Beim Work Culture Festival warfen Lara Milerski von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Monika Lepel vom Büro LEPEL & LEPEL einen Blick hinter die Kulissen des Transformationsprozesses bei der Gestaltung des GIZ-Campus in Bonn. Dabei ging es nicht nur um Raumgestaltung, sondern auch um ein neues Verständnis von Arbeit, Wandel und Partizipation.
Vom Verwaltungsbau zum Zukunftsort
Die Idee für den Campus Bonn entstand 2018 mit dem Ziel, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das Flexibilität, Zusammenarbeit und Nachhaltigkeit fördert. „Wir wollten den Schritt wagen und das Leitprinzip Nachhaltigkeit auch in unseren Flächen umsetzen“, erklärte Milerski, die das Projekt als Change-Managerin verantwortete. Anstelle von Einzelbüros entstand ein 28.000 Quadratmeter großer Campus mit rund 1.000 Desksharing-Arbeitsplätzen, kreativen Begegnungszonen, Netzwerkflächen und modularen Teamzonen. Monika Lepel und ihr Team entwickelten dazu ein innenarchitektonisches Konzept, das Identität stiftet und zugleich anpassbar bleibt. „Wir bauen Beziehungen“, so Lepel, „und das geht nur, wenn Räume sowohl Ordnung als auch kreative Energie zulassen.“ Eine natürliche Farbpalette, offene Flächen und die Verbindung von globalem Kontext mit lokalen Bezügen sollten einen atmosphärischen Rahmen schaffen, in dem sich die Mitarbeiter und ihre Mission wiederfinden. Ergänzt wurde der gestalterische Anspruch durch hohe ökologische Standards. Der Campus wurde nach den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zertifiziert und erhielt den Platin- sowie den Gold-Status für Planung, Bau und Betrieb.
Partizipation als Erfolgsfaktor
Zentrales Element der Transformation war ein umfassender Beteiligungsprozess. Von Anfang an wurde auf Dialog gesetzt: Es gab Informationsveranstaltungen, Workshops zur Analyse der Arbeitsweisen, Campus-Touren durch den Rohbau und Puzzleworkshops zur Flächenkonfiguration. „Wir wollten nicht über die Köpfe hinweg entscheiden, sondern mit den Menschen gestalten“, so Milerski. Multiplikatoren aus den Teams, die sogenannten Campus-Botschafter, sorgten für den Austausch in beide Richtungen. Das zeigte Wirkung: Aus anfänglicher Skepsis wurde Vorfreude. Selbst sensible Themen wie der Verlust des eigenen Schreibtischs wurden konstruktiv verhandelt, da das neue Umfeld echte Qualität versprach. Viele Mitarbeiter schätzten die Möglichkeit, ihre zukünftige Arbeitswelt selbst mitzugestalten und ihre Bedürfnisse einzubringen. Die Erfahrung, dass ihre Perspektiven gehört und berücksichtigt wurden, stärkte nicht nur die Identifikation mit dem Projekt, sondern auch das Vertrauen in den Wandel. Besonders wirksam erwiesen sich die praxisnahen Beteiligungsformate. Das gemeinschaftliche Entwickeln von Flächen wurde so zum Symbol einer kooperativen Unternehmenskultur.
