Beim Thementag HR auf der ORGATEC brachte das Personalmagazin unter der Moderation von Katharina Schmitt Zukunftsforschung und Praxis zusammen. Über die neue Rolle des Büros diskutierten die Hamburger Trendexpertin Birgit Gebhardt, Jöri Engel, CEO der Swisscom Immobilien AG, und Daniel Schwarz, Geschäftsführer der lise GmbH.
Wie in Zukunft die Zusammenarbeit räumlich und inhaltlich gestaltet wird, ist eine Frage, die derzeit viele Fachleute in der Büro- und Arbeitswelt bewegt. Dass die Rolle des Büros eine wichtige bleibt, sich die Raumgestaltung aber verändern muss, darin sind sich die Experten einig.
Produktivität des Kollektivs, Infrastruktur und Ergonomie sprechen für das Büro
Jöri Engel ist ein Befürworter der Arbeit im Büro, unter anderem weil hier Unternehmenskultur erlebbar ist und die Produktivität des Kollektivs entsteht. Es braucht allerdings eine Transformation der Flächen hin zu mehr Räumen, in denen sich Mitarbeiter begegnen und austauschen können. Zudem eine stärkere Einbindung der Führungskräfte und Flexibilität bei der Arbeitsplatzgestaltung hinsichtlich individueller Mitarbeiterbedürfnisse. Berufsgruppen ein Rollenbild überzustülpen funktioniere ebenso wenig wie eine Büroplanung, die rein von Real Estate und Facility Management vorgenommen werde. Flächenplanung durch interdisziplinäre Teams, die Mitarbeiter frühzeitig ins Boot holen und deren Bedürfnisse und Erwartungen identifizieren, könne sowohl die wahrgenommene Büroqualität als auch die Auslastung der Büroflächen positiv beeinflussen. Engel rät dabei von einer Präsenzpflicht ab. Vielmehr sei es wichtig, den Mitarbeitern zu erklären, warum es gut ist, wieder häufiger im Büro zu arbeiten. Nämlich weil weder remote noch mobil Infrastruktur und Ergonomie so gut sind wie im Büro. Weil Präsenz im Büro Mehrwerte schafft, die über Individualleistungen hinausgehen. Und weil spontane Interaktion Kreativität fördert, die für die Innovationsfähigkeit des Kollektivs benötigt wird.
„Der klassische Bildschirmarbeitsplatz wird oftmals stigmatisiert. Für mich hat diese Form von Arbeiten aber nichts Schlechtes an sich. Ich zähle mich zu den Menschen, die gerne im Office arbeiten, die den Abstand zwischen Privat- und Arbeitsleben brauchen und die hervorragende Infrastruktur on premise schätzen. Weiter ist es so, dass meiner Meinung nach die hohen Anforderungen an Ergonomie einzig im gut geplanten Office garantiert werden können. Wie unterwegs oder zu Hause gearbeitet wird, lässt einem zwischenzeitlich die Haare zu Berge stehen.“ Jöri Engel
Das Büro als Ort von sozialem Austausch und aktiver Unternehmenskultur
Daniel Schwarz, Geschäftsführer der lise GmbH, ist mit seinem IT-Unternehmen kürzlich in den Bürokomplex „kite“ in Köln umgezogen. Smart Office, Desk-Sharing für alle und App-Buchungssystem inklusive. Schwarz schätzt den persönlichen Austausch mit seinen Softwareentwickler-Teams vor Ort. Die Büros sind dabei so konzipiert, dass es statt Einzelarbeitsplätzen flexible Arbeitszonen gibt, in denen die agilen Projektteams zusammenkommen können. Größere Bereiche, die sogenannten Fokuszonen mit etwa 20 Arbeitsplätzen, erlauben Stillarbeit. Darüber hinaus gibt es bei lise Projektarbeitsflächen in Form von 4er- oder 6er-Büros, in denen sich auch mal eine Tür schließen und in diesem Raum laut sein lässt. Ergänzt wird die Fläche um die sogenannte Mixed Zone, in der es keine Regeln gibt, in der sich Mitarbeiter treffen und es lebhafter zugehen darf. Dazwischen finden sich immer wieder Rückzugsorte in Form von Thinktanks, Besprechungsräumen und Telefonzellen.
Ein Grund für die Investition der lise GmbH in die neuen Büroräume war der Wunsch, den sozialen Austausch zu ermöglichen und die Unternehmenskultur erlebbar zu machen. „Während der Pandemie haben wir gemerkt, dass unsere Kultur komplett vor die Hunde geht“, so Schwarz. Jetzt kommen die Mitarbeiter sehr gerne ins Büro, was unter anderem daran liegt, dass die Teams früh in die Planung der Büroflächen einbezogen wurden. Die Flexibilität hinsichtlich der Wahl des Arbeitsplatzes hat auch dazu geführt, dass sich die Show-Rate mit der Einführung des Systems verdoppelt hat. Dabei muss für Schwarz nicht alles hybrid sein. Das Last Friday Meeting, das früher auch online übertragen wurde, findet bei lise seit Kurzem nur noch live statt. „Nur das Büro kann Emotionalität, ein hohes Energielevel, Spannung und eine gewisse Schnelligkeit in der Interaktion erzeugen“, so Schwarz.
Das Büro gewinnt, wenn es Arbeitsabsichten besser unterstützt als andere Arbeitsorte
Für Birgit Gebhardt wird ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Büro sein, wie gut es gelingt, Mitarbeitern User Experience zu bieten und Räume für unterschiedliche Arbeitsabsichten zu gestalten. Es gilt, neue Qualitäten in Räumen zu entwickeln, die die Nutzer beim Ausführen ihrer jeweiligen Tätigkeiten unterstützen. Und auch mit Human Resources an der Didaktik für die Anwendung von Arbeitstools zu arbeiten, damit sich der Raum besser nutzen lässt. Für die Hamburger Trendexpertin wird das Büro künftig viel stärker zu einer Eventfläche, in der Menschen gemeinsame Erfahrungen machen. Zu einem Ort, an dem sich durch die positive Energie des physischen Raums einige Arbeitsabsichten fruchtbarer gestalten lassen als an anderen Arbeitsorten.
Darin sind sich die Diskutanten einig: Auch fernab einer Top-down-Präsenzpflicht gibt es genug Eigenschaften, die für die Attraktivität des Arbeitsorts Büro sprechen. Für dessen neue Rolle müssen sich jedoch sowohl die Flächen als auch die Arbeitsmodelle wandeln.
Den Mitschnitt der Podiumsdiskussion finden Sie in unserer Mediathek.
Katharina Schmitt arbeitet als Redakteurin bei der Haufe Gruppe. Die Juristin und Mitgründerin des Personalmagazins ist dort unter anderem für die Themen Vergütung, neue Arbeitswelten und Gesundheitsmanagement verantwortlich.
Jöri Engel ist CEO der Swisscom Immobilien AG und verantwortet als Leiter Corporate Real Estate Management die Liegenschaften der Swisscom.
Birgit Gebhardt ist Trendforscherin mit Schwerpunkt „Zukunft der Arbeitswelt“. Als Impulsgeberin begleitet sie Thinktanks, unterstützt bei der Entwicklung agiler Führungs- und Arbeitskultur sowie mit zukunftsfähigen Lernangeboten.
Daniel Schwarz ist Gründer und Geschäftsführer des Softwareentwicklers lise GmbH aus Köln. Vor Kurzem ist er mit seinem 75-köpfigen Team in das kite am Butzweilerhof gezogen, eines der aktuell größten Bürogebäude in Köln.