Kartenschatten

WIE VIEL BEWEGUNG BRAUCHT DER MENSCH?

Columbia University Medical Center in New York

Dass langes Sitzen ohne Pausen ungesund ist, ist schon lange bekannt. So wird ununterbrochenes Sitzen nicht nur mit Problemen im Muskel-Skelett-Bereich in Verbindung gebracht, sondern auch mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes – und das unabhängig davon, ob betroffene Personen Sport treiben oder nicht.

Eine Forschergruppe um Andrea T. Duran, die als Assistant Professor of Medical Sciences am Columbia University Medical Center in New York lehrt, wollte nun wissen, wie häufig und wie viel Bewegung notwendig ist, um die negativen Effekte des Sitzens deutlich zu reduzieren. Als Indikatoren wurden der Blutzuckerspiegel, Blutdruck sowie die Stimmung, Müdigkeit und kognitive Leistungsfähigkeit herangezogen.

Versuchsaufbau

An der Studie nahmen 11 Personen ab 45 Jahren teil, 6 Männer und 5 Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei 57 Jahren. Alle Teilnehmer hatten einen sitzenden Lebensstil (sedentary lifestyle). Zur Durchführung der Studie verbrachten die Probanden 5 Tage unter kontrollierten Bedingungen in einem Labor. Dort verbrachten sie ihre Zeit sitzend auf einem ergonomisch geformten, aber starren Stuhl. Dabei konnten sich die Probanden aussuchen, ob sie z. B. an einem Computer arbeiteten oder sich einfach nur ausruhen wollten. Wichtig war lediglich, die Sitz- und Pausenphasen exakt einzuhalten. Die Ernährung wurde so weit möglich standardisiert. Alkohol, Koffein, Vitaminpräparate und Sport waren verboten. Alle Teilnehmer sollten auf ausreichend Schlaf (> 8 Stunden) achten.

Den ersten Tag verbrachten die Teilnehmer ausschließlich sitzend. Die 8‑stündige Testphase wurde lediglich durch eine kurze Mittagspause unterbrochen. An 4 weiteren Tagen wurden die Sitzintervalle durch Gehen in moderatem Tempo (3,2 km/h) auf einem Laufband unterbrochen. Dabei wechselten die Längen der Sitz- und der Bewegungszeiten täglich, sodass jeder Proband in zufälliger Reihenfolge die folgenden Varianten durchlief:

  • Alle 30 Minuten für 1 Minute
  • Alle 30 Minuten für 5 Minuten
  • Alle 60 Minuten für 1 Minute
  • Alle 60 Minuten für 5 Minuten

Während des Versuchs wurde der Blutzucker der Teilnehmer durch Sensoren gemessen und im Viertelstundentakt erfasst. Die Blutdruckwerte wurden stündlich durch die Versuchsleiter gemessen. Stimmung, relative Müdigkeit und subjektiv empfundene Leistungsfähigkeit wurden am Ende jedes Tages durch standardisierte Befragungen erfasst.

Ergebnisse im Überblick

Einfluss von Bewegungspausen auf die Blutzuckerwerte

  • Signifikante Verbesserung der Blutzuckerwerte (–11,8 des iAUC) ergaben sich bei 5 Minuten Bewegung nach 30 Minuten Sitzen.
  • Leichte Verbesserungen, wenn auch nicht im signifikanten Bereich, zeigten sich auch bei 1‑minütigen Pausen im 30-Minuten-Takt. Pausen nach 60 Minuten Sitzen führten dagegen nicht zu den gewünschten Effekten.

Einfluss von Bewegungspausen auf den Blutdruck

  • Hier waren die Ergebnisse weniger eindeutig. Sowohl 5‑minütige Unterbrechungen nach 30 Minuten Sitzen als auch 1‑minütige Pausen nach 60 Minuten Sitzen führten zu einem signifikant niedrigeren Blutdruck. 
  • Zu den Ergebnissen für den systolischen (oberen) Wert merken die Forscher an, dass die durch moderates Gehen erzielten Ergebnisse mit den Effekten von Aerobic-Übungen vergleichbar seien und einer 13- bis 15-prozentigen Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen entsprächen. Den Effekt erklären sie durch Blutstau, der sich bereits nach 30 bis 60 Minuten reglosem Sitzen einstelle.

Einfluss von Bewegungspausen auf das Befinden

  • Alle Versuchskonstellationen führten gegenüber dem nur im Sitzen verbrachten ersten Tag zu einer deutlichen Verringerung der Müdigkeit und einer Verbesserung der Stimmung. Die besten Ergebnisse zeigten sich bei Einhaltung von 5‑minütigen Pausen und das sowohl bei einem halbstündlichen als auch bei stündlichem Rhythmus.
  • Keine signifikanten Werte ergaben sich in den Versuchen hinsichtlich der subjektiv empfundenen geistigen Leistungsfähigkeit der Probanden.

Kritische Betrachtung

Keine Berücksichtigung fand die Option, Sitzphasen durch Arbeiten im Stehen zu unterbrechen, auch Basiseffekte des dynamischen Sitzens wurden nicht berücksichtigt. Trotz dieser Tatsache und der geringen Probandenzahl liefert die Studie mit einer relativ hohen Zahl signifikanter Ergebnisse dennoch wertvolle Hinweise auf sinnvolle Bewegungsintervalle.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Studie bestätigt die bereits bekannte Bedeutung von Bewegungspausen während des Arbeitstags. Die besten Ergebnisse werden mit einer (mindestens) 5‑minütigen Bewegungsphase nach 30 Minuten des Sitzens erzielt. Aussagen früherer Studien, die eine 5‑minütige Bewegungspause pro Stunde als ausreichend annahmen, werden damit teilweise korrigiert.

 

Tipps, wie Sie im Arbeitsalltag für mehr Bewegung sorgen können, finden Sie unter https://iba.online/knowledge/raeume-nutzen/gesundheit/arbeitsplatzgestaltung/.

Informationen zur Studie

Duran, A. T.; Friel, C. P.; Serafini, M. A.; Ensari, I.; Cheung, Y. K.; Diaz, K. M., Breaking up Prolonged Sitting to Improve Cardiometabolic Risk: Dose-Response Analysis of a Randomized Crossover Trial. Med Sci Sports Exerc. 2023 May 1; 55(5): 847–855. doi: 10.1249/MSS.0000000000003109. Epub 2023, Jan 12. PMID: 36728338.

An der Studie beteiligte Institutionen:

  1. Center for Behavioral Cardiovascular Health, Department of Medicine, Columbia University Medical Center, New York, NY
  2. Institute of Health System Science, Feinstein Institutes of Medical Research, Northwell Health, Manhasset, NY
  3. Hasso Plattner Institute for Digital Health at Mount Sinai, Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, NY
  4. Department of Biostatistics, Mailman School of Public Health, Columbia University, New York, NY

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36728338/

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Titelbild dieses Beitrags: iStock 854972688