Nachhaltige Büromöbel sind ein zunehmend wichtiger Bestandteil moderner Unternehmensstrategien, doch die Umsetzung von Kreislaufkonzepten steckt vielerorts noch in den Kinderschuhen. Alexander Walter, Referent für Immobilienmanagement bei der Deutschen Bahn, spricht im Interview über Herausforderungen, Chancen und die Rolle von Politik und Wirtschaft bei der Etablierung kreislauffähiger Möbelkonzepte.
Herr Walter, die Deutsche Bahn verfolgt ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele. Welche Rolle spielen Kreislaufkonzepte und nachhaltige Möbel in Ihrem Facility Management und bei der Gebäudeausstattung?
Die Deutsche Bahn ist ein großes Unternehmen, ich kann hier nur für meinen Bereich, die Büroimmobilien, sprechen. Hier gibt es bisher kaum etablierte Konzepte für Kreislaufwirtschaft oder nachhaltige Möbel. Das hat verschiedene Gründe – sei es die Qualität vieler Produkte oder strukturelle und politische Herausforderungen. Hinzu kommt, dass der Möbelbestand in großen Unternehmen oft schwer zu managen ist und es viele steuerliche und rechtliche Hürden gibt. Zum Beispiel dürfen wir Möbel nicht einmal verschenken oder spenden. Hier könnte die Politik die Weichen stellen.
Warum sollten Unternehmen dennoch in nachhaltige Büromöbel investieren?
Aus ökonomischer Sicht mag es derzeit wenig direkte Anreize geben, da nachhaltige oder kreislauffähige Möbel oft nicht günstiger sind als neue. Aber in einer Zeit, in der Unternehmen zunehmend in der Verantwortung stehen, nachhaltiger zu handeln, ist es einfach nicht mehr zeitgemäß, Möbel nach relativ kurzer Nutzung zu entsorgen. Unsere Kunden und Mitarbeitenden erwarten von uns, dass wir ressourcenschonend und verantwortungsbewusst handeln. Nachhaltige Initiativen sind daher nicht nur Ausdruck ökologischer Verantwortung, sondern auch ein wichtiger Faktor für die Außenwahrnehmung eines Unternehmens. Hinzu kommt, dass sich die Erwartungen an Unternehmen verändern: Nachhaltigkeit wird zunehmend als Selbstverständlichkeit wahrgenommen und es gibt einen wachsenden gesellschaftlichen Konsens, dass ein effizienter Umgang mit Ressourcen der Normalfall sein sollte. Gerade in Bereichen, die sich nicht unmittelbar auf das Geschäftsergebnis auswirken, können Unternehmen durch bewusste Entscheidungen – wie den Einsatz von Kreislaufmöbeln – zeigen, dass sie bereit sind, ihren Beitrag zu leisten. Letztlich geht es darum, die Welt ein Stück besser zu machen. Und auch wenn der direkte wirtschaftliche Nutzen noch nicht offensichtlich ist, gewinnen Unternehmen langfristig Vertrauen, Reputation und schaffen die Grundlage für eine nachhaltige Zukunft.
Welche Kriterien sind Ihnen bei der Auswahl von Büromöbeln wichtig?
Die Auswahl erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Einkauf und den Bedarfsstellen. Dabei wird der Bedarf anhand der Nutzungsintensität und der aktuellen Trends in der Bürowelt analysiert. Kriterien wie Ergonomie, Langlebigkeit und Funktionalität stehen ebenso im Fokus wie die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und arbeitsrechtlicher Standards. Gleichzeitig richten wir den Blick auf zukünftige Entwicklungen: Wie sieht die Büroarbeit von morgen aus und welche Anforderungen ergeben sich daraus? Unsere Aufgabe geht über die reine Auswahl hinaus – wir betrachten das gesamte Arbeitsumfeld. Dazu gehört die schlüsselfertige Übergabe von Büroflächen, von der Immobilie bis zur Möblierung, aber auch die Frage, wie sich Arbeit und Arbeitsplätze weiterentwickeln. Dabei müssen wir sowohl die aktuellen Anforderungen erfüllen – zum Beispiel durch Betriebsräte, Arbeitsschutz und Berufsgenossenschaften, die klare Vorgaben machen – als auch vorausschauend denken. Die Büroarbeit verändert sich ständig und wir beobachten diese Entwicklung sehr genau. Schreibtische zum Beispiel wird es immer geben, aber weniger als früher. Dafür müssen wir uns noch stärker mit den Anforderungen an andere Möbel wie Stühle und flexible Arbeitsplatzlösungen auseinandersetzen. Unser Ziel ist klar: Möbel, die nicht nur die heutigen Standards erfüllen, sondern auch den zukünftigen Anforderungen an Qualität, Funktionalität und Design gerecht werden. So stellen wir sicher, dass unsere Bürolandschaften mit den Anforderungen von heute und morgen Schritt halten.
Welche Rolle spielen Zertifikate wie das „European Level“ bei Ihren Entscheidungen?
