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70 % Back-to-Office-Quote: Und das freiwillig!

Work Culture Festival

70 % Back-to-Office-Quote: Und das freiwillig! Bild: IBA
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
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Wie bringt man Menschen zurück ins Büro, wenn das Homeoffice fester Bestandteil der Arbeitsrealität geworden ist? combine Consulting lieferte auf dem Work Culture Festival eine Antwort mit einem konkreten Beispiel: dem Neubauprojekt der Hamburger Sparkasse (Haspa). Dieses erreicht heute eine freiwillige Präsenzquote von 70 %. Deutlich mehr als tariflich vorgesehen. Alexandra Saisnith und Bettina Herold von combine diskutierten mit Volker Widdra, dem Projektleiter der Haspa, wie ein solcher Wandel gelingen kann. Die Grundlage dafür ist der neue Unternehmenssitz mitten in der Hamburger Innenstadt, das sogenannte HaspaONE. Im Fokus standen nicht die Kosten, sondern die Arbeitgeberattraktivität und eine neue Art der Zusammenarbeit. Das neue Gebäude bietet mehr als nur Schreibtische. Es schafft Orte der Begegnung und Identifikation.

Vision statt Vorschrift

Von Beginn an war klar: Der Umzug der Haspa in das neue Deutschlandhaus sollte mehr sein als nur ein Immobilienprojekt. Es ging um nichts Geringeres als einen kulturellen Wandel, ein neues Selbstverständnis von Zusammenarbeit, Raum und Führung. Anstelle von Rückkehrpflicht oder starren Präsenzregelungen stand eine ambitionierte Vision im Mittelpunkt: „Wir wollen Orte schaffen, an denen Menschen gern arbeiten.“ Damit rückte das Thema Arbeitgeberattraktivität in den Fokus. Und das nicht als Lippenbekenntnis, sondern als strategische Richtschnur für Planung, Beteiligung und Kommunikation. Fünf Jahre dauerte der Prozess von der ersten Idee bis zum Einzug. In dieser Zeit wurde nicht nur ein architektonisches Konzept erarbeitet, sondern auch eine Haltung vermittelt. Der Weg war geprägt von intensiver Beteiligung: In interdisziplinären Workshops wurden Bedürfnisse analysiert, Sorgen adressiert und Perspektiven zusammengeführt. Pilotflächen wie die „Area One“ machten neue Arbeitsweisen früh erlebbar, während das „First Mover“-Programm es den Mitarbeitern ermöglichte, bereits vor dem Einzug reale Erfahrungen im neuen Umfeld zu sammeln und diese als Multiplikatoren ins Unternehmen zu tragen. So wurde aus abstrakter Veränderung eine Entwicklung voller Leben.

Arbeitswelten mit Magnetwirkung

Das Ergebnis dieser Haltung zeigt sich im Konzept von HaspaONE: einem Ort, der gezielt Bindung, Begegnung und Bewegung ermöglicht. Herzstück sind die sogenannten Heimathäfen: Teamzonen, die Orientierung und Verankerung bieten, ohne in alte Besitzlogiken zurückzufallen. Hier können sich Mitarbeiter niederlassen, bleiben durch flexible Buchungsmodelle aber auch mobil und teamübergreifend anschlussfähig. Dieses hybride Prinzip fördert die Eigenverantwortung und Selbstorganisation, schafft darüber hinaus aber auch Raum für spontane Zusammenarbeit. Getragen wird das Konzept von einer Architektur, die soziale Dynamik bewusst inszeniert. Zwei großzügige Marktplätze pro Etage dienen als Ankerpunkte für Kommunikation und Vernetzung. Das lichtdurchflutete Atrium verbindet die Ebenen visuell und atmosphärisch. Es ist ein Raum, der durch seine Größe wirkt und zugleich Offenheit signalisiert. Sichtachsen und Bewegungszonen schaffen Nähe, ohne einzuengen. Der gastronomische Bereich – vom S‑förmigen Tisch im Mitarbeiterrestaurant bis zur After-Work-Bar auf der Dachterrasse – ist dabei mehr als ein nettes Extra: Er wird als aktives Kulturinstrument verstanden, das Begegnung fördert, Gemeinschaft stärkt und die Rückkehr ins Büro zu einem echten Mehrwert macht.

