu stören. Nocke betonte, dass sowohl eine zu hohe als auch eine zu geringe Absorption problematisch sein kann: Zu lange Nachhallzeiten verschlechtern die Sprachverständlichkeit und erhöhen automatisch den Lautstärkepegel beim Sprechen. Sehr kurze Nachhallzeiten können die Reichweite von Sprache erhöhen, was im Open Space eher unerwünscht ist.
Rechtliche Grundlagen und Normen
Im Kontext der rechtlichen Grundlagen wies Nocke auf verschiedene einschlägige Regelwerke hin, darunter die Technische Regel zur Arbeitsstättenverordnung (ASR A3.7) sowie das Bewertungssystem für Nachhaltiges Bauen (BNB). Diese enthalten Anforderungen an die akustische Gestaltung, die von Bauherren und Planern als Mindeststandard berücksichtigt werden müssen.
So fordert die ASR A3.7 beispielsweise niedrige Beurteilungspegel bei geistigen Tätigkeiten sowie Arbeitsplätze ohne belastende Hintergrundsprache, wenn kognitive Aufgaben dominieren. Das BNB mit dem Steckbrief „Akustischer Komfort“ spielt vor allem bei öffentlichen Bauvorhaben eine Rolle und kann über das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) förderrelevant sein. Auf technischer Ebene bilden die DIN 18041 „Hörsamkeit in Räumen“ und die VDI 2569 „Schallschutz und akustische Gestaltung im Büro“ den Rahmen. Während die DIN nutzungs- und volumenabhängige Soll-Nachhallzeiten definiert, konkretisiert die VDI für welche Büroform welche Nachhallzeiten empfehlenswert sind, etwa zur Begrenzung der Sprachverständlichkeit über Distanz. Nocke ordnete vermeintliche Widersprüche zwischen den Dokumenten ein: Wer nach DIN/VDI plant, erfüllt in der Regel die Anforderungen der ASR – ein Punkt, den fachliche Stellungnahmen der Akustik-Community stützen.
Physik trifft Wahrnehmung: Akustik im Büroalltag
Nocke ging in seinem Vortrag insbesondere auf die Wechselwirkung zwischen messbarer Raumakustik und subjektiver Wahrnehmung ein und verdeutlichte: Kennwerte wie Nachhallzeit oder Pegel erklären nur einen Teil der empfundenen Störung. Auch Moderatoren wie Arbeitsbelastung, thermische Behaglichkeit, Beleuchtung, Teamkultur, Regeln des Miteinanders und Nutzerverhalten prägen, ob ein Raum als angenehm oder störend erlebt wird. Daraus folgt: Eine rein technische Lösung greift zu kurz. In der Planung müssen Tätigkeiten und Nutzungskontexte berücksichtigt werden, etwa der Bedarf an Zonen ohne Hintergrundsprache für Fokusarbeit und an Bereichen mit hoher Kommunikationsdichte. Sehr lange Nachhallzeiten verschlechtern die Sprachverständlichkeit und erhöhen den Lautstärkepegel beim Sprechen; sehr kurze Nachhallzeiten können die Reichweite der Sprachverständlichkeit erhöhen (geringere Maskierung) und damit störend wirken. Zielwerte und Maßnahmen sind folglich konsequent an der jeweiligen Nutzung auszurichten.
Früh planen statt nachrüsten
Eine gute Büroakustik entsteht, wenn die Anforderungen frühzeitig geklärt werden. Welche Tätigkeiten finden wo statt, welche Ziel-Nachhallzeiten gelten und wie lässt sich Hintergrundsprache in ruhigen Zonen vermeiden? Wer diese Fragen bereits in der Vorentwurfsphase beantwortet und die Akustik mit Architektur, TGA und Raumgestaltung verzahnt, verhindert teure Kompromisse am Ende. Simulationen liefern vorab belastbare Aussagen zu Materialwahl, Deckenabsorbern/Baffeln, Schirmhöhen, Möblierung und Zonierung. Im fertigen Raum sorgt eine Messung dafür, dass Planung und Realität zusammenpassen. Diese Qualitätssicherung verhindert eine Über- oder Unterdimensionierung und schafft Klarheit gegenüber Auftraggebern und Nutzern. Wo erforderlich, lassen sich Maßnahmen anschließend justieren, beispielsweise indem Segel ergänzt, Stellwände versetzt oder Zonengrenzen geschärft werden.
Schnelle Wirkung im Bestand
Nicht jedes bestehende Büro braucht einen Komplettumbau. Oft genügen gezielte Eingriffe mit großer Wirkung: absorbierende Deckensegel in Bereichen mit viel Sprache, akustisch wirksame Stellwände zwischen Arbeitsplätzen, ein erhöhter textiler Anteil an den richtigen Stellen oder Regale, die gleichzeitig dämpfen. Genauso wichtig ist eine funktionale Trennung: Laute Zonen wie Kaffee- und Druckerbereiche sollten nicht an Fokusarbeitsplätzen liegen. Gut gedämpfte, kleine Rückzugsorte für Telefonate und Videokonferenzen entlasten offene Flächen spürbar. Entscheidend sind die Mischung und Verteilung: Poröse Absorber adressieren mittlere und hohe Frequenzen, resonante Systeme zielen auf tiefe Frequenzen. Miteinander kombiniert entsteht so eine breitbandige Wirkung. Decke, ausgewählte Wandflächen, Möblierung und Zonierung greifen ineinander, sodass Kommunikation in der Nähe möglich bleibt, ohne dass Sprache über große Distanzen dominiert.
Fazit: Wer Akustik von Anfang an berücksichtigt und im Bestand gezielt nachrüstet, erreicht mit überschaubarem Aufwand spürbar bessere Arbeitsbedingungen. Die Kombination aus klaren Zielwerten, gut verteilter Absorption, wirksamer Abschirmung, Simulation und pragmatischen Nutzungsregeln macht Büros sowohl für Konzentration als auch für Zusammenarbeit verlässlich nutzbar – ohne ästhetische Kompromisse und ohne spätere Kostentreiber.