Wie können Büros mehr sein als Arbeitsorte, nämlich Treiber für Kultur, Zusammenarbeit und Mitarbeiterbindung? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Talks „Büros für Menschen“ auf dem Work Culture Festival 2024. Sabrina Schaal von Drees & Sommer und Markus Weber von der Volksbank Mittlerer Neckar zeigten am Praxisbeispiel, wie durchdachte Arbeitswelten entstehen und welche Rolle dabei die Bereiche HR, Organisation und Kommunikation spielen.
Ausgangspunkt: Wandel und neue Anforderungen
Nach einer Fusion stand die Volksbank Mittlerer Neckar vor der Aufgabe, mit einem Neubau moderne Arbeits- und Kommunikationsstrukturen zu schaffen. Das Ziel war ein Ort, der Zusammenarbeit, Fokus und Begegnung ermöglicht und zugleich den Kulturwandel unterstützt. Markus Weber, der für Unternehmenskultur und Kommunikation verantwortlich ist, betonte: „Wir wollten nicht nur neue Räume bauen, sondern auch neue Formen der Zusammenarbeit etablieren.“ Von Beginn an wurden externe Partner eingebunden, um die Bereiche Architektur, Change-Management und Kommunikation zu verzahnen.
Partizipation und Transparenz als Erfolgsfaktoren
Ein zentrales Element des Projekts war die konsequente Einbindung der Mitarbeiter. Bereits vor der finalen Planung wurden in digitalen Workshops unterschiedliche Perspektiven und Bedürfnisse gesammelt. Welche Arbeitsweisen gibt es? Wo braucht es Ruhe, wo Austausch? Auf dieser Grundlage entstanden erste Raumkonzepte, die im Dialog mit den Teams iterativ weiterentwickelt wurden. So wurde das Projekt zu einem Lernfeld für Organisation und Beteiligung. Wichtig war auch die Vielfalt der Kommunikationswege. Neben Intranet-Beiträgen und Führungskräftetreffen konnten die Mitarbeiter die neuen Konzepte auf begehbaren Pilotflächen erleben. Besonders wirkungsvoll war das Multiplikatoren-Modell: Aus allen Abteilungen wurden Change Agents ausgewählt. Sie agierten als Bindeglied zwischen Projektteam und Belegschaft. Sie informierten, sammelten Feedback und förderten die Akzeptanz im Alltag. Führungskräfte konnten die neuen Arbeitswelten in eigens eingerichteten Erfahrungsräumen testen. Das schuf Verständnis und baute Widerstände ab.
Kultur und Raum gemeinsam gestalten
Das neue Bürokonzept der Volksbank Mittlerer Neckar basiert auf der Idee, dass sich Raum und Unternehmenskultur gegenseitig stärken. Die Arbeitsumgebung deckt dabei verschiedene Bedürfnisse ab: Es gibt Bereiche für konzentriertes Arbeiten, aber auch für spontane Begegnungen und kreativen Austausch. Desksharing ermöglicht Flexibilität, Fokuszonen sorgen für Ruhe und offene Kollaborationsflächen laden zur Zusammenarbeit ein. Zusätzlich gibt es informelle Treffpunkte, die das Miteinander fördern und den Austausch über Abteilungsgrenzen hinweg erleichtern. Ein wichtiger Schritt für den Projekterfolg war, die neuen Raumkonzepte auf Pilotflächen erlebbar zu machen. Die Mitarbeiter konnten dort unterschiedliche Arbeitsweisen ausprobieren und aktiv Feedback geben. Das half, Unsicherheit abzubauen und die Akzeptanz für Veränderungen zu erhöhen. Auch bei der Möbelauswahl und der Gestaltung der Räume wurden die Teams einbezogen. So entstand eine Umgebung, die Identifikation stiftet, in der sich die Mitarbeiter wohlfühlen und gern arbeiten.