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Von der Angst zur Akzeptanz

Großraumbüros gelten in vielen Unternehmen als Reizthema und werden häufig mit Anonymität, Lärm und Kontrollverlust in Verbindung gebracht. Auch bei der Haspa waren diese Sorgen zunächst präsent. Schließlich bedeutete der Umzug ins Deutschlandhaus einen Bruch mit jahrzehntealten Raumkonventionen. Weg von festen Einzel- oder Zweierbüros, hin zu offenen, flexiblen Arbeitslandschaften. Doch statt diese Bedenken zu ignorieren, wurden sie aktiv in den Veränderungsprozess eingebunden. Die Verantwortlichen setzten auf einen offenen Dialog. In Interviews, Workshops und Beteiligungsformaten hatten die Mitarbeiter die Möglichkeit, ihre Fragen und Vorbehalte zu äußern und ihre Erfahrungen in die Gestaltung einzubringen. Durch die Einrichtung der „Area One“, einer realitätsnahen Testfläche im alten Gebäude, und das „First Mover“-Programm konnten die Mitarbeiter die neue Arbeitsweise vorab ausprobieren und erleben. Dieses Vorgehen erwies sich als essenziell, um aus anfänglicher Skepsis allmählich Vertrauen wachsen zu lassen. Heute ist die Stimmung spürbar gewandelt. Die Mitarbeiter erleben ihre neue Umgebung nicht als Verlust an Kontrolle, sondern als Gewinn an Möglichkeiten. Das Feedback ist überwiegend positiv. Viele berichten von einer gestiegenen Identifikation mit dem Unternehmen, einer besseren Zusammenarbeit und einem stärkerem Gefühl der Zugehörigkeit. Das Büro wird wieder als relevanter Ort wahrgenommen – nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus Überzeugung.

Kultur durch Raum erlebbar machen

Der Wandel bei der Haspa zeigt, dass Gebäude keine bloßen Funktionshüllen sind. Sie können Kultur nicht nur abbilden, sondern auch aktiv prägen. Im Fall des Deutschlandhauses wurde dieser Gedanke konsequent umgesetzt. Architektur, Ausstattung und Nutzungskonzepte folgen der klaren Haltung, dass die Haspa nicht nur Bank, sondern auch Nachbar und Partner sein will. Und dass das Büro nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern auch ein sozialer Raum ist. Diese Haltung zeigt sich im Detail: Sichtbeziehungen, offene Strukturen und vielfältige Treffpunkte fördern informelle Begegnungen, auch abteilungsübergreifend. Durch die Integration von Gastronomie, Marktplätzen und Gemeinschaftsflächen soll bewusst der Austausch und der Zusammenhalt gestärkt werden. Besonders prägnant ist das Vorleben dieser Kultur durch die Führungsetage: Die Vorstände arbeiten nicht abgeschottet, sondern teilen sich Heimathäfen mit ihren Teams. Die Räume erzählen dabei eine Geschichte: von Vertrauen statt Kontrolle, von Verantwortung statt Vorschrift, von Beziehung statt Abgrenzung. In der Konsequenz entsteht ein Arbeitsumfeld, das nicht nur funktional, sondern auch sinnstiftend ist. Die Unternehmenskultur wird dadurch nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar.

Das zeigt: Architektur und Unternehmenskultur können Hand in Hand gehen. Es braucht keine Vorschriften, sondern Angebote mit Strahlkraft. Wenn die Raumgestaltung die Haltung des Unternehmens widerspiegelt und die Zusammenarbeit erleichtert, entsteht ein „betriebliches Magnetfeld“ – das beste Argument für die Rückkehr ins Büro.

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Volker Widdra ist Leiter des Bereichs Gebäudemanagement, Einkauf und Logistik bei der Hamburger Sparkasse. Mit über 35 Jahren Berufserfahrung verantwortete er die Gesamtprojektleitung für den Umzug der Haspa in ihre neue Zentrale am Gänsemarkt – ein Change-Projekt, das neue Maßstäbe in puncto Arbeitsplatzgestaltung und Unternehmenskultur setzt. Weitere Informationen unter: haspa.de

Alexandra Saisnith ist Head of Workplace Strategy bei combine Consulting. Die Architektin mit Zusatzqualifikation im Corporate Real Estate Management berät Unternehmen bei der Entwicklung zukunftsfähiger Arbeitswelten und verantwortet Projekte unter anderem für RTL Deutschland, Continental und die Handelsblatt Media Group. Weitere Informationen unter: combine-consulting.com

Bettina Herold ist Architektin und Beraterin bei combine Consulting. Sie begleitet Organisationen bei strategischen Bau- und Transformationsprojekten. Mit einem ganzheitlichen Blick auf Raum, Kultur und Zusammenarbeit unterstützt sie unter anderem die BMW Group, die Bayerische Versorgungskammer und die Stadtwerke Bayreuth. Weitere Informationen unter: combine-consulting.com

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