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Nachhaltige Beschaffung: Ein Interview mit Yvonne Jamal

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IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
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Das JARO Institut für Nachhaltigkeit und Digitalisierung in Berlin befasst sich mit nachhaltigem Wirtschaften. Es widmet sich dem interdisziplinären Wissenstransfer unter anderem auf dem Gebiet der nachhaltigen Beschaffung sowie welchen Einfluss digitale Entwicklungen auf sie haben. Grund für unsere Redaktion, mit Yvonne Jamal, Gründerin und CEO des JARO Instituts, zu sprechen.

Frau Jamal, aktuell lässt sich ein zunehmendes Interesse der Unternehmen an Nachhaltigkeitsthemen beobachten. Wie können Unternehmen wirkungsvoll vorgehen, um Ziele wie bspw. die Klimaneutralität und die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltsgesetzes (LKSG) zu erreichen?

Hier braucht es erst einmal eine klare Vorgehensweise. Wir empfehlen, nach dem klassischen 4‑Schritte-Konzept zu agieren, dem nachhaltigen Beschaffungsprozess-Modell, das von Professor Elisabeth Fröhlich entwickelt wurde. Im ersten Schritt geht es darum, eine Basis zu schaffen. Habe ich die Zustimmung der Geschäftsleitung und des Topmanagements? Wer sind die in- und externen Stakeholder in Sachen Nachhaltigkeit? Welche kritischen Faktoren ergeben sich aus der Risikoanalyse für den Beschaffungsprozess? Welche Priorisierungen und welche mit Key-Performance-Indikatoren versehenen Nachhaltigkeitsziele leiten sich daraus ab? Schritt 2 ist die konkrete Nachhaltigkeitsstrategie. Mit welchen Maßnahmen planen Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen? Hier ist es nicht damit getan, Zertifikate von Lieferanten einzufordern. Hier sind vor allem, die internen Governance-Themen zu klären, um Schritt für Schritt eine echte Kreislaufwirtschaft zu etablieren. In dieser Phase gilt es, den kompletten Beschaffungsprozess zu beleuchten und vor allem auch die Kommunikation mit den internen Stakeholdern zu gewährleisten. Schritt 3 ist dann die aktive Einbindung der Lieferkette und eine gezielte Lieferanten-Entwicklung. Schritt 4, die Erfolgskontrolle, wird leider in der Praxis oft vergessen. Ebenso wichtig in diesem Zusammenhang ist die Berichterstattung, auch der Dinge, die nicht funktioniert haben und was daraus gelernt und abgeleitet wurde. Stichwort: Transparenz und Authentizität.

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Einkauf und Lieferketten haben eine Schlüsselfunktion auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Inwieweit ist Nachhaltigkeit in Beschaffungsprozessen und Lieferketten bereits Realität?

Nachhaltigkeit in der Beschaffung ist heute noch nicht flächendeckend realisiert. Es gibt ein paar Pioniere, die das Thema schon lange intrinsisch motiviert umsetzen, aber leider gibt es auch noch sehr viel grünes Marketing. Das Thema Nachhaltigkeit ist zum Glück mittlerweile – in der Öffentlichkeit viel präsenter und ist zu einem wichtigen Thema für Einkaufsbereiche geworden. Es tut sich also was, sicherlich unterstützt durch das LKSG. Unsere aktuelle Studie, die am 2. Mai veröffentlicht wird, zeigt, dass Unternehmen gerade bei Schritt 1 des Beschaffungsmodell-Prozesses mittlerweile gut vorangekommen sind. Aber der Rest der Umsetzung mit konkreten Maßnahmen ist nach wie vor schwierig. Gerade die strategisch wichtigen Themen der Bedarfsplanung sowie die Lieferantenentwicklung werden leider noch zu wenig berücksichtigt.

Welche Hürden müssen Unternehmen auf dem Weg zu nachhaltiger Qualitätssicherung nehmen?

Es gilt hier vor allem erst einmal, Vorurteile abzubauen und den Nutzen von Nachhaltigkeit für sich zu erkennen. Denn Nachhaltigkeit ist gekommen, um zu bleiben. Was es braucht, ist eine klare Positionierung des Managements, die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in bestehende Geschäftsmodelle sowie eine attraktive Incentivierung und die Formulierung von Zielvorgaben. Nachhaltigkeit sollte darüber hinaus nicht im Elfenbeinturm stattfinden, sondern in der kompletten Organisation und gemeinsam mit den Geschäftspartnern in den Lieferketten verankert werden. Viele Unternehmen sind mit dem Thema Nachhaltigkeit im Moment noch überfordert, da das fachliche Know-how fehlt. Hier gilt es anzusetzen.

Welche Tipps können Sie Unternehmen geben, die das Thema Nachhaltigkeit langfristig auf Mitarbeiter- und Lieferantenebene implementieren möchten?

Wissensaufbau und eine strukturierte Vorgehensweise helfen. Suchen Sie nach seriösen Quellen und Lernangeboten, mit denen Sie sich zum Thema Nachhaltigkeit weiterbilden können. Besuchen Sie Fachveranstaltungen und bauen Sie sich ein Netzwerk auf. Punkt zwei: Seien Sie offen. Offen für Kooperationen mit Hochschulen und NGOs, aber auch offen für den Austausch mit Marktbegleitern. Nutzen Sie bestehende Gestaltungsspielräume in Ihrem Unternehmen und fangen Sie mit den Willigen in Ihrer Organisation an, um den Change-Prozess einzuleiten.

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Welche Kompetenzen müssen hierfür in Organisationen aufgebaut werden?

Zum einen die klassische Handlungs- und Methodenkompetenz, aber auch Sozialkompetenz. Offen für Neues zu sein, Eigeninitiative mitzubringen und eine ebenso proaktive wie positive Grundeinstellung zu haben, ist im Bereich Nachhaltigkeit wichtig. Es braucht darüber hinaus den Willen zum lebenslangen Lernen, die Bereitschaft, mit Lieferanten und Stakeholdern zu kooperieren, sowie die Fähigkeit, keine Angst vor Fehlern zu haben. Der dritte Aspekt ist Informationskompetenz: Wo finde ich hilfreiche Informationen und wo kann ich mich zum Thema Nachhaltigkeit informieren? Das JARO Institut bietet hier einige Publikationen und Lernangebote.

Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Werden in naher Zukunft Produkte überhaupt noch eine Daseinsberechtigung haben, die nicht nachhaltig sind?

Allein die zunehmende Regulation und die begrenzte Ressourcenverfügbarkeit werden künftig dazu führen, dass nachhaltige Produkte immer mehr zum Standard werden und Unternehmen ihre Geschäftsmodelle hinterfragen müssen. Für mich ist jedoch der Kernaspekt und zugleich die größte Aufgabe, die Verhaltensänderung in Richtung Nachhaltigkeit zu treiben und aktiv zu unterstützen.

Frau Jamal, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Yvonne Jamal ist Vorstandsvorsitzende des JARO Instituts für Nachhaltigkeit und Digitalisierung e. V. in Berlin und war zuvor in leitender Position im indirekten Einkauf bei Zalando tätig. Das JARO Institut verfolgt das Ziel, dass nachhaltiges Handeln zum Unternehmensstandard wird. Die digitale Lernplattform JARO Academy bietet diverse E‑Learnings zum Thema Nachhaltige Beschaffung an. Mehr Informationen unter https://jaro-institut.de/ und https://www.jaro-academy.com/portal/.

Titelbild: ©Yvonne Jamal