KI verwandelt Daten in Macht.“ Mit diesem Statement eröffnete Uli Blum seinen Vortrag beim Work Culture Festival und gab den Zuhörern einen Einblick in die Zukunft der Arbeitsplatzgestaltung. Als Co-Leiter des Bereichs „Analytics and Insights“ bei Zaha Hadid Architects und Professor an der Münster School of Architecture bewegt er sich an der Schnittstelle von Architektur, Technologie und menschlichem Verhalten. Seine Vision sind Arbeitswelten, die nicht statisch sind, sondern sich durch den intelligenten Einsatz von Daten und KI selbst weiterentwickeln.
Data is the new oil – AI is the refinery
Um seine Vision zu verdeutlichen, griff Blum auf eine Metapher zurück, die sich wie ein roter Faden durch seine Keynote zog: „Daten sind das neue Öl. Aber Öl ist zunächst wertlos, wenn man es nicht raffiniert.“ KI übernimmt genau diese Rolle: Sie ist die Raffinerie, die Rohdaten in nutzbare Erkenntnisse verwandelt. Statt Datenberge nur zu sammeln, können Unternehmen mit KI Strukturen, Prozesse und vor allem Räume optimieren. Er verdeutlichte, dass Daten allein noch keinen Mehrwert schaffen. Erst durch intelligente Analyse, Verknüpfung und Interpretation entstehen konkrete Handlungsmöglichkeiten. „Es reicht nicht, zu wissen, wie viele Menschen sich in einem Büro aufhalten oder wann ein Raum belegt ist. Erst wenn wir verstehen, wie sich Menschen bewegen, wo sie sich wohlfühlen und wo Reibungspunkte entstehen, können wir Arbeitswelten gestalten, die produktiv und inspirierend sind.“ Blum machte deutlich, dass KI in diesem Zusammenhang als „entscheidende Schnittstelle zwischen Daten und Design“ fungiert. Während früher vor allem Bauchgefühl und ästhetische Entscheidungen dominierten, lassen sich heute fundierte Prognosen treffen. Welche Arbeitsplätze werden am häufigsten genutzt? Wie wirken Licht, Temperatur und Akustik auf die Zufriedenheit? Welche räumlichen Konfigurationen fördern Kreativität und Teamwork? „Die wahre Macht liegt nicht im Sammeln, sondern im Verstehen“, betonte Blum. „KI ist das Werkzeug, das uns erlaubt, in Sekundenbruchteilen Erkenntnisse zu gewinnen, für die wir früher Wochen gebraucht hätten.“
KI als Innovationskatalysator und Problemlöser
Blum erläuterte zwei zentrale Dimensionen des KI-Einsatzes: KI als Innovationskatalysator und als Problemlöser. Als Kreativwerkzeug unterstützt generative KI die Formfindung in der Architektur. Zaha Hadid Architects nutzt sie beispielsweise, um aus Skizzen und Ideen neue Gebäude- und Raumkonzepte zu entwickeln. „Wir lassen die Maschine sozusagen träumen, um Perspektiven zu sehen, die wir allein vielleicht nie gefunden hätten“, erklärte Blum. So entstehen Hunderte Varianten von Fassaden oder Grundrissen, aus denen die Architekten die besten Ansätze weiterentwickeln können. KI ist jedoch nicht nur ein Impulsgeber, sondern auch ein hochpräzises Analysewerkzeug. Als Problemlöser wird sie eingesetzt, um Raumstrukturen datenbasiert zu optimieren. Sei es durch Berechnungen zu Lichtverhältnissen, Sichtachsen oder zur Nutzung von Arbeitsplätzen. Blum sprach in diesem Zusammenhang von Evidence-based Design, einer Herangehensweise, die das Bauchgefühl um messbare Fakten ergänzt.
