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Einführung in die Raumakustik
Gastautor: Dr. Christian Nocke, Akustikbüro Oldenburg
Gestalten mit Plan
Beim Begriff Raumgestaltung denken wir zunächst an die optischen Gegebenheiten in einem Raum: Farben, Formen und Oberflächen des Bodens, der Wände und Decke. Und natürlich an die Einrichtungsgegenstände, die maßgeblich zum Charakter eines Raums beitragen.
Dass Räume aber nicht nur über die Augen, sondern auch über die Ohren wahrgenommen werden, wird uns meistens erst dann bewusst, wenn wir uns durch zu hohe Lärmpegel, eine schlechte Sprachverständlichkeit oder andere unangemessene akustische Bedingungen in einem Raum gestört fühlen. In vielen Fällen tritt erst dann die Frage auf „Hätte man das auch besser machen können?” Die Antwort ist in fast allen Fällen ein uneingeschränktes „Ja”, denn die Raumakustik zeichnet sich dadurch aus, dass sie in hohem Maße planbar und somit vorhersagbar ist. Ebenso ist bekannt, unter welchen Bedingungen Menschen Räume als akustisch angenehm empfinden oder sich gestört fühlen.
Grundsätzlich kann jeder Raum akustisch optimal gestaltet werden. Mit Hilfe moderner Computerprogramme ist es möglich, die Akustik eines Raums vorab detailliert zu berechnen. Insbesondere für Räume mit hohen akustischen Anforderungen ist eine solche Planung immer anzuraten.
Ziel ist immer eine Hörumgebung, in der wir uns wohl fühlen, in der wir uns ohne Schwierigkeiten verständigen können, und die wir nicht als zu laut oder zu leise empfinden.
Bauakustik und Raumakustik
Die Teilgebiete Bauakustik und Raumakustik befassen sich grundsätzlich mit zwei völlig unterschiedlichen Eigenschaften eines Gebäudes.
Für die Bauakustik orientiert sich die Anforderung daran, in welchem Ausmaß Lärm von einem Raum in einen anderen übertragen wird. In der Praxis betrifft dies in der Regel benachbarte oder übereinanderliegende Räume. Sind die beteiligten Bauteile (Wände, Decken, Türen, Fenster) nicht passend dimensioniert oder nicht fachgerecht ausgeführt, kann es zu Störungen innerhalb eines Gebäudes kommen. Beklagt wird dann beispielsweise, dass Gespräche in Nachbarräumen verfolgt werden können oder Geräusche aus fremden Räumen in zu hohem Maße in den eigenen Bereich dringen. Bauakustische Anforderungen sind zum einen baurechtlich durch die DIN 4109 Schallschutz im Hochbau eingeführt und zum anderen generell dem Bauherrn geschuldet, auch wenn keine expliziten Vereinbarungen getroffen worden sind.
Hingegen gibt es für die Planung und Gestaltung der Raumakustik zwar einschlägige Regelwerke, wie z. B. die DIN 18041 Hörsamkeit in Räumen oder die VDI 2569 Schallschutz und akustische Gestaltung im Büro, diese haben aber grundsätzlich nur empfehlenden Charakter. Ein baurechtlicher Anspruch an eine angemessene Raumakustik besteht somit nicht und sollte deshalb stets Bestandteil vertraglicher Vereinbarungen sein.
Die Raumakustik betrachtet immer einen Raum für sich: einen Büroraum, ein Call-Center oder Besprechungszimmer, ebenso ein Klassenzimmer, ein Schwimmbad oder einen Konzertsaal. Gegenstand der Betrachtung sind grundsätzlich die akustischen Bedingungen in dem Raum selbst, die im Wesentlichen durch die Oberflächen und Einrichtungsgegenstände geschaffen werden.
Der Schall
Schallereignisse, also Geräusche, Sprache oder Musik, nehmen wir in Abhängigkeit von ihrem Schalldruckpegel als unterschiedlich laut wahr. Unsere Wahrnehmung von Geräuschen beginnt bei ca. 20 dB (tickende Uhr); eine flüsternde Unterhaltung spielt sich bei ca. 30 dB ab.