Vereinbarkeit, Vertrauen, Verantwortung
An die räumliche Neugestaltung schließt sich unmittelbar die soziale Dimension an. Das neue Büro sollte auch lebensnah sein. Konkret bedeutet das, dass Angebote wie ein Eltern-Kind-Büro geschaffen und eine Kooperation mit einer Kita eingegangen wurden, um Mitarbeitern mehr Flexibilität und Unterstützung im Alltag zu bieten. Diese Maßnahmen sind Ausdruck einer Unternehmenskultur, die Vereinbarkeit und Vertrauen fördert und sie werden von den Teams als echte Wertschätzung erlebt. Gerade im Wettbewerb um Talente sind solche Lösungen entscheidend. Sie zeigen, dass Flexibilität und Familienfreundlichkeit wirklich gelebt werden. Die Rückmeldungen aus dem Team bestätigen dies. Die Angebote werden genutzt und stärken das Zugehörigkeitsgefühl. Damit werden auch die Werte der Volksbank – Verantwortung, Zusammenarbeit, Entwicklung und Leistung – im Arbeitsalltag sichtbar. Die Mitarbeiter gestalten ihren Tag eigenverantwortlich, bewegen sich dabei aber in einem klaren Rahmen, der ihnen Orientierung gibt. So wird das Büro zum Möglichkeitsraum für Zusammenarbeit und persönliche Entwicklung.
Hürden und Learnings
Wie bei jeder grundlegenden Veränderung gab es auch in diesem Projekt Hürden, die überwunden werden mussten. Besonders die Führungsebene tat sich anfangs schwer mit dem Abschied vom Einzelbüro und der Umstellung auf offene Flächen. „Die größte Überzeugungsarbeit musste nicht bei den Mitarbeitern, sondern in der Führungsetage geleistet werden. Dort galt es, alte Rollenmuster aufzubrechen und Vertrauen in neue Formen der Zusammenarbeit zu schaffen“, beschreibt Markus Weber die Anfangsphase. Auch funktionale Anforderungen sorgten für Diskussionsbedarf. In sensiblen Bereichen wie Personal oder Datenschutz mussten gezielt Rückzugsräume geschaffen werden, um Vertraulichkeit zu gewährleisten. Hier zeigte sich, dass Standardlösungen zu kurz greifen und ein differenziertes, aufgabenbezogenes Flächenkonzept gefragt ist. Entscheidend ist, dass Veränderungen nicht übergestülpt, sondern gemeinsam entwickelt werden: „Nicht jede Organisation braucht eine Rutsche. Aber jede braucht eine Lösung, die zu ihr passt“, so Sabrina Schaal.
Drei Empfehlungen für die Praxis
1. Klare Vision:
Von Anfang an Ziele und Erfolgskriterien definieren, um Orientierung zu geben.
2. Erfahrene Partner:
Externe Expertise einbinden, um neue Perspektiven und methodisches Know-how zu gewinnen.
3. Die Menschen mitnehmen:
Mitarbeiter frühzeitig und aktiv einbeziehen – echte Akzeptanz entsteht nur durch gemeinsames Gestalten.
Am Ende geht es um mehr als nur neue Räume: Es geht um einen Kulturwandel, bei dem das Büro zum Möglichkeitsraum für Zusammenarbeit, Entwicklung und Vertrauen wird. Erfolgreiche Arbeitswelten entstehen dort, wo Offenheit auf Struktur trifft, Führung Verantwortung abgibt und Mitarbeiter Verantwortung annehmen. Oder wie Markus Weber es auf den Punkt brachte: „Wir gestalten keine Flächen. Wir gestalten Zusammenarbeit.“
Sabrina Schaal ist Leading Consultant bei Drees & Sommer. Sie berät Unternehmen bei der Transformation von Arbeitswelten. Mit den Schwerpunkten Change-Management, Raumstrategie und Mitarbeitereinbindung begleitet sie Organisationen auf dem Weg zu zukunftsfähigen Büro- und Arbeitskonzepten. Weitere Informationen finden Sie unter: dreso.com
Markus Weber leitet bei der Volksbank Mittlerer Neckar eG den Bereich Unternehmenskommunikation mit den Schwerpunkten interne Kommunikation, Kulturentwicklung und Change-Projekte. Im Rahmen des Neubaus verantwortete er die Einbindung der Mitarbeitenden und die kommunikative Begleitung des Transformationsprozesses. Weitere Informationen unter: v‑mn.de
Titelbild: @ IBA