Das selbstlernende, sich weiterentwickelnde Büro
Ein zentrales Thema in Blums Vortrag war das Konzept des Self-learning, self-evolving Office: ein Büro, das sich durch Sensoren, Datenanalysen und das Feedback der Nutzer ständig weiterentwickelt und optimiert. „Wir haben in den letzten 25 Monaten mehr Veränderung erlebt als in den 25 Jahren zuvor“, erklärte Blum. Die Umstellung auf flexibles und hybrides Arbeiten habe zwar viele Freiheiten gebracht, aber auch dazu geführt, dass Teams weniger Zeit gemeinsam im Büro verbringen. Autonomie sei zwar wichtig, könne jedoch die Zusammenarbeit schwächen, wenn jeder einfach seinen Lieblingsplatz suche. Genau hier komme KI ins Spiel: Mithilfe von Bewegungs- und Interaktionsanalysen lassen sich Muster erkennen, beispielsweise welche Arbeitsplätze besonders beliebt sind, welche Bereiche kaum genutzt werden oder wie stark die Teammitglieder untereinander vernetzt sind. „Das Büro ist kein statischer Raum mehr, sondern ein lebendiges Netzwerk von Orten, die von Menschen geprägt werden“, so Blum. Dabei zeigen sich klare Tendenzen: Menschen, die Inspiration suchen, wählen eher kommunikative Zonen, während andere für konzentriertes Arbeiten Rückzugsorte bevorzugen. „Unser Ziel ist es, diese Dynamiken zu verstehen und das Büro so zu gestalten, dass es alle Arbeitsweisen bestmöglich unterstützt.“ Blum sieht das Büro deshalb zunehmend als Labor, in dem laufend getestet wird, welche Raumkonzepte funktionieren. Daten werden ausgewertet, das Feedback integriert und die Gestaltung Schritt für Schritt angepasst. Durch diesen kontinuierlichen Lernprozess entstehen Arbeitsumgebungen, die immer weiter verbessert werden.
Studentische Visionen: Das Büro der Zukunft
In Blums Vortrag waren es besonders die Projekte seiner Studenten an der Münster School of Architecture, die den Blick weit in die Zukunft der Arbeitswelten werfen. Ein Beispiel ist eine Masterarbeit, die das Konzept des Self-evolving Office aufgreift: Statt starrer Grundrisse und fester Möblierung entstehen dynamische Systeme, die sich kontinuierlich anpassen. Ein Student entwickelte beispielsweise die Vision, dass Roboter die Möbel über Nacht automatisch umstellen, basierend auf den Anforderungen des kommenden Arbeitstags. Nutzerfeedback wird dabei genutzt, um die Arbeitsumgebung stetig zu verbessern. „Diese Ansätze zeigen, wie wir die nächste Generation von Büros denken müssen: flexibel, lernend und anpassungsfähig“, so Blum. Auch die Idee des Self-learning Furniture gehört zu diesen visionären Konzepten. Damit sind Möbel gemeint, die modular, beweglich und intelligent angeordnet werden können, um verschiedene Arbeitsmodi zu unterstützen – von Meeting-Pods über flexible Sitzlandschaften bis hin zu variablen Arbeitstischen. Durch Algorithmen lassen sich diese Elemente so konfigurieren, dass sie Teamarbeit fördern und gleichzeitig Rückzugsmöglichkeiten bieten.
Die Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz zeigen: Es reicht nicht mehr, Veränderungen einfach zu akzeptieren. Vielmehr gilt es, sie aktiv mitzugestalten. Arbeitsumgebungen der Zukunft müssen flexibel, lernfähig und an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet sein. KI bietet dabei gewaltige Chancen, Strukturen, Prozesse und Räume fortlaufend zu verbessern. Entscheidend ist jedoch, diese Technologien verantwortungsvoll einzusetzen und den Menschen stets in den Mittelpunkt zu stellen. Denn letztlich liegt es an uns, das Potenzial von KI nicht nur für effiziente, sondern vor allem für menschliche und inspirierende Arbeitswelten zu nutzen.