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Nachhaltigkeit von Büro- und Objektmöbeln: Herausforderungen und Lösungsansätze

Nachhaltigkeit

Volker Weßels über Nachhaltigkeit von Büro- und Objektmöbeln. Bild: Carsten Lerp
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
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Nachhaltigkeit ist längst keine optionale Eigenschaft mehr, sondern eine Kernanforderung an Büro- und Objektmöbel. Volker Weßels, Experte für Kreislaufwirtschaft und Leiter des „European Level“-Programms, erläutert im Interview, wie nachhaltige Konzepte die Branche verändern und welche Schwierigkeiten dabei zu meistern sind.

Herr Weßels, Nachhaltigkeit ist ein großes Thema in der Büromöbelbranche. Was sind die wichtigsten Aspekte, die nachhaltige Büromöbel ausmachen?

Nachhaltigkeit bei Büro- und Objektmöbeln umfasst eine Vielzahl von Aspekten. Zunächst ist die Langlebigkeit der Möbel entscheidend. Die Produkte müssen so gestaltet sein, dass sie über viele Jahre hinweg genutzt werden können, und sie sollten erweiterbar sein, um sich an veränderte Anforderungen anzupassen. Ebenso wichtig ist die Wahl der Materialien. Dabei geht es nicht nur um die Herkunft der Rohstoffe – wie Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft –, sondern auch um die Recyclingfähigkeit und den CO2-Fußabdruck der Materialien. Am Ende ihres Lebenszyklus sollen Möbel möglichst vollständig wiederverwertet werden können.

Welche Bedeutung hat die Kreislaufwirtschaft für die Branche und wie wird sie umgesetzt?

Die Kreislaufwirtschaft ist ein zentrales Element nachhaltigen Handelns in unserer Branche. Es geht darum, Rohstoffe effizient zu nutzen und Produkte so zu gestalten, dass sie leicht demontierbar und recycelbar sind. Auch Rücknahmeprogramme spielen hier eine wichtige Rolle. Hersteller übernehmen die Verantwortung, alte Möbel zurückzunehmen, aufzubereiten oder fachgerecht zu entsorgen. Das ist ein wesentlicher Schritt, um den Materialkreislauf zu schließen und gleichzeitig die Umweltbelastung zu reduzieren.

Welche Rolle spielen dabei Zertifizierungen wie das Level-Zertifikat?

Das Level-Zertifikat ist das erste europaweit anerkannte Nachhaltigkeitslabel speziell für Büromöbel. Es bewertet nicht nur ökologische, sondern auch soziale Aspekte in der gesamten Wertschöpfungskette. Hersteller müssen Kriterien wie Materialauswahl, Energieeffizienz, Wassermanagement und soziale Verantwortung erfüllen, um zertifiziert zu werden. Das Besondere an Level ist, dass es eine klare und messbare Grundlage für die Bewertung von Nachhaltigkeit bietet und damit sowohl Beschaffern als auch Herstellern Orientierung gibt.

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Nachhaltigkeit ist eng mit Innovation verknüpft. Wie kann die Branche durch neue Ansätze nachhaltiger werden?

Innovation ist der Schlüssel. Das beginnt bereits beim Designprozess, indem wir Materialien verwenden, die nicht nur langlebig, sondern auch leicht recycelbar sind. Schnell nachwachsende Rohstoffe oder recycelte Materialien gewinnen zunehmend an Bedeutung. Ebenso wichtig sind technische Innovationen, zum Beispiel energieeffiziente Elemente in Büromöbeln – etwa höhenverstellbare Tische, die mit wenig Energie auskommen. Eine besondere Rolle spielt der kommende digitale Produktpass (DPP), der Transparenz für den gesamten Lebenszyklus eines Produkts schaffen wird. Er ermöglicht es, Informationen über Materialzusammensetzung, Recyclingfähigkeit und Wartungsbedarf digital abzubilden. Damit wird nicht nur die Lebensdauer von Möbeln optimiert, sondern auch die Rückführung in den Materialkreislauf erleichtert.

Welche Verantwortung haben Hersteller und Käufer für nachhaltiges Handeln?