Zertifikate sind ein wichtiger Faktor, aber es ist schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen, also wirklich sinnvolle Zertifikate von solchen mit reinem Marketingcharakter zu unterscheiden. Wir orientieren uns derzeit an den Kriterien des höchsten Level-Standards, Level 3. Unser Ziel ist es, eine Balance zwischen hohen Nachhaltigkeitsstandards und einer möglichst breiten Marktabdeckung zu finden. Die Entscheidung, welche Zertifikate wir als Richtschnur vorgeben, ist auch ein Statement, die Vision einer nachhaltigen Arbeitswelt zu verwirklichen und die Zukunft aktiv mitzugestalten.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung von Kreislaufmöbelkonzepten?
Die erste Herausforderung bestand darin, eine Leistungsbeschreibung zu definieren, die den Markt anspricht, da wir hier Neuland betreten. Es gibt keine etablierten Ausschreibungstexte oder Standards, auf die wir zurückgreifen können. Die Marktbereitschaft ist dabei ein entscheidender Faktor – viele Anbieter sind in diesem Bereich noch unerfahren und es bleibt die Frage, wie gut der Markt solche Konzepte kurzfristig bedienen kann. Darüber hinaus sehen wir die Notwendigkeit, langfristige, partnerschaftliche Beziehungen zu den Lieferanten aufzubauen. Wir wollen nicht nur einkaufen, sondern gemeinsam mit unseren Partnern lernen und Lösungen entwickeln. Auch logistisch ist die Abwicklung eine Herausforderung: Möbel aus Lagerbeständen müssen fachgerecht aufbereitet und transportiert werden, was zusätzlichen Aufwand und potenzielle CO₂-Emissionen verursacht. Unser Ziel ist es, den Bedarf zunehmend aus möglichst regionalem Bestand zu decken. Wir starten mit einer 10–90-Quote, d. h. wir beschaffen zunächst 10 % der Möbel aus dem Bestand und 90 % neu. Diese Quote soll kontinuierlich steigen, um den Anteil der Neumöbel zu minimieren. Gleichzeitig muss aber sichergestellt sein, dass Qualität und Funktionalität der wiederaufbereiteten Möbel den Anforderungen entsprechen. Ein weiterer Aspekt ist die europäische Dimension: Länder wie die Niederlande sind beim Thema Möbelkreislauf schon weiter. Um solche Konzepte auch in Deutschland flächendeckend zu etablieren, müssen wir über nationale Grenzen hinausdenken und Allianzen bilden, die eine nachhaltige Marktentwicklung unterstützen.
Sie haben die Niederlande als Vorreiter in diesem Bereich erwähnt. Warum ist Deutschland hier im Vergleich so zurück?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen gibt es in den Niederlanden einen klaren politischen Willen, zirkuläre Konzepte aktiv zu fördern. Öffentliche Auftraggeber sind dort verpflichtet, Gebrauchtmöbel einzusetzen. Dadurch ist ein Markt entstanden, der innovative Lösungen vorantreibt und Anbieter zwingt, Kreislaufkonzepte in ihre Geschäftsmodelle zu integrieren. In Deutschland fehlt eine vergleichbare politische Weichenstellung. Es gibt zwar Fortschritte und eine wachsende Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeit, aber die Entwicklung ist langsam. Hinzu kommt, dass die kleineren Strukturen in den Niederlanden – sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich – die Umsetzung solcher Konzepte erleichtern können. In Deutschland ist der Markt stärker fragmentiert und die bürokratischen Hürden sind höher, was Innovationen oft hemmt. Dennoch sehen wir auch hier eine zunehmende Dynamik.
Am 13. März sind Sie Gast des Panels „Circular Furniture: Von der Theorie zur Praxis“ im Rahmen der Circular Valley Convention. Was erhoffen Sie sich von der Diskussion in Düsseldorf?
Ich hoffe, dass wir Impulse für die gesamte Branche geben können. Wir wollen zeigen, dass Kreislaufkonzepte nicht nur machbar, sondern auch wirtschaftlich tragfähig sind. Besonders spannend finde ich, dass die Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen stattfindet, einer Region, die durch ihre Nähe zu den Niederlanden in der Umsetzung solcher Ansätze vielleicht etwas weiter ist als andere Bundesländer. Ich sehe die Diskussion als Chance, Best Practices vorzustellen und zu zeigen, dass es in diesem Bereich kein Zurück mehr gibt. Wir wollen auch dazu anregen, dass sich Unternehmen zu regionalen Netzwerken zusammenschließen, denn solche Netzwerke können entscheidend dazu beitragen, die Idee der Kreislaufwirtschaft von der Theorie in die Praxis umzusetzen.
Herr Walter, vielen Dank für das Gespräch.
Alexander Walter ist Senior-Referent für Immobilienmanagement bei der Deutschen Bahn AG und seit 2012 verantwortlich für das Büromöbelkonzept des Konzerns. Mit seiner Expertise arbeitet er leidenschaftlich in interdisziplinären Teams an Themen wie modernes Arbeiten, zukunftsfähige Bürokonzepte sowie neue Service- und Geschäftsmodelle. Darüber hinaus engagiert er sich aktiv in der Weiterentwicklung von Kommunikation, Forschung und Change-Management rund um das Bürokonzept der Deutschen Bahn. Mehr Informationen finden Sie auf seinem LinkedIn-Profil: https://www.linkedin.com/in/alexander-walter-berlin/
Fotonachweis: © Alexander Walter