Anton Bollen, Customer Success Manager EMEA bei TechSmith, einem Anbieter von Collaboration-Software für die visuelle Kommunikation, schlägt eine Bresche für die Vorteile der asynchronen Kommunikation in Unternehmen, denn diese verspreche in Zeiten von flexiblen Arbeitsorten ein gerechteres Arbeitsumfeld und verhindere „Proximity Bias“-Effekte.
Weniger Meetings – mehr asynchrone Kommunikation
Hybride Arbeitsumgebungen sind nicht länger die Ausnahme, sie werden zunehmend zur Norm – so zeigt beispielsweise eine Studie von IDC aus dem Jahr 2022, dass 62 % der im Rahmen der Studie befragten Unternehmen in Zukunft auf sie setzen möchten, eine beeindruckende Steigerung von 26 Prozentpunkten im Vergleich zu 36 % im Jahr 2021. Mit diesem Trend sehen sich Unternehmen gleichzeitig mit neuen Herausforderungen konfrontiert, die sich auf die Produktivität des Unternehmens wie auch auf die Entwicklung der Mitarbeitenden auswirken.
Eine dieser Herausforderungen ist Proximity Bias, also die Tendenz, Mitarbeitende vor Ort gegenüber hybriden oder Remote-Mitarbeitenden zu bevorzugen, beispielsweise bei Beförderungen, Projektvergaben oder der Bereitstellung von Ressourcen. So zeigt die Umfrage „State of Hybrid Work 2022“, für die das Technologieunternehmen Owl Labs im Februar 2022 in Deutschland 2000 Bürobeschäftigte befragte, dass fast die Hälfte (44 %) aller der im Rahmen der Studie befragten Angestellten befürchtet, dass Proximity Bias an ihrem Arbeitsplatz existiert.
Die Angst ist also da und um sie so gut wie möglich zu lindern, gilt es, die Hybrid- oder Remote-Mitarbeitenden einzubinden und es ihnen zu ermöglichen, im gleichen Maße wie die Kolleg:innen vor Ort zum Unternehmensalltag beitragen zu können. Ein „Remote First“-Ansatz in Kombination mit asynchronen Modellen für die interne Kommunikation kann hier für eine integrativere und gerechtere Arbeitsumgebung sorgen. Asynchrone Kommunikationsansätze, also die primäre und zeitversetzte Nutzung von Kanälen wie E‑Mails, Videonachrichten und Kollaborationsplattformen, ermöglichen es Mitarbeitenden, ohne die zeitlichen und räumlichen Zwänge von Echtzeit-Kommunikation effektiv zusammenzuarbeiten. Beispielsweise können Mitarbeitende, die nicht vor Ort sind, durch das Aufzeichnen von kurzen Bildschirmvideos Feedback geben, Anweisungen erteilen und andere Mitarbeitende einweisen, um so ihren vollen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu. Dadurch werden sie enger in die Unternehmensabläufe und die Prozesse des Tagesgeschäfts eingebunden – und haben so nicht mehr das Gefühl gegenüber Mitarbeitenden in Präsenz benachteiligt zu werden oder wichtige Informationen nicht oder zu spät zu erhalten.
Ein gerechteres Arbeitsumfeld für alle
Zudem lässt sich so ein oftmals schwierig zu erkennender und noch schwieriger zu bekämpfender Nachteil der in vielen Unternehmen noch üblichen Präsenzkultur entgegensteuern: Die Tendenz von Führungskräften, Präsenz mit Engagement und Leistung gleichzusetzen. Eine bewusste Entscheidung, asynchrone Kommunikation zum Unternehmensstandard zu machen, beugt dieser Tendenz vor, da Führungskräfte dazu angehalten werden, die – aufgrund der digitalen Natur dieser Kanäle einfacher überprüfbare – tatsächlich erbrachte Leistung als Bewertungskriterium für Beförderungen und Gehaltserhöhungen zugrunde zu legen. So entsteht ein für alle Mitarbeitende gerechteres Arbeitsumfeld.
Damit Unternehmen auch tatsächlich diese und alle weiteren Vorteile asynchroner Kommunikation – von einfacherem Onboarding neuer Mitarbeitenden über mehr Produktivität und Flexibilität im Arbeitsalltag bis hin zu besserer Dokumentation von Prozessen und dem effektiveren Aufbau von Wissensdatenbanken – muss die Einführung, Integrierung und Priorisierung dieser Ansätze gezielt und bewusst erfolgen. Es handelt sich um einen Transformationsprozess, der geplant und gelenkt werden muss. Ein Beispiel dafür ist der Feldversuch „Async First in July“, der von TechSmith, einem führenden Anbieter von visuellen Kommunikations- und Kollaborationslösungen, im Juli 2022 durchgeführt wurde.
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Asynchrone Kommunikation im Feldversuch
Das Konzept von „Async First in July“ war denkbar einfach zu verstehen: Ein Monat komplett ohne Meetings, um Workflows zu modernisieren, Meeting- bzw. Zoom-Müdigkeit vorzubeugen und asynchrone Workflows und Kommunikationsmuster im Allgemeinen zu verbessern. In dieser Zeit wurde der unternehmensinterne Informationsaustausch komplett asynchron gestaltet – Mitarbeitende haben auf kurze Videos und unterstützendes Bildmaterial statt auf lange Absprachen gesetzt. Es kamen eine Vielzahl an technischen Lösungen im Zusammenspiel zum Einsatz: Von Slack über E‑Mail bis hin zu Snagit, einer proprietären Lösung für schnelle und einfache Erstellung dieser informellen, leicht verständlichen Videos.
Die Erkenntnisse nach einem Monat Testversuch waren vielfältig: Zwar wurden einige der synchronen Meetings wieder eingeführt, da das Experiment zeigte, dass in manchen Situationen, wie bei Entscheidungen und wichtigen Absprachen, ein synchrones Treffen von Vorteil sein kann – egal, ob dieses Treffen vor Ort oder online stattfindet. Das Experiment zeigte aber auch, dass sich viele Meetings tatsächlich durch asynchrone Kommunikation verbessern oder ersetzen lassen und dieser Ansatz wird auch nach einem Jahr noch aktiv gelebt. Die Devise bei TechSmith lautet dementsprechend inzwischen: Weniger, dafür qualitativ bessere Meetings.
Ein weiteres zentrales Learning aus dem Versuch war zudem, dass asynchrone Kommunikation stets innerhalb eines technologiegestützten, iterativen und kollaborativen Prozesses integriert und weiterentwickelt werden muss. Alle Mitarbeitenden auf Augenhöhe abholen, bei Unsicherheiten Empathie zeigen und die passenden Technologien bereitstellen sind dabei essenziell für die erfolgreiche Umsetzung. Ein asynchroner „Remote First“-Ansatz für die unternehmensinterne Kommunikation ist demnach umsetzbar und bringt die oben genannten Vorteile. Denn wie so oft ist es die Balance verschiedener Taktiken und Methoden, die eine verbesserte Meetings- und Unternehmenskultur ermöglichen und Problemen wie Proximity-Bias vorbeugen.