Die maßgebliche Größe zur Beschreibung der Lärmbelastung eines Arbeitsplatzes ist der sogenannte Beurteilungspegel Lr, der sich aus dem gemessenen Mittelungspegel und aus Zu- bzw. Abschlägen je nach Charakteristik der Geräusche sowie deren Einwirkdauer ergibt. Erfahrungswerte besagen, dass ab einem Beurteilungspegel von 55 dB konzentrierte geistige Tätigkeiten nur noch eingeschränkt möglich sind. Pegelwerte in einem Büro sollten entsprechend möglichst unter diesem Wert liegen, um für alle Mitarbeiter angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen. In einer normalen Unterhaltung sind wir einem Schalldruckpegel von 60 dB ausgesetzt. Ab einem Beurteilungspegel von 80 dB beginnen Richtlinien zum Schutz des Gehörs zu greifen, und jenseits der 100 dB schließlich sind bereits bei relativ kurzer Geräuscheinwirkung irreversible Schäden des Gehörs zu befürchten. Derartige Pegel treten in unmittelbarer Nähe von Presslufthämmern oder von Düsenjets, jedoch zum Teil auch in Diskotheken oder bei Rockkonzerten auf (siehe Abbildung 1).
Was wir wahrnehmen
Neben dem Schalldruckpegel ist die Frequenzzusammensetzung bzw. das Spektrum des Schalls von besonderer Bedeutung. Das menschliche Gehör nimmt üblicherweise Frequenzen zwischen ca. 20 Hz und 20.000 Hz wahr. Musik deckt diesen Bereich nahezu vollständig ab, während Sprache weitgehend auf den Frequenzbereich zwischen 250 Hz und 2.000 Hz beschränkt ist. Hier ist das menschliche Gehör besonders empfindlich.
Als Konsequenz daraus, dass unser Gehör bei verschiedenen Frequenzen unterschiedlich empfindlich ist, werden raumakustische Größen wie die Nachhallzeit, der Schalldruckpegel oder auch der Schallabsorptionsgrad eines Materials grundsätzlich in Abhängigkeit von der Frequenz angegeben.
Auch in einer Reihe technischer Regelwerke wird dem spezifischen Hörbereich des Menschen Rechnung getragen. Im Rahmen der Bauakustik, die sich mit Schallübertragungen zwischen Räumen befasst, wird der Frequenzbereich zwischen 100 Hz und 3.150 Hz betrachtet. Raumakustische Empfehlungen und Hinweise beziehen sich dagegen meist auf den Frequenzbereich von 100 Hz bis 5.000 Hz.
Wie ein Raum klingt
Wie sich ein Raum anhört, wird im Wesentlichen durch die in dem Raum vorherrschende Nachhallzeit bestimmt. Die Nachhallzeit gibt einfach ausgedrückt die Zeitdauer an, die ein Schallereignis benötigt, um im Raum unhörbar zu werden. Bei der Messung der Nachhallzeit wird in der Regel der Frequenzbereich von 100 Hz bis 5000 Hz erfasst. Die längsten Nachhallzeiten von 5 Sekunden und mehr werden in Kirchen, die kürzesten Nachhallzeiten von 0,3 s oder noch weniger in Tonstudios oder Abhörkabinen gemessen. Je nach Nutzung und Größe eines Raums liegt seine optimale Nachhallzeit irgendwo dazwischen.
Unsere Wahrnehmung rechnet in großen Räumen grundsätzlich mit einer längeren Nachhallzeit als in kleinen Räumen. Passen Raumgröße, Nutzung und Nachallzeit nicht zueinander, so fühlen sich die Nutzer in ihrem Empfinden gestört und es kommt häufig zu Klagen. Ist die Nachhallzeit zu lang, wird der Raum als hallig oder dröhnend beschrieben, ist die Nachhallzeit zu kurz, lautet die Beschreibung eher trocken oder dumpf.
Diesem menschlichen Empfinden trägt die DIN 18041 Rechnung, indem sich die empfohlene Soll-Nachhallzeit für jeden Raumtyp mit ansteigendem Raumvolumen vergrößert.
Die Nachhallzeit
Die DIN 18041 bietet Empfehlungen für die Nachhallzeit an, die sich an der Größe und Nutzung eines Raums orientieren.
Generell werden für die Nutzungen Unterricht und Kommunikation die kürzesten Nachhallwerte gefordert. Zu wenig Absorption und somit ein zu langer Nachhall vermindert die Sprachverständlichkeit, was zwangsläufig durch eine Erhöhung der Sprechlautstärke kompensiert wird. Für Sprachdarbietungen eines Sprechers oder musikalische Aktivitäten werden längere Nachhallzeiten empfohlen (siehe Abbildung 2).
Beispiel: Ein Besprechungsraum von 250 m² sollte eine Nachhallzeit von 0,6 s aufweisen.
