Peter Ippolito, renommierter Architekt und Mitbegründer des Designstudios Ippolito Fleitz Group, sprach auf dem Work Culture Festival über die Transformation des Arbeitsplatzes und die Rolle der Architekten in diesem Wandel. Sein Vortrag beleuchtete nicht nur die ästhetischen und funktionalen Aspekte der Bürogestaltung, sondern vor allem die Identität und Kultur, die in diesen Räumen entsteht.
Das Büro als lebendiger Organismus: Wo Arbeit und Kultur aufeinandertreffen
In einer sich rasant verändernden Arbeitswelt, so Ippolito, sollten Büros nicht mehr nur als Orte der Produktivität gesehen werden. Vielmehr müssen sie als lebendige Räume des Austauschs und der Identifikation gestaltet sein. „Das Büro von heute ist ein Raum, in dem die Unternehmenskultur verhandelt wird“, erklärt er. Dabei geht es weniger um klassische Arbeitsplatzgestaltung oder Flächenoptimierung, sondern um das bewusste Schaffen von Atmosphären, die Innovation und Gemeinschaft fördern. Denn Innovation entsteht nicht in isolierten Büros oder in vordefinierten Prozessen, sondern in spontanen Begegnungen und unvorhersehbaren Interaktionen. Der Arbeitsplatz müsse daher als Plattform begriffen werden, die genau diese Momente der Serendipität ermöglicht.
Das Ende der Standardlösungen
Ippolito erklärte, dass es keine universelle Formel für das perfekte Büro gebe. „Was für ein Unternehmen funktioniert, kann für ein anderes unbrauchbar sein“, betonte er. Deshalb sei der Prozess der Bürogestaltung essenziell: Statt eine vorgefertigte Struktur überzustülpen, sei es wichtig, gemeinsam mit dem Unternehmen herauszufinden, welche Arbeitsweise, welches Kommunikationsverhalten und welche Unternehmenskultur sich in der Architektur widerspiegeln sollen. Das Büro ist damit nicht mehr nur ein physischer Ort, sondern Ausdruck einer kollektiven Identität. Wer sich mit seiner Arbeitsumgebung identifiziert, arbeitet engagierter und kreativer. Um dies zu erreichen, müssen Architekten und Designer einen Schritt weiter gehen: Sie gestalten nicht nur Räume, Möbel oder Beleuchtung, sondern auch die Art und Weise, wie Arbeitsplätze insgesamt wahrgenommen und erlebt werden.
Die neue Rolle des Architekten
Mit diesem Wandel verändert sich auch die Rolle des Architekten. Er ist nicht mehr nur Planer von Gebäuden, sondern Moderator eines kreativen Prozesses, der Unternehmenswerte in räumliche Strukturen übersetzt. Denn der Arbeitsplatz von morgen entsteht nicht durch fertige Blaupausen, sondern in enger Zusammenarbeit mit den Menschen, die ihn nutzen. Architekten müssen daher nicht nur ästhetische und funktionale Aspekte berücksichtigen, sondern auch kulturelle, psychologische und soziale Dynamiken verstehen. Der Schlüssel liegt in der Fähigkeit, Räume zu schaffen, die Identifikation ermöglichen, Veränderung begleiten und Innovation fördern. So wird das Büro zum Spiegelbild einer Organisation – flexibel, individuell und immer im Dialog mit den Menschen, die es prägen.
Das Büro als Identitätsträger
Als Beispiel für diesen Ansatz nannte Ippolito das neue Bürogebäude für Bionade und Hassia. Hier wurde ein Raum geschaffen, der weit mehr ist als eine Arbeitsstätte, nämlich ein Ort, der den Austausch und die Identifikation mit dem Unternehmen fördert. Durch ein flexibles Raumkonzept mit unterschiedlichen Arbeitsmodellen – von Einzelarbeitsplätzen für konzentriertes Arbeiten bis hin zu offenen Begegnungszonen – entstand eine Architektur, die die Kommunikation fördert und die Gemeinschaft stärkt. Auch die Zentrale der Aktion Mensch steht für diesen Wandel. Unter dem Leitmotiv „Das Wir gewinnt“ wurde ein Büro gestaltet, das nicht nur funktionale Anforderungen erfüllt, sondern auch die Werte der Organisation räumlich erlebbar macht. Offene Strukturen, barrierefreie Konzepte und vielfältige Treffpunkte sorgen dafür, dass die Unternehmenskultur nicht nur auf dem Papier steht, sondern aktiv gelebt wird.
Veränderung beginnt mit Beteiligung
Veränderung kann für Ippolito nur gelingen, wenn sie gemeinsam gestaltet wird. Ein modernes Arbeitsumfeld entsteht nicht durch top-down verordnete Maßnahmen, sondern im Dialog mit den Menschen, die sie täglich nutzen. Partizipation ist für ihn daher ein zentraler Faktor bei der Entwicklung neuer Bürokonzepte. Durch Workshops, digitale Beteiligungsformate und eine offene Kommunikationskultur können die Mitarbeiter nicht nur ihre Bedürfnisse und Wünsche einbringen, sondern sich auch aktiv mit der neuen Arbeitswelt identifizieren. „Wenn man den Menschen den Wandel einfach überstülpt, wird er scheitern“, erklärt Ippolito. Vielmehr gehe es darum, Veränderungen gemeinsam zu gestalten.
Anpassungsfähig und verantwortungsvoll: Büros für die Zukunft gestalten
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Bürogebäude nicht nur flexibel, sondern auch nachhaltig gestaltet werden müssen. Die traditionelle Trennung von Arbeit und Freizeit weicht zunehmend einem integrativen Ansatz, bei dem Büros mehr als nur Arbeitsstätten sind – sie werden zu Orten der Begegnung, des gemeinsamen Erlebens. Gleichzeitig wird Nachhaltigkeit immer wichtiger. „Das nachhaltigste Gebäude ist das, das am längsten genutzt wird“, betont Ippolito. Langlebigkeit, Modularität und Wiederverwendbarkeit spielen daher in der modernen Büroplanung eine zentrale Rolle. Statt immer wieder neue Strukturen zu schaffen, gilt es, vorhandene Ressourcen kreativ zu nutzen und damit nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch verantwortungsvoll zu handeln.
Die Gestaltung moderner Arbeitswelten bleibt für Ippolito ein dynamischer Prozess. Unternehmen und Architekten sind gefordert, flexible, nachhaltige und identitätsstiftende Räume zu schaffen, die über die reine Funktionalität hinausgehen, die Kreativität, Gemeinschaft und langfristige Unternehmenswerte stärken. Entscheidend ist, dass dieser Wandel bewusst und partizipativ gestaltet wird – mit Offenheit für neue Ideen und dem Mut, bestehende Strukturen infrage zu stellen.