Wie müssen Büros gestaltet sein, damit sie nicht nur funktional sind, sondern auch Gesundheit, Teamgeist und Kreativität fördern? Diese Frage stand im Mittelpunkt einiger Diskussionen auf dem Work Culture Festival 2024 und sie gewinnt weiter an Bedeutung. Denn aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Räume beeinflussen unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit stärker als lange angenommen.
Erfolgreiche Arbeitswelten entstehen evidenzbasiert und partizipativ
Amelie Marie Fischer und Ann Sophie Lauterbach vom Future of Work Lab Konstanz betonten auf dem Festival: Erfolgreiche Arbeitswelten entstehen evidenzbasiert und partizipativ. Statt ausschließlich auf Flächeneffizienz zu setzen, rückt die Nutzerzentrierung immer mehr in den Mittelpunkt. Studien zeigen, dass akustische und visuelle Privatsphäre, Raumklima, Licht und ergonomische Arbeitsplätze entscheidende Faktoren für Wohlbefinden und Produktivität sind. Flexible, aktivitätsbasierte Arbeitsumgebungen, die auf unterschiedliche Bedürfnisse zugeschnitten sind, fördern nicht nur die Zusammenarbeit, sondern steigern auch die Innovationskraft von Teams. Besonders wichtig: Mitarbeiter frühzeitig einbinden, psychologisches Ownership fördern und Veränderungen schrittweise einführen. Denn Arbeitsräume sollten dynamisch bleiben und sich an veränderte Bedürfnisse anpassen.
Design for Life: Räume, die verbinden und stärken
Wie solche Räume konkret aussehen können, diskutierten Designexperten im Panel „Design for Life“. Ihr Ansatz: Arbeitsorte dürfen nicht länger reine Funktionsflächen sein, sondern sollten als Lebensräume gestaltet werden, die Begegnung, Achtsamkeit und persönliche Entfaltung ermöglichen. Gemeinsame Rituale, wie bewusste Pausen, kreative Übergänge zwischen Arbeitsphasen oder kleine Achtsamkeitsübungen im Alltag, spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie helfen Teams, in Verbindung zu bleiben, Stress abzubauen und neue Energie zu tanken. Gleichzeitig betonten die Experten die Bedeutung von Räumen, die individuelle Ausdrucksformen zulassen: Orte, an denen Gedanken sichtbar werden dürfen, Prozesse wachsen können und persönliche Bedürfnisse ernst genommen werden. So entstehen echte Kraftorte im hybriden Arbeitsalltag.
Healing Architecture: Räume, die die Gesundheit fördern
Dass Räume nicht nur funktional sein müssen, sondern aktiv zur Gesundheit beitragen können, zeigt das Konzept der Healing Architecture. Die Innenarchitektin Charleen Grigo plädiert für Arbeitswelten, die Licht, Akustik, Materialität und Atmosphäre gezielt einsetzen, um das körperliche und seelische Wohlbefinden zu unterstützen. Unsere Umgebung beeinflusst unbewusst Emotionen, Konzentration und Regeneration, das belegen zahlreiche Studien. Faktoren wie natürliches Tageslicht, biodynamische Beleuchtung, angenehme Raumakustik und ausgewählte Materialien wirken beruhigend und fördern die Resilienz. Gerade angesichts steigender Belastungen in hybriden Arbeitswelten wird es entscheidend, Orte zu schaffen, die sowohl Aktivierung als auch Erholung ermöglichen. Healing Architecture versteht Bürogestaltung als lebendiges System, das flexibel auf die Bedürfnisse der Menschen reagiert, mit Rückzugsorten, variablen Lichtstimmungen und Zonen für Konzentration oder Kreativität. So wird das Büro zu einem Ort, der Gesundheit, Motivation und Lebensqualität gleichermaßen fördert. Doch Räume allein können nicht alle Herausforderungen lösen. Ebenso wichtig ist eine Kultur, die mentale Gesundheit aktiv unterstützt und in den Alltag integriert.
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Mentale Gesundheit: Prävention beginnt im Alltag
Eine gesunde Arbeitsumgebung endet nicht bei der Gestaltung der Räume. Mentale Gesundheit sollte auch fester Bestandteil der Unternehmenskultur sein. Das betonen die Psychologinnen Dr. Eva Elisa Schneider und Nora Dietrich: Prävention beginnt nicht erst bei Achtsamkeitskursen oder Wohlfühlaktionen, sondern bei den grundlegenden Strukturen des Arbeitsalltags. Dazu gehören eine vertrauensvolle Führung, psychologische Sicherheit im Team und echte Gestaltungsspielräume für die Mitarbeiter. Räume und Kultur wirken dabei Hand in Hand: Wer Zonen für konzentriertes Arbeiten und Erholung schafft, fördert die mentale Gesundheit ebenso wie durch soziale Treffpunkte für Austausch und Begegnung. Entscheidend ist, dass Gesundheit nicht als individuelles Thema, sondern als Gemeinschaftsaufgabe verstanden wird: Ernst gemeinte Angebote, Rückzugsräume und eine offene Gesprächskultur helfen, Stress frühzeitig abzufangen und die Resilienz im Team zu stärken. So entsteht ein Umfeld, in dem Menschen nicht nur leistungsfähig bleiben, sondern sich langfristig entwickeln und ihr volles Potenzial entfalten können.
