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Kunst in der Arbeitswelt: Ein Gespräch mit Dr. Ulrike Lehmann

Mehrwert Büro

Dr. Ulrike Lehmann
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
6 Minuten

Bei der Frage nach mehr Aufenthaltsqualität im Büro beziehen einige Unternehmen Kunst in ihr Raumkonzept ein. Dr. Ulrike Lehmann ist Kunstpädagogin, Speakerin und Trainerin. In ihren Coachings für Führungskräfte und Teams nutzt sie Kunst und deren Betrachtung als Kommunikationsangebot und Schlüssel zu mehr Agilität und Innovationsfähigkeit. Das IBA Forum sprach mit ihr über die Bedeutung von Kunst in der Arbeitswelt.

Frau Dr. Lehmann, welche Rolle übernimmt Kunst in der modernen Arbeitswelt?

Kunst bereichert die moderne Arbeitswelt, die den Menschen mit seinen Fähigkeiten, Potenzialen und Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellt. Kunst regt an, bringt Teams ins Gespräch und ist ein idealer Nährboden für Inspiration, Kreativität und Innovation. Kunst hat die Kraft, den Wandel zu mehr Agilität und Selbstwirksamkeit von Teams zu unterstützen. Sie ist ein Angebot, über etwas anderes zu sprechen, und sich aus unterschiedlichen Perspektiven über ein Thema zu unterhalten. Das fördert nicht nur das Out-of-the-box-Denken. Kunst ermöglicht, mit Menschen in ein anderes Gespräch zu kommen, zwischendurch eine kurze Pause zu machen und danach wieder frisch ans Werk zu gehen.

Besteht ein Zusammenhang zwischen Kunst und Innovation?

Es gibt eine Statistik, auf die ich in diesem Zusammenhang eingehen möchte. Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags aus 2022 planen von 35.000 befragten Unternehmen aktuell nur noch 29 Produktinnovationen, der niedrigste Wert seit 2003. Das ist für mich ein Schlag ins Gesicht. Was sind die Gründe hierfür? Zum einen ist in Unternehmen zu wenig Kreativität vorhanden bzw. Unternehmen fördern diese zu wenig. Dabei ist Kreativität die Voraussetzung für Innovation. Es braucht eine Kultur des Muts, um Mitarbeitern, ihren Ideen und ihrer Kreativität Raum zu geben und Gehör zu schenken. Kunst hat die Fähigkeit, neue Ideen aus Menschen heraus zu zaubern. Sie inspiriert und regt an. Es gibt eine Vielzahl an Themen aus der bildenden Kunst, die sich mit der Arbeitswelt verbinden lassen. Dabei können wir nicht nur von einzelnen Kunstwerken lernen, sondern auch von den Künstlern selbst. Daher lautet mein Plädoyer, Kunst und Wirtschaft künftig stärker miteinander zu verbinden.

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„Kunst unterstützt Menschen darin, neue Ideen und Lösungswege zu finden und kreativ zu werden. Sie fördert die Kreativität eines Einzelnen, aber auch die Kommunikation im Team.“ Dr. Ulrike Lehmann

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Können Sie uns ein Beispiel nennen, wie Sie Kunst im Rahmen Ihrer Coaching-Tätigkeit einsetzen bzw. was Unternehmen daraus machen?

Ich gehe sehr gerne mit Menschen ins Museum. Wir betrachten dann gemeinsam unterschiedliche Kunstwerke, die mit diversen Fragestellungen behaftet sind und „antriggern“. Anhand der Kunstwerke erarbeiten wir dann einzelne künstlerische Kreativtechniken. Der Surrealismus steht für mich für Out-of-the-box-Denken und Fantasie wie kaum ein anderer Stil. Sachen ad absurdum zu führen, paradox zu machen, Dinge auch mal umzudrehen und anders zu denken. Das sind Fähigkeiten, die es auch im Büro braucht. Der belgische Künstler René Magritte hatte beispielsweise den Mut, die Giraffe ins Weinglas zu stellen. Pablo Picasso brachte in seiner Kunst gerne Dinge zusammen, die nicht zusammengehören, und verband unterschiedlichste Kulturen miteinander. Andere Künstler wie Kasimir Malewitsch, Piet Mondrian oder Wassili Kandinsky fanden in den 1910er-Jahren den Weg zur Abstraktion. Den Mut zu haben, abstrakt zu denken, kann Innovation immens unterstützen. Durch das Verstehen und die Anwendung von künstlerischen Kreativtechniken kann Kunst wie kaum eine andere Disziplin beflügeln und das Unternehmen erfolgreich zu Innovationen führen.