Messen verschafft Klarheit
Eine Messung der Nachhallzeit kann eventuell vorliegende Mängel objektiv aufdecken und bildet so eine gute Ausgangsbasis für Optimierungsvorschläge. Anhand der Messergebnisse können detaillierte Vorschläge mit bestimmten Materialien und benötigten Flächengrößen zur optimalen Gestaltung der Raumakustik erstellt werden. Kosten, die bei der Durchführung einer Messung entstehen, werden meistens durch die exakte Dimensionierung der Flächen wieder eingespart, d. h. es wird nicht unnötig viel eingebaut, und man gewinnt zudem die Sicherheit, dass eine Maßnahme am Ende den erwünschten Erfolg bringt.
Schallabsorber
Auch wenn es eine Vielzahl von schallabsorbierenden Materialien gibt, so lassen sich diese auf zwei physikalische Wirkungsmechanismen zurückführen: poröse und schwingungsfähige Schallabsorber.
Bei den porösen Absorbern, z. B. Mineralfasern oder Schäumen, dringt der auftreffende Schall in den Absorber ein. Die Schallenergie wird in den Poren des Materials durch Reibung in Wärmeenergie umgewandelt. Dadurch wird der vom Material reflektierte Schall verringert.
Schwingungsfähige Schallabsorber, auch Resonanzabsorber genannt, werden durch den auftreffenden Schall zum Schwingen angeregt, z. B. eine schwingende Holz- oder Metallplatte. Die Schwingungsenergie wird durch Reibung zu Wärmeenergie.
Poröse Absorber sind bei üblichen Aufbauhöhen (10 cm bis 20 cm) bei mittleren und hohen Frequenzen wirksam. Resonanzabsorber werden in der Regel auf tiefe Frequenzen abgestimmt.
Es gibt darüber hinaus Mischformen, die beide Wirkmechanismen in sich vereinen. Diese bieten oft den Vorteil, sehr breitbandig absorbierend wirksam zu sein.
Schallabsorption
Die akustische Wirkung eines Materials (oder auch eines Gegenstandes) wird durch den Schallabsorptionsgrad beschrieben. Dieser kann Werte zwischen 0 (keine Absorption, Beispiel: eine Betonwand) und 1 (vollständige Absorption, Beispiel: Wandoberflächen in einem Tonstudio) annehmen. Der Schallabsorptionsgrad ist in hohem Maße von der Frequenz abhängig und sollte deshalb möglichst nicht nur durch einen einzigen Wert, sondern durch eine Reihe von Werten in Abhängigkeit von der Frequenz beschrieben werden.
Nach den Vorgaben der DIN EN ISO 354 wird der Schallabsorptionsgrad im Frequenzbereich von 100 Hz bis 5.000 Hz gemessen und mit αs bezeichnet. Man erhält damit für jede Frequenz α100, α125, α160, … , α4000, α5000 einen Wert für die Schallabsorption, die die in Abbildung 3 gezeigten Kurven ergeben. Jeder Schallabsorber besitzt somit durch seine Absorptionskurve eine eigene Visitenkarte.
Absorption im Raum
Wieviel Schallabsorption im Raum vorhanden ist, wird zum einen aus der Flächengröße der Oberflächen und zum anderen durch deren zugehörigen Absorptionsgrad festgelegt.
Multipliziert man den Wert des Schallabsorptionsgrades αs eines flächigen Schallabsorbers mit dessen Fläche S im Raum, erhält man die sogenannte äquivalente Schallabsorptionsfläche Aeq, d. h.
Aeq = αs x S.
Diese Fläche entspricht der Fläche eines äquivalenten Schallabsorbers, dessen Schallabsorptionsgrad gleich 1 ist. Als Beispiel (exemplarisch bei 500 Hz): 10 m² eines Schallabsorbers mit einem Absorptionsgrad von αs = 0,52 besitzen die gleiche äquivalente Absorptionsfläche (nämlich Aeq = 5,2 m²) wie 20 m² eines Schallabsorbers mit einem Absorptionsgrad von αs = 0,26 oder 5,2 m² eines Schallabsorbers mit einem Absorptionsgrad von 1. Nicht immer ist ein hoher Wert des Schallabsorptionsgrades notwendig oder wünschenswert; vielmehr kommt es gerade bei größeren Räumen auch auf die Verteilung der Absorption im Raum an.
Für nicht-flächige Schallabsorber, z. B. Objekte wie Stellwände, Stühle, Schränke gibt es ein Verfahren, das die direkte Bestimmung der äquivalenten Schallabsorptionsfläche Aeq zulässt. Es wird dann die äquivalente Schallabsorptionsfläche pro untersuchtem Element, z. B. eines Stuhls, einer Stellwand, eines Schranks usw., angegeben.
Die äquivalenten Schallabsorptionsflächen für alle Oberflächen und Gegenstände im Raum werden addiert, um daraus die resultierende Nachhallzeit im Raum abschätzen zu können.