Die Verantwortung liegt auf beiden Seiten. Hersteller müssen Produkte entwickeln, die nicht nur nachhaltig produziert, sondern auch langfristig nutzbar sind. Einkäufer wiederum haben die Möglichkeit, durch ihre Entscheidungen die Nachfrage nach solchen Produkten zu fördern. Unternehmen, die nachhaltige Möbel beschaffen, leisten einen wichtigen Beitrag zur Ressourcenschonung und zeigen Verantwortung. Entscheidend ist, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Label ist, sondern in der Praxis gelebt wird – durch Maßnahmen wie die Integration von Refurbished-Produkten in bestehende Bestände oder Wartungsverträge, die die Nutzungsdauer verlängern.

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Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung nachhaltiger Konzepte?

Insbesondere die Balance zwischen ökologischen Zielen und ökonomischer Machbarkeit. Nachhaltige Materialien oder Rücknahmesysteme können zusätzliche Kosten verursachen, die von den Marktteilnehmern getragen werden müssen. Gleichzeitig erfordert die Umstellung auf nachhaltige Prozesse oft Investitionen in Forschung und Entwicklung. Ein weiteres Thema ist Transparenz. Verbraucher und Unternehmen wollen genau wissen, wie nachhaltig ein Produkt wirklich ist – und das muss klar und verständlich kommuniziert werden.

Welche Fortschritte sehen Sie in der Branche und wohin geht die Reise?

Die Branche hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Immer mehr Hersteller setzen auf nachhaltige Materialien und investieren in die Kreislaufwirtschaft. Auch die Nachfrage nach nachhaltigen Möbeln steigt. Kunden erkennen zunehmend den Mehrwert, den solche Produkte bieten – sei es durch eine längere Nutzungsdauer oder die Möglichkeit, Möbel an neue Anforderungen anzupassen. In Zukunft wird es noch stärker darum gehen, Nachhaltigkeit mit Design und Funktionalität zu verbinden und gleichzeitig wirtschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben.

Herr Weßels, Sie leiten das „European Level“-Programm und vertreten den IBA im EU-Projekt „R‑evolve“. Wie fließen diese Erfahrungen in Ihre Arbeit ein?

Die beiden Projekte sind eng miteinander verzahnt. Im „European Level“-Programm geht es darum, Nachhaltigkeit messbar und vergleichbar zu machen. R‑evolve hingegen setzt die Theorie in die Praxis um, indem Pilotprojekte zur Kreislaufwirtschaft entwickelt werden. Diese Kombination aus strategischer Entwicklung und praktischer Umsetzung hilft uns, neue Standards zu setzen und die Branche voranzubringen.

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Was würden Sie Herstellern raten, die nachhaltiger werden wollen?

Der wichtigste Schritt ist, Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie zu begreifen. Dabei geht es nicht nur darum, Produkte zu optimieren, sondern auch Prozesse zu überdenken und die Mitarbeiter einzubeziehen. Ein weiterer Aspekt ist die Zusammenarbeit: Unternehmen sollten sich mit Partnern, Lieferanten und Kunden austauschen, um gemeinsam nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Und schließlich: Klein anfangen, aber konsequent handeln. Jeder Schritt in Richtung Nachhaltigkeit zählt. Der IBA bietet seinen Mitgliedern die Möglichkeit, sich über Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in einem Arbeitskreis und vier Arbeitsgruppen auszutauschen, die sich speziellen Themen wie R‑Strategien, Regelwerke, Compliance und Carbon Footprint/Product Category Rules widmen.

Herr Weßels, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Volker Weßels ist Experte für messbare und aussagekräftige Kriterien für die ökologische und soziale Bewertung von Produkten, Produktionsstätten und Organisationen. Seit 2014 ist er beim Industrieverband Büro und Arbeitswelt für das Thema Nachhaltigkeit zuständig und als Experte für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in der europäischen Normung aktiv. Darüber hinaus ist er Leiter des „European Level“-Programms, dem Nachhaltigkeitslabel für Büromöbel, das vom europäischen Büromöbelverband (FEMB) vergeben wird, und vertritt den IBA im EU-Projekt „R‑evolve“. Weitere Informationen: https://www.iba.online sowie https://www.levelcertified.eu/de/.

Fotonachweis: © Carsten Lerp