Auf dem Work Culture Festival sprach der vietnamesische Architekt Vo Trong Nghia über den Zusammenhang zwischen Achtsamkeit, Meditation und nachhaltiger Architektur. Sein Vortrag Meditationsmodus: Warum Architekten sich selbst heilen müssen, um die Welt heilen zu können machte deutlich, dass architektonisches Design nicht nur funktionalen oder ästhetischen Ansprüchen genügen muss, sondern auch aktiv zur Heilung der Umwelt und der Menschen beitragen kann.
Architektur als Heilmittel für die Umwelt
Vo Trong Nghia setzte sich zunächst kritisch mit der modernen Stadterweiterung und den daraus resultierenden Umweltproblemen in Asien auseinander. Gerade in Metropolen wie Ho-Chi-Minh-Stadt, wo weniger als ein Quadratmeter Grünfläche pro Person zur Verfügung steht, werden die Auswirkungen der massiven Betonlandschaften deutlich. Im Vergleich dazu sind Städte wie Hongkong oder Singapur mit einem deutlich höheren Grünanteil Beispiele für eine nachhaltigere Stadtentwicklung. Genau hier setzen Nghias Projekte an: Durch eine Architektur, die Natur und urbane Strukturen miteinander verbindet, versucht er, Städte lebenswerter zu machen. Als Beispiel stellte er ein Wohnhaus mitten im dicht bebauten Stadtgebiet von Ho-Chi-Minh-Stadt vor, das mit begrünten Dachterrassen und vertikalen Gärten als Mini-Park dient. Der Einsatz natürlicher Elemente, insbesondere von Pflanzen und Wasser, dient dabei nicht nur der ästhetischen Aufwertung, sondern auch der Verbesserung des Stadtklimas und der Luftqualität.
Nachhaltigkeit durch natürliche Materialien und intelligente Gestaltung
Ein zentrales Thema in der Architekturphilosophie von Vo Trong Nghia ist die Verwendung nachhaltiger Materialien wie Bambus und Lehm. Bambus als Baumaterial ist besonders relevant, da es schnell nachwächst und somit eine umweltfreundliche Alternative zu Beton und Stahl darstellt. Bei einem von ihm entworfenen Restaurant in Vietnam besteht die gesamte Struktur aus Bambus, wodurch ein natürlicher Kühleffekt erzielt und der Energieverbrauch drastisch reduziert wird. Ein weiteres Beispiel seiner Architektur ist eine Schule, deren Dach als landwirtschaftliche Fläche genutzt wird. Hier lernen die Kinder nicht nur spielerisch den Anbau von Nahrungsmitteln, sondern profitieren gleichzeitig von einem verbesserten Mikroklima und einer natürlichen Dämmung des Schulgebäudes.
Die Verbindung von Meditation und Architektur
Neben Konzepten zur nachhaltigen Architektur sprach Vo Trong Nghia auf dem Work Culture Festival über die Bedeutung von Meditation und Achtsamkeit im kreativen Prozess. Er beschrieb, wie er früher unter dem Stress der modernen Architekturindustrie litt, bis er durch Meditation einen Weg fand, sich selbst zu heilen. Heute integriert Nghia diese Praxis fest in seinen Alltag und ermutigt auch sein Team, täglich eine Stunde zu meditieren, um Stress abzubauen und Konzentration sowie Kreativität zu verbessern. Er ist überzeugt, dass ein ruhiger Geist für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Architektur unerlässlich ist und macht Meditation zu einem festen Bestandteil seines kreativen Schaffens. Durch diese Praxis gelingt es ihm, Räume zu entwerfen, die nicht nur funktional und ästhetisch sind, sondern auch eine tiefe, harmonische Verbindung zwischen Mensch und Umwelt schaffen.
Meditations-Architektur: Gebäude als Orte der Stille
Vo Trong Nghia setzt seine Ideen auch in Form von Gebäuden um, die speziell für Meditation und innere Einkehr konzipiert sind. Ein Beispiel dafür ist ein Meditationszentrum in Myanmar, das durch offene Strukturen, natürliche Belüftung und minimalistisches Design eine Umgebung schafft, in der Menschen zur Ruhe kommen können. Gerade in Zeiten hoher digitaler Vernetzung und permanenter Reizüberflutung sieht Nghia die Notwendigkeit, physische Räume als Rückzugsorte zu schaffen. Meditation sieht er nicht nur als individuelle Praxis, sondern als gesellschaftliche Notwendigkeit. Deshalb appelliert er an Architekten und Stadtplaner, Meditationsräume in urbane Konzepte zu integrieren, etwa in Büroumgebungen oder auf öffentlichen Plätzen.
Meditation als Werkzeug für die Arbeitswelt
Ein besonderer Aspekt seines Vortrags war die Relevanz von Meditation für die moderne Arbeitswelt. Nghia argumentierte, dass Meditation nicht nur zur Steigerung des Wohlbefindens beitrage, sondern auch die Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter steigern könne. In vielen Unternehmen herrsche nach wie vor eine Kultur der Überforderung und des permanenten Leistungsdrucks. Meditation könne hier als Ausgleich dienen, um Stress abzubauen und langfristig produktivere und zufriedenere Teams zu schaffen. Seine Erfahrung zeige, dass bereits wenige Minuten Achtsamkeitspraxis am Tag ausreichten, um das Bewusstsein zu schärfen und konzentrierter zu arbeiten. Gerade in Branchen, die von engen Deadlines und hohem Konkurrenzdruck geprägt sind, sieht Nghia Vorteile in einer bewussten Achtsamkeitspraxis.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
- Räumliche Anpassungen: Unternehmen können spezielle Ruhezonen oder Meditationsräume schaffen, um den Mitarbeitern bewusste Rückzugsorte zu bieten.
- Meditation in den Arbeitsalltag integrieren: Regelmäßige kurze Achtsamkeitsphasen – zum Beispiel 5 bis 10 Minuten vor oder nach Besprechungen – können helfen, die Konzentration zu steigern.
- Führungskräfte als Vorbilder: Wenn Führungskräfte und Vorgesetzte Meditation aktiv in ihren Arbeitsalltag integrieren, ist es wahrscheinlicher, dass ihre Mitarbeiter folgen.
- Achtsamkeitstraining und Workshops: Hiermit können Unternehmen Mitarbeitern den Einstieg erleichtern.
- Flexible Arbeitsmodelle: Ein flexibler Arbeitsalltag mit kurzen Pausen zur Reflexion und Entspannung kann die Produktivität und Kreativität langfristig steigern.
Vo Trong Nghias Ansatz zeigt, dass nachhaltige Architektur nicht nur eine Frage von Materialien und Energieeffizienz ist, sondern auch eine tiefere, ganzheitliche Dimension und eine bewusste Auseinandersetzung mit der menschlichen Psyche und Arbeitskultur umfasst. Die Verbindung von Achtsamkeit und Architektur bietet dabei eine neue Perspektive für die Gestaltung lebenswerter Städte und Arbeitsräume. Gerade in Zeiten zunehmender Umweltprobleme und psychischer Belastungen könnte dieser Ansatz eine wichtige Rolle in der zukünftigen Stadtentwicklung und Raumgestaltung spielen. Sein Appell an die Gestalter der Zukunft ist klar: „Bevor wir die Welt heilen können, müssen wir uns selbst heilen.“