Flexibel gedacht, anpassbar gemacht
Dass Flexibilität keine Floskel war, zeigte sich besonders nach dem Einzug 2020, mitten während der Corona-Pandemie. Die neuen Flächen mussten umgehend neu interpretiert werden: mehr Technik für hybride Meetings, mehr Rückzug für Webkonferenzen, ein digitales Buchungstool. „Wir hatten nur sechs Wochen reale Nutzung vor dem Lockdown“, erinnerte sich Milerski, „danach mussten wir vieles neu erklären.“ Zusätzlich erschwert wurde dies durch die hohe Personalfluktuation zwischen In- und Auslandseinsätzen: Viele Nutzer hatten das Projekt gar nicht mitentwickelt und mussten nachträglich für das neue Konzept gewonnen werden. Dabei zahlte sich das ursprüngliche Konzept aus: Die Raumgestaltung war von Anfang an auf Veränderbarkeit ausgelegt. Die modularen Strukturen ermöglichten die schnelle Umnutzung. Projektzonen wurden zu konzentrierten Arbeitsbereichen, Loungeflächen wandelten sich zu Pausenzonen mit informellem Charakter. Die Nachfrage nach ergonomischen Arbeitsplätzen nahm spürbar zu, spontane Treffen rückten in den Hintergrund, während fokussiertes Arbeiten mehr Raum einforderte. Es kamen auch unerwartete Nutzungsformen auf: So wurden Ruheräume für Powernaps überraschend stark frequentiert, ein Indikator dafür, wie wichtig Regeneration im Arbeitsalltag geworden ist. Gleichzeitig zeigte sich, dass einige Elemente, wie hohe Stehtische oder Loungesessel, weniger als alternative Arbeitsorte, sondern eher für soziale Interaktion genutzt wurden. „Räume müssen mitwachsen können“, so Lepel, „sowohl technisch, funktional als auch kulturell.“ Die Flexibilität, Dinge zu verwerfen oder neu zu denken, war kein Rückschritt, sondern gelebte Anpassungsfähigkeit – ein zentrales Element für Organisationen, die sich dauerhaft im Wandel befinden. Gleichzeitig wurde das Büro durch diese Entwicklungen neu gedacht. Es ist nicht mehr der selbstverständliche Arbeitsort, sondern ein bewusst gewähltes Ziel. „Der Gang ins Büro ist heute ein geplantes Ereignis“, sagte Milerski. Es müsse ein Happening sein, das in Atmosphäre, Ergonomie, Technik und Begegnung Qualität biete.
Was bleibt: Lernen, weiterdenken, verankern
Die gesammelten Erfahrungen aus dem ersten Campusgebäude sind der Ausgangspunkt für den nächsten Schritt. Sie fließen in die Umgestaltung des zweiten Gebäudes ein, mit dem Ziel, das Gelernte umzusetzen und so eine neue Qualität zu schaffen. Dabei geht es nicht nur um räumliche Optimierungen, sondern auch um organisatorische und kulturelle Weiterentwicklungen. Neue Services, zusätzliche Kaffee- und Verpflegungsautomaten sowie ein durchdachtes Besuchs- und Onboarding-Konzept mit sogenannten Campus-Guides sollen das Nutzungserlebnis noch besser an die heutigen Anforderungen anpassen.
Das Panel zeigte auf, dass Transformation nicht mit der Einweihung eines Gebäudes endet. Sie ist ein andauernder Prozess, der Haltung, Flexibilität und Kommunikation erfordert. Es genügt nicht, Räume zu bauen. Sie müssen in ihrer Nutzung begleitet, erklärt und manchmal auch neu konzipiert werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich das Nutzungsverhalten kontinuierlich verändert. Für Lepel und Milerski steht fest: Das Büro ist heute mehr denn je ein Statement. Wer es aufsucht, sucht mehr als einen Tisch und WLAN – gesucht werden Sinn, Zugehörigkeit und Austausch. Das Büro wird so zum Treffpunkt mit Mehrwert, zum Ort der Identität und Inspiration. Und genau das gelingt, wenn Raum nicht als fertige Hülle, sondern als Spiegel einer lernenden Organisation verstanden wird. Oder wie Monika Lepel es auf den Punkt brachte: „Wir gestalten Zukunft, nicht Status quo.“
Monika Lepel ist Innenarchitektin und Gründerin des Kölner Büros LEPEL & LEPEL. Seit über 30 Jahren gestaltet sie Arbeitswelten und ist auf die Verbindung von Raum, Kultur und Organisation spezialisiert. Ihre Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Innenarchitekturpreis und dem Red Dot Award. Weitere Informationen unter: lepel-lepel.de.
Lara Milerski ist Facility-Managerin bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Bonn. Als Quereinsteigerin mit sozialwissenschaftlichem Hintergrund verantwortet sie seit 2021 das nachhaltige und effiziente Flächenmanagement und begleitet Transformationsprozesse mit Fokus auf neue Arbeitswelten. Weitere Informationen unter: berichterstattung.giz.de.
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