Neue technologische Entwicklungen verbreiten sich immer schneller und beeinflussen zahlreiche Lebens- und Arbeitsbereiche. Dies betrifft auch das Corporate Learning und die Auswirkungen neuer Technologien wie der künstlichen Intelligenz (KI) auf die Arbeitswelt. Die hiermit verbundenen Potenziale standen im Mittelpunkt eines gemeinsamen Vortrags von Birgit Gebhardt, Trendexpertin und Autorin der New Work Order-Studien, und Dr. Felix Dibelka, Geschäftsführer der NeuKurs GmbH, auf der diesjährigen New Work Experience (NWX23) in Hamburg.
„Lernen, verlernen und neu lernen ist einer der stärksten Treiber, um in Zukunft erfolgreich am Arbeitsmarkt teilnehmen zu können und neue Tools, die wahrscheinlich zu 90 % KI-basiert sein werden, erfolgreich einzusetzen“, erläutert Dibelka. Das Zusammenspiel natürlicher und künstlicher Intelligenz (KI) werde in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, meint auch Birgit Gebhardt. Obwohl KI weniger transparent und regulierbar ist, bestehe das Ziel darin, dass beide kooperieren können, um Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten. Weiterbildung und Reskilling, also die Weiterentwickelung vorhandener Fähigkeiten, dürften vor diesem Hintergrund zu einer permanenten Herausforderung für Unternehmen und Beschäftigten werden.
Die KI als Fenster zum Wissen
„Neuerdings sind nicht nur Informationen über Daten überall verfügbar, sondern auch Wissen, das uns die KI zunächst aufbereitet und dann aussteuert“, so Gebhardt. Die eigentliche Kompetenz bestehe nun darin, diese Informationen zu ordnen, zu bewerten und in einen Kontext zu stellen. Die KI könne dafür als Fenster und Filter dienen, um relevante und qualitativ hochwertige Informationen zu finden.
Damit werde die künstliche Intelligenz (KI) künftig ein ständiger Begleiter sein, der Informationen sammelt und bereitstellt. Ob Job, Gesundheit, Familie oder Lieblingskaffee – die KI kennt Persönlichkeit und Ambitionen des Nutzers und könnte so dabei helfen, die Vielzahl verfügbarer Informationen zu filtern und für das Lernen optimiert sowie personalisiert aufzubereiten. Auch die Entwicklung spezifischer KI-Systeme, in die Wissen gezielt eingespeist und effektiv weitervermittelt wird, ist denkbar. Dadurch könnten in verschiedenen Bereichen und Branchen effiziente Methoden zur Verbreitung von Wissen und zur gezielten Weiterbildung ermöglicht werden. Die menschliche Interaktion und Interpretation werden damit allerdings nicht ersetzt, so die klare Botschaft.
Lernen bedeutet auch Interaktion
Momentan werde in vielen Unternehmen noch mit einem rein instruktiven Ansatz für das Lernen gearbeitet, d. h. Wissen wird in eine Richtung vermittelt ohne echten oder zumindest mit wenig Austausch. So werden Informationen zwar zum Mitarbeiter transportiert, komplexere Strukturen des Neulernens und Verstehens können aber nicht abgebildet werden.
Dazu verwiesen Gebhardt und Dibelka auf die vier Dimensionen des Lernens der britischen E‑Learning-Spezialistin Jane Hart, bestehend aus Entdeckung, Diskurs, Umsetzung und Didaktik. Arbeitgeber sollten demnach nicht nur auf Didaktik setzen, sondern ihren Beschäftigten auch die Möglichkeiten bieten, interaktiv zu lernen: durch Entdeckung, indem Mitarbeiter eigenständig neues Wissen erlangen oder Gelerntes weiterentwickeln, indem sie es in der Praxis anwenden, und durch Diskurs, in dem der Austausch und die Diskussion von Ideen gefördert werden.
Ohne die Dimension der Interaktion sei ohnehin keine wirkliche Innovation möglich, denn lediglich Informationen auf kreative Art zu kombinieren, das kann auch die KI. Darüber hinaus betonte Dibelka den hohen Stellenwert der emotionalen, sozialen und strukturellen Dimensionen des Lernens. Warum lernen wir etwas? Wie können wir das Lernen als Teil unserer Arbeit betrachten? Wo haben wir Gelegenheit zum Lernen? Unternehmen sollten die Bedeutung des Lernens als Teil der Arbeit anerkennen und inhaltliche wie räumliche Angebote schaffen. Denn, so seine Erfahrung, „damit aus der Information dann auch etwas wird, womit ich arbeiten kann, brauche ich mein Team und einen Lernraum.“
Wie diese Lernräume genau aussehen können, erklärte Gebhardt am Ende des Vortrags. Notwendig bei der Gestaltung physischer Räume für das Lernen sei eine Umstrukturierung weg von großen „Hörsäalen“, die instruktives Lernen stützen. Kleinere, flexible Orte könnten gezielt für bestimmte Lernziele eingesetzt werden. Für die Gestaltung zieht sie sechs archetypischen Settings nach Rosan Bosch heran. In diesem Modell werden die Räume abhängig von der Lernsituation gestaltet.
So stützt beispielsweise ein „Campfire“ Setting, also die Versammlung aller Lernenden in einem Kreis auf Augenhöhe, gruppenbasiertes Lernen durch Dialog und Interaktion. Das „Wasserloch“ (Watering Hole) bietet hingegen einen Ort für spontanen Austausch und Lernen im „Vorbeigehen“. Neben den gewohnten physischen Räumen kommen nun auch virtuelle Lernräume hinzu. Besonders im Bereich Gaming und in virtuellen Konferenzen bestehe noch großes Potenzial für die Integration von Lernsituationen. Auch gemischte Realitäten, etwa Simulationen im Metaverse, könnten zukünftig dabei helfen, hypothetische Szenarien visuell greifbar zu machen. → Diese Modelle werden in dem Erklärfilm Arbeitswelt der Zukunft – New ways of learning von Gebhardt und Dibelka weiter vertieft.
Unabhängig davon, ob wir uns im Homeoffice, im Metaverse, mobil unterwegs oder im Büro befinden, wird es in Zukunft vermehrt Blended Learning Konzepte geben, die die Umgebung und individuelle Lernambitionen optimal aufeinander abstimmen.