Welche Rolle spielt Kunst in Bezug auf Unternehmenskultur und Unternehmensidentität?

Die Frage „Wie gehen wir miteinander um?“ ist eine wichtige Frage der Kultur und der Identität eines Unternehmens. Werte wie Respekt, Toleranz und Wertschätzung anderen gegenüber kann durch Kunst genährt werden. Wenn ich mit einem Team vor einem Bild stehe, bietet das eine gute Grundlage für einen wertschätzenden Dialog. Jedes Individuum sieht dabei in Kunst etwas anderes. Gerade diese Multiperspektive und Diversität sind ein Resonanzboden für Kooperation. Für mich ist Kunst eine Blaupause dafür, wie es sich in der Arbeitswelt wertschätzend zusammenarbeiten lässt. Nämlich, indem unterschiedliche Meinungen respektiert und ausgehalten werden, indem Perspektivenwechsel mehr Regel als Ausnahme sind und Vielfalt positiv betrachtet wird.

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„Kunst hat das Zeug, die Unternehmenskultur zu verbessern.“ Dr. Ulrike Lehmann

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Inwieweit kann Kunst den Dialog nach innen und außen fördern?

Kunst ist für mich mehr denn je ein wertvolles Employer-Branding-Instrument. Hier braucht es den Mut der Führungskräfte, nach innen und außen zu sagen, wir stehen für das Thema Kunst ein. Es ist mein Wunsch, dass Unternehmen Kunst stärker in ihre Arbeits‑, Produktiv- und Kreativitätsprozesse einbeziehen und ihr Kunstengagement auch kommunizieren. Junge Leute interessieren sich nämlich für Kunst, und zwar mehr als man denkt. Sprich: Kunst spielt gerade auch bei der jungen Generation eine Rolle. Die Auseinandersetzung von Unternehmen mit Kunst kann einen positiven Eindruck hinterlassen und sie als Arbeitgeber attraktiver zu machen.

Anpassungsfähigkeit und ein positiver Umgang mit Veränderungen sind heute wichtiger denn je. Was können Unternehmen in diesem Bereich von Kunst lernen?

Wie arbeitet ein Künstler? Er schafft jeden Tag ein neues Werk, erfindet sich jeden Tag neu. Künstler arbeiten intrinsisch motiviert und verfügen über die Resilienz, mit Rückschlägen umgehen zu können. Sie denken anders, wechseln Perspektiven, sind mutig und wandelbar. Fähigkeiten, die in der VUCA-Arbeitswelt wichtiger denn je sind. Es braucht heute vor allem Innovation, Inspiration und Kreativität, um die geforderte Anpassungsfähigkeit und Wandlungsfähigkeit hinzubekommen. Künstlerisches Denken in der Arbeitswelt zu implementieren ist dafür ein wichtiger Schritt. Denn Kunst holt die Menschen aus der Reserve. Je provokativer die Kunst dabei ist, umso besser. Wenn wir Kunstwerke betrachten, erhalten wir die Fähigkeit, uns inspirieren zu lassen, neue Gedanken zu entwickeln und wie der Künstler selbst den Mut zu haben, anders, ja neu zu denken, und in eine andere Richtung zu gehen.

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„Künstler waren immer schon Vorreiter. Sie haben den Mut bewiesen, anders und neu zu denken. Wenn die Kunst mir Fragen stellt und mich inspiriert, regt sie mich auch zu neuem Denken an. Fähigkeiten, die gerade in der Arbeitswelt wichtiger denn je sind.“ Dr. Ulrike Lehmann

Frau Dr. Lehmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Dr. Ulrike Lehmann ist Kunsthistorikerin, Kunstpädagogin, Art und Agile Coach. Die Speakerin und Autorin des Buchs „Wirtschaft trifft Kunst“ befasst sich mit der Integration von Kunst in die Arbeitswelt und unterstützt Unternehmen durch Workshops und gemeinsame Kunstbetrachtungen in ihren Kommunikations- und Kreativitätsprozessen. Mehr Informationen zu Dr. Ulrike Lehmann finden Sie hier.

Titelbild: ©Ulrike Lehmann (Bild im Hintergrund: Hilli Hassemer, Time flies and me too, 2021)