Wie verändern sich Arbeit, Führung und Räume in einer Arbeitswelt, die zunehmend von Sinn, Verantwortung und Haltung geprägt ist? Architektin und Unternehmerin Apameh Schönauer spricht im IBA Forum über Gestaltung als Haltung, über Gleichberechtigung, Führungskultur und darüber, warum Empathie zur wichtigsten Kompetenz der Zukunft wird.
Frau Schönauer, Sie sind Architektin, Unternehmerin und eine öffentliche Person. Welche Erfahrungen aus diesen sehr unterschiedlichen Rollen prägen Ihre Sicht auf Räume, in denen Menschen arbeiten und sich entwickeln?
Ich habe früh verstanden, dass Räume mehr sind als Architektur – sie sind immer auch Spiegel unserer Haltung. Als Architektin denke ich in Strukturen, als Unternehmerin in Möglichkeiten und als öffentliche Person in Verantwortung. Diese Perspektiven verbinden sich für mich in der Frage: Wie schaffen wir Orte, an denen Menschen sich entfalten können und nicht nur funktionieren?
Als Gründerin von Apameh Studios setzen Sie auf einen interdisziplinären Ansatz zwischen Architektur, Interior und sozialer Verantwortung. Wie fließen Werte wie Gleichberechtigung und Kulturwandel in Ihre Projekte ein?
Bei Apameh Studios sehen wir Gestaltung als gesellschaftlichen Beitrag. Architektur und Interior sind für uns Werkzeuge, um Werte sichtbar zu machen – etwa Gleichberechtigung und Offenheit. Wir fragen: Wie fühlt sich ein Raum an, der alle willkommen heißt? Kulturwandel beginnt dort, wo Gestaltung bewusst Haltung zeigt.
Wie verändert sich die Art und Weise, wie Menschen heute zusammenarbeiten und welche Bedeutung hat dabei der physische Arbeitsplatz?
Zusammenarbeit wird heute fluider, empathischer, weniger hierarchisch. Menschen wollen Sinn, Freiheit und Verbindung. Der physische Arbeitsplatz ist dabei ein Resonanzraum: Er kann Vertrauen stärken, Kreativität anregen – oder genau das Gegenteil bewirken. Räume erzählen, wie ernst es ein Unternehmen mit seiner Kultur meint.
Was können Unternehmen tun, um Räume und Strukturen zu schaffen, die mehr Inklusion, Kreativität und Wohlbefinden ermöglichen?
Unternehmen sollten weniger in Flächen denken und mehr in Beziehungen. Ein Raum, der Kreativität und Inklusion ermöglicht, entsteht durch Vielfalt in der Gestaltung: Rückzugsorte, offene Zonen, gemeinsame Rituale. Und vor allem: durch Beteiligung. Wenn Menschen ihren Arbeitsplatz mitgestalten dürfen, entsteht echte Bindung.
Wenn Sie in die Zukunft blicken: Wie sieht für Sie gute Arbeit in zehn Jahren aus?
Gute Arbeit wird in Zukunft nicht mehr an Leistung, sondern an Wirkung gemessen. Sie verbindet Sinn, Selbstbestimmung und soziale Verantwortung. Ich wünsche mir eine Arbeitswelt, in der Empathie als Kompetenz gilt – und in der Erfolg und Menschlichkeit kein Widerspruch mehr sind.
Was treibt Sie persönlich an, sich so intensiv mit Themen wie Führung und Unternehmenskultur zu beschäftigen?
Mich treibt die Überzeugung an, dass Führung der wichtigste Gestaltungsraum unserer Zeit ist. Ich habe erlebt, wie sehr gute Führung Menschen wachsen lässt – und wie destruktive Strukturen sie klein machen können. Deshalb beschäftige ich mich so intensiv damit: Weil Kultur nicht von selbst entsteht, sondern bewusst gepflegt werden muss.
Wie definieren Sie moderne Führung heute und welche Rolle spielt Diversität dabei?
Moderne Führung bedeutet für mich, Räume zu öffnen – nicht zu kontrollieren. Diversität ist dabei kein Trend, sondern ein Fundament. Unterschiedliche Perspektiven schaffen Reibung, und aus Reibung entsteht Relevanz.
Sie engagieren sich stark für Frauen in Führung. Wo sehen Sie die größten Hebel für echte Gleichstellung?
Der größte Hebel für Gleichstellung liegt in Strukturen, nicht in Einzelinitiativen. Solange Systeme auf alte Machtmuster gebaut sind, stoßen Frauen an unsichtbare Grenzen. Wir brauchen mehr Transparenz, flexible Lebensmodelle und Führungskulturen, die Fürsorge nicht als Schwäche, sondern als Stärke verstehen.
Welche Barrieren erleben Frauen in der Arbeitswelt? Was hat Ihnen persönlich am meisten geholfen, sie zu durchbrechen?
Die größten Barrieren sind oft die inneren – Zweifel, Perfektionismus, das Gefühl, anders sein zu müssen. Mir hat geholfen, mir selbst zu erlauben, nicht hineinzupassen, sondern meinen eigenen Weg zu gestalten. Insbesondere mein Mann aber auch Mentoren und Netzwerke haben mich dabei enorm gestärkt. Niemand wächst allein.
Welche Strukturen müssten Unternehmen verändern, damit Karrierewege für Frauen selbstverständlich werden?
Unternehmen müssen aktiv Verantwortung für Gleichstellung übernehmen: faire Bezahlung, Elternzeitmodelle für alle Geschlechter, klare Förderprogramme für Frauen. Vor allem aber braucht es Vorbilder – Frauen in sichtbaren Positionen, die zeigen, dass sich Karriere und Selbstbestimmung nicht gegenseitig ausschließen. Ich hatte damals keine weiblichen Vorbilder.
Was sind Ihre Tipps für Frauen, um ihren ganz eigenen Karriereweg und Lebenstraum zu finden?
Ich glaube, der eigene Weg entsteht, wenn wir aufhören, uns zu vergleichen. Der wichtigste Kompass ist die eigene Stimme – das, was uns wirklich bewegt. Mein Rat: Folge der Neugier, nicht der Angst. Und umgib dich mit Menschen, die dich nicht kleiner, sondern mutiger machen.
Frau Schönauer, vielen Dank für das Gespräch.