Purpose, der sinnstiftende Aspekt der Arbeit, ist derzeit ein vielfach diskutiertes Thema. Im Rahmen der New Work Experience im Juni 2022 sprach Moderatorin Prof. Dr. Heike Bruch mit dem Autoren und Wirtschaftspsychologen Prof. Dr. Ingo Hamm, Otto-Konzern-Vorstand Petra Scharner-Wolff und NEW WORK SE CEO Petra von Strombeck über den Wert von „Purpose“ in der Arbeitswelt.
Purpose als Employer-Branding-Werkzeug
Petra von Strombeck, CEO der NEW WORK SE, spricht sich generell für eine stärkere Betonung sinnstiftender Aspekte der Arbeit aus. „For a better working life“ ist der vom Hamburger Unternehmen formulierte Purpose. Die New WORK SE will Unternehmen auf der Suche nach Talenten mit potenziellen Mitarbeitern auf der Suche nach Sinn und persönlicher Erfüllung zusammenbringen. Sinn, so von Strombeck, sei dabei nicht nur aus Employer-Branding-Instrument wichtig. Dort könne der Purpose als eine Art erster Filter für Kandidaten dienen, die einen persönlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten wollen. Purpose gebe vor allem innerhalb von Organisationen Orientierung und sei Grundlage für Identifikation und Motivation. Schließlich sei die Identifikation mit dem Unternehmenssinn gerade nach der Pandemie, die zu einem Rückgang von Mitarbeiterbindung und Interaktion geführt habe, für die Mitarbeiter wichtiger denn je.
Führungsaufgabe Purpose
Petra Scharner-Wolff setzt sich für einen konsequenten Kulturwandel in Unternehmen ein. Für das Mitglied des Vorstands der Otto Group hat ein ausformulierter Purpose eines Unternehmens dann Sinn, wenn er im Alltag erlebbar ist und sich Mitarbeiter mit ihm kritisch auseinandersetzen dürfen. Purpose ist für sie das Ergebnis eines langfristigen Prozesses, den Führungskräfte vorleben müssen und der aus Organisationen heraus entstehen sollte. Purpose muss leben, handfest sein und die Möglichkeit bieten, sich an ihm zu reiben. „Wir brauchen ein komplett neues Mindset, das ist alternativlos“, so Scharner-Wolff. Unternehmenskultur spielt für sie dabei eine wichtige Rolle. Aber auch Veränderungsbereitschaft und Mitarbeiter-Empowerment als neue Leadership Skills. In einer Arbeitswelt, die zunehmend digital geprägt ist, ist ein „Kulturwandel 4.0“ notwendig, der sich viel mit Haltung, dem Abbau von Silos und einer besseren Zusammenarbeit beschäftigt. „Kulturwandel ist der Umsatz von morgen ... Denn wenn uns Purpose nicht gelingt, haben wir irgendwann ein Problem mit der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.“
Die Pflicht zum Widerspruch
Auch für Professor Dr. Ingo Hamm ist ein Kulturwandel in den Unternehmen unabdingbar. Purpose auf allen Hierarchieebenen kritisch zu hinterfragen und konstruktiv – ohne Rücksicht auf Hierarchien – in den Dialog zu treten, dies trägt für Hamm zu einer neuen Fehler- und Widerspruchskultur bei. Diese „Obligation to dissent“ (Verpflichtung zum Widerspruch) braucht Mut und Veränderungsbereitschaft. Hier sind neben neuen Führungsfähigkeiten Offenheit und ein mündigeres Agieren auf Mitarbeiterebene gefragt. Was für Hamm in Bezug auf Purpose noch wichtig ist: dass das Thema nicht leichtfüßig „wie eine grunzende Publicity-Sau durchs New-Work-Dorf getrieben wird“. „Purpose“ sollte einfach und ehrlich formuliert werden. Abenteuerliche Wortkreationen seien weder nötig noch eine Rechtfertigung für wirtschaftliche Unternehmensziele.
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Die neue Transparenz der Unternehmenskultur
Petra von Strombeck ist sich sicher, dass Bewerber nicht mehr nur nach Arbeitgebern suchen, bei denen sie ihre Kompetenzen bestmöglich einsetzen können. Einen Job zu haben, der den eigenen Stärken und Fähigkeiten, aber auch den individuellen Wertvorstellungen entspricht, führt zu Zufriedenheit und Selbstwirksamkeit. Und zu mehr Sinn bei der Arbeit. Purpose und Selbstverwirklichung sind damit wichtige Entscheidungskriterien. Für von Strombeck sind dabei Kommunikation und Partizipation auf Unternehmensseite essenziell. Interaktion zu ermöglichen, Bedürfnisse zu erfragen und Mitarbeiter aktiv in Entscheidungen mit einzubeziehen muss genauso selbstverständlich sein wie der regelmäßige Austausch und kritische Dialog in einer Organisation.
Trotz ihres unterschiedlichen Zugangs zum Thema „Purpose“ sind sich die Experten darin einig, dass Kulturwandel Zeit und Freiräume braucht und dass hierfür neue Führungskompetenzen benötigt werden. Sie sprechen sich klar dafür aus, dabei bewusster mit dem Purpose-Ansatz zu arbeiten. Unternehmen, die Mitarbeitern ein Umfeld bieten, in dem jeder Einzelne einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten und gleichzeitig den eigenen moralischen Prinzipien folgen kann, geben Orientierung.
Dabei muss das Management eine Vorbildfunktion übernehmen und den Unternehmenszweck authentisch vorleben. Glaubwürdig, nahbar, dabei veränderungsbereit zu sein und sich auch mit Kritik auseinanderzusetzen ist für von Strombeck, Scharner-Wolff und Hamm genauso wichtig wie Vertrauen zu schaffen und sich Zeit für einen aktiven Wertedialog zu nehmen, der von der Diversität der Meinungen lebt.