Kunst: Katalysator des Wandels
Kunst spielt auch eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Arbeitsorte lebendiger, menschlicher und kreativer zu gestalten. Kunstkuratorin Viviane Mörmann betont: „Kunst am Arbeitsplatz ist kein nettes Extra, sondern kann Perspektiven öffnen, Veränderungen anstoßen und Unternehmenswerte sichtbar machen.“ Besonders wirkungsvoll sind Formate, die die Mitarbeiter aktiv einbeziehen, etwa durch Co-Creation-Projekte, interaktive Installationen oder partizipative Workshops. Kunst schafft Resonanzräume für Dialog und Entwicklung – und wird so zum strategischen Baustein moderner Unternehmenskultur. Auch im Panel „Wieso Kunst und Arbeit zusammengehören“, moderiert von der Theatermacherin Nicola Bramkamp, wurde deutlich, dass Kunst weit mehr ist als Dekoration. Sie ist Impulsgeberin für Kreativität, Begegnung und Veränderung. Kunst eröffnet neue Denkräume, stellt Routinen in Frage und fördert eine Kultur des Perspektivwechsels. Gerade dort, wo Kunst irritiert und nicht auf Konsens zielt, entstehen Räume für echte Auseinandersetzung und Innovation. Kunst ermöglicht es, Unsicherheiten auszuhalten, neue Narrative zu entwickeln und kreative Potenziale freizusetzen, wichtige Voraussetzungen für eine lebendige und anpassungsfähige Unternehmenskultur.
Atmosphären gestalten: Klang, Licht und soziale Dynamiken
Auch Klang prägt, wie wir Arbeitsräume erleben. Der österreichische Komponist und Audio-Branding-Experte Walter Werzowa erläuterte beim Work Culture Festival, welche Kraft Musik auf Wohlbefinden, Konzentration und soziale Interaktion entfalten kann. Richtig eingesetzt, kann Musik Stress abbauen, geistige Wachheit fördern und emotionale Bindungen stärken, sei es durch Soundscapes, gemeinsames Musikhören oder bewusst gestaltete Klangzonen. Dabei geht es nicht um Dauerbeschallung, sondern um feinsinnige Inszenierung: Klanglandschaften sollen Situationen unterstützen und Menschen emotional ansprechen, ohne sie zu überfordern. Auch das Licht spielt eine zentrale Rolle: Natürliches Tageslicht, biodynamische Beleuchtung und dem Tagesverlauf angepasste Lichtkonzepte wirken sich nachweislich positiv auf Stimmung, Gesundheit und Produktivität aus. Bewusst gestaltete Orte der Begegnung, wie Lounge-Bereiche oder interaktive Cafeterien, ergänzen diese Atmosphären.
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Identifikation statt Standardlösungen
Architekt Peter Ippolito brachte es auf den Punkt: Ein Büro ist nicht nur ein Arbeitsort, sondern Ausdruck der Identität einer Organisation. Es sollte flexibel auf Veränderungen reagieren können, Vielfalt zulassen und Möglichkeiten für echte Begegnungen bieten. Standardlösungen greifen dabei zu kurz. Erfolgreiche Raumkonzepte entstehen im Dialog mit den Menschen, die sie nutzen und entwickeln sich mit ihnen weiter. Gleichzeitig, so Ippolito, müssen moderne Arbeitswelten nachhaltig gedacht werden: Langlebigkeit, Anpassungsfähigkeit und ressourcenschonende Konzepte werden zunehmend zum Maßstab zukunftsfähiger Bürogestaltung. Es geht darum, Räume zu schaffen, die echte Begegnungen und ungeplante Interaktionen ermöglichen, denn Innovation entsteht oft dort, wo sich Menschen zufällig treffen und neue Perspektiven entwickeln.
Heißt: Erfolgreiche Arbeitswelten sind multisensorisch, partizipativ und menschenzentriert. Sie stärken Gesundheit, Kreativität und soziale Bindungen. Sie schaffen Raum für persönlichen Ausdruck ebenso wie für gemeinschaftliches Erleben. Und sie verstehen Räume nicht als starre Strukturen, sondern als lebendige Systeme, die Arbeit zu einer ganzheitlichen Erfahrung machen. Oder, wie es auf dem Work Culture Festival hieß: Arbeitsorte sollten nicht designed for work, sondern designed for life sein.