Raumtransformation ist mehr als ein Umbauprojekt: Sie ist ein emotionaler, kultureller und strategischer Prozess. Im zweiten Teil unseres Gesprächs erklärt Berater Tobias Baur, warum Beteiligung kein Selbstzweck ist, welche typischen Fehler vermieden werden sollten und was nötig ist, damit Räume nicht nur verändert, sondern wirklich wirksam werden.
Herr Baur, was zeichnet aus Ihrer Sicht einen gelungenen Prozess der Raumtransformation aus?
Ein guter Prozess beginnt nicht mit dem ersten Spatenstich oder der Möbelauswahl, sondern viel früher, nämlich mit einem Bewusstsein für die Wirkung von Veränderung auf Menschen. Raum ist ein emotional besetztes Thema. Sobald klar wird, dass sich etwas ändert, reagieren Menschen mit Neugier, aber auch mit Sorge oder Widerstand. Ein gelungener Prozess nimmt diese Emotionen ernst und gestaltet sie mit: durch Transparenz, Beteiligung und Kommunikation auf Augenhöhe.
Wie wichtig ist Partizipation in diesem Prozess und wie lässt sie sich sinnvoll gestalten?
Sie ist extrem wichtig, aber nicht beliebig. Es geht nicht darum, möglichst viele Menschen in möglichst viele Workshops zu stecken. Echte Partizipation bedeutet gezielte Einbindung mit Sinn und Substanz. Es bringt nichts, Beteiligung nur zu inszenieren, um am Ende doch alles top-down zu entscheiden. Die Menschen merken das sofort und dann entsteht eher Frust als Energie. Wichtig ist auch: Wer beteiligt wird, braucht Zeit, ein Mandat und das Vertrauen, dass sein Beitrag zählt. Partizipation ist kein Selbstzweck, sondern ein Erfolgsfaktor – aber nur, wenn sie ernst gemeint ist.
Was ist nötig, damit Unternehmen ein realistisches Verständnis für ihre räumlichen Bedürfnisse entwickeln können?
Zunächst ist Klarheit über die strategischen Ziele erforderlich. Wohin will die Organisation? Was soll sich verändern – kulturell, organisatorisch oder prozessual? Daraus ergeben sich Anforderungen an die Räume. Viele machen den Fehler, die Raumfrage isoliert zu betrachten. Doch Raum ist immer auch ein Ausdruck von Haltung, Arbeitsweise und Selbstverständnis. Ich arbeite methodisch lieber mit Gesprächen als mit Fragebögen. Bedürfnisse lassen sich selten in Multiple-Choice-Antworten ausdrücken. Wenn Menschen erzählen, was ihnen fehlt und was sie brauchen, kann man daraus präzise Anforderungen ableiten.
Gibt es typische Fehler oder No-Gos, die Unternehmen im Transformationsprozess immer wieder begehen?
Ja, einige. Einer der häufigsten Fehler ist Aktionismus: „Wir müssen etwas verändern, also fangen wir einfach mal an.“ Ohne Ziel, ohne Strategie, ohne Einbindung. Das erzeugt Verunsicherung. Ein weiterer Fehler ist es, Veränderungen nur auf bestimmte Gruppen zu begrenzen, zum Beispiel: „Wir bauen die Räume für die Mitarbeiter um, aber die Führung bleibt, wie sie ist.“ Das funktioniert nicht. Wenn oben alles bleibt, wie es war, sendet das ein fatales Signal. Ein weiteres No-Go ist Partizipation als reine Pflichtübung. Wer Beteiligung ankündigt, sie aber nicht mit Entscheidungsmacht hinterlegt, zerstört Vertrauen – und Vertrauen ist die wichtigste Ressource in Veränderungsprozessen.
Und umgekehrt: Was sind für Sie die wichtigsten Erfolgsfaktoren bzw. Must-haves für eine wirksame Raumtransformation?
Erstens: eine klare strategische Ausrichtung. Wer nicht weiß, wofür er Räume verändert, wird kein gutes Ergebnis bekommen. Zweitens: echtes Vertrauen in die Menschen, in den Prozess, und in die Wirkung von Raum. Drittens: das richtige Team. Man braucht Menschen, die für das Thema brennen, Verantwortung übernehmen und andere mitnehmen. Und viertens: die volle Rückendeckung durch das Top-Management. Ohne klares Commitment von oben wird es schwierig. Raumtransformation kostet Geld, Zeit und Nerven, zahlt sich aber aus, wenn sie konsequent und stimmig durchgeführt wird.
Sie sprechen oft davon, dass Räume nicht nur gestaltet, sondern auch „gefühlt“ werden müssen. Was genau ist damit gemeint?
Raum erzeugt Atmosphäre. Und diese Atmosphäre wirkt – bewusst oder unbewusst. Wenn Menschen einen Raum betreten und sich sofort unwohl oder beobachtet fühlen, dann ist das eine Wirkung. Umgekehrt gilt: Wenn ein Raum Vertrauen, Offenheit und Miteinander ausstrahlt, entsteht eine ganz andere Dynamik. Das lässt sich nicht erzwingen, aber gestalten – durch Licht, Materialien, Akustik, Wegeführung und vor allem durch das, was der Raum ausdrückt: „Hier darfst du sein, mitdenken und dich einbringen.“ Diese Stimmigkeit zwischen Form und Funktion, zwischen innen und außen macht den Unterschied.
Was wünschen Sie sich von Organisationen, die Raum als Teil ihrer Transformation begreifen möchten?
Mut. Offenheit. Und den Willen, nicht nur an der Oberfläche, sondern an der Substanz zu arbeiten. Raumtransformation ist immer auch Kulturarbeit. Wer bereit ist, Gewohntes zu hinterfragen, neue Wege zu gehen und die Menschen ernsthaft mitzunehmen, kann viel erreichen. Raum kann tatsächlich zum Motor für Veränderung werden. Aber nur, wenn man ihn nicht nur umbaut, sondern auch mit Sinn füllt.
Zum Abschluss: Wenn Sie einen einzigen Gedanken mitgeben dürften – was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Prinzip, damit Räume wirklich zum Motor der Transformation werden?
Dann wäre es dieser: Räume entfalten ihre volle Kraft erst, wenn sie von denen gestaltet werden, die sie nutzen. Wenn Mitarbeiter sagen: „Das ist unser Raum, wir haben ihn mitentwickelt, er passt zu uns“, dann wird der Raum zum Identifikationsort, zum Impulsgeber und zum echten Motor. Dafür braucht es Vertrauen, Beteiligung, Klarheit und den Mut, alte Denkmuster hinter sich zu lassen. Aber es lohnt sich. Ganz sicher.
Herr Baur, vielen Dank für das Gespräch.