Unternehmen stehen vor der Aufgabe, ihre Mitarbeiter wieder für das Büro zu begeistern. Anlässlich der aktuellen Diskussion über die Attraktivität des Büros haben wir den Raumpsychologen und Designer Uwe Linke zu Raumerlebnissen, Raumqualität und Corporate Hospitality befragt.
In Ihrem Buch „Die Psychologie des Wohnens“ schreiben Sie, dass wie wir wohnen, zeigt, wer wir sind. Was bedeutet das auf Unternehmen und ihre Räume bezogen?
Im Prinzip ist das einfach übertragbar. Auch Unternehmen hinterlassen ihre DNA, indem sie Entscheidungen treffen. Welche Räume und wie viel Raum stellt ein Unternehmen für die Mitarbeiter zur Verfügung? Was ist ein Unternehmen bereit für die Ausstattung zu investieren? Und zwar nicht nur für den Teil, der direkt dem Unternehmen unmittelbar nützt, sondern auch für die Investitionen in die Gesundheit der Mitarbeiter und deren Freude an der Arbeit. Auch, ob sich ein Unternehmen bei der Einrichtung seiner Räume professionell mit einer Bedarfs- und Bedürfnisanalyse der Nutzer unterstützen lässt, ist eine relevante Frage. Leider gibt es das immer wieder, dass einfach ein gerade freier Mitarbeiter beauftragt wurde, nach dem alleinigen Wunsch der Führungsebene die vorhandenen Möbel umzustellen.
Unternehmen stehen vor der Aufgabe, ihre Mitarbeiter wieder für das Büro zu begeistern. Menschen sollen gern ins Büro kommen und sich dort mit ihren Kollegen austauschen. Wie kann der Raum die Entscheidung für das Büro unterstützen?
Vorweg muss man sagen, dass der Raum allein natürlich nicht in der Lage ist, verängstigte oder demotivierte Mitarbeiter zu schwierigen Vorgesetzten zurückzubringen. Aber unter normalen Bedingungen kann der Raum sehr gute Voraussetzungen schaffen, damit Mitarbeiter motiviert sind und aus eigenem Antrieb den Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten suchen. Orte und damit auch das Büro dienen der Identifikation und erzeugen ein Feld der Ausstrahlung, die weit über die reine Funktion hinausgehen kann.
Hilfreich sind eine gute Akustik, abgestimmtes Licht, flexible Arbeitsräume einschließlich einer Anleitung und Vorbilder, wie man mit Multi-Space-Büro und agilem Arbeiten umgeht. Wenn dann das Unternehmen noch verstanden hat, welche Arbeiten für welche Menschentypen (introvertiert usw.) in der Gruppe oder besser allein und ungestört effizient erledigt werden können, dann ist das schon ein riesiger Schritt. Die Mitarbeiter in diese Prozesse einzubeziehen und auch ihre Wünsche zu berücksichtigen, gibt diesen das Gefühl, wichtig und bedeutend zu sein.
Durch welche sinnlichen und psychologischen Qualitäten können Unternehmen bleibende Raumerlebnisse schaffen?
Neben dem erwähnten Prozess, wie die Gestaltung entsteht, spielen die Materialwahl, Farb- und Möblierungskonzepte eine große Rolle. Entspannung und Ausstrahlung des Raums machen einen großen Unterschied. Jeder, der schon einmal einen bedeutenden Sakralraum erlebt hat, weiß um die schweigende Magie von Räumen, wenn jeder Sinn angesprochen wird. Geruch, Haptik, Authentizität des Materials und Akustik nehmen wir unbewusst wahr und genau daher wirkt es auch so stark, weil es nicht offenbar oder offensichtlich ist. Wir müssen Räume kreieren, die Menschen in ihren Bann ziehen und ihnen einen Raum bieten, in dem sie sich als selbst wirksam und innerlich motiviert erleben.
Was macht es mit Communitys, wenn sich Mitarbeiter nicht mehr so oft sehen oder Arbeit nur noch hybrid stattfindet und damit auch ein Teil des physischen Beisammenseins verloren geht?
Für manche mag es keinen großen Unterschied machen, Gemeinschaft hybrid zu gestalten, andere leiden massiv darunter, weil so viele Wahrnehmungs- oder Kommunikationsmöglichkeiten verloren gehen. Natürlich lassen sich auch hybrid Informationen übermitteln, doch dann wären auch Messenger-Nachrichten hervorragend geeignet, um Beziehungen zu führen.
Und: Aufgaben, die eine KI oder ein Roboter ausführen kann, werden in Zukunft von der Technik übernommen werden. Die menschliche Arbeit in den Unternehmen wird dann genau die Qualitäten benötigen, die nicht digital erzeugt werden können, also Gemeinschaft, Zusammengehörigkeitsgefühl, einen Gefallen tun und sich begeistern lassen. Das sind genau die Qualitäten, die inspirieren und etwas Größeres erzeugen als die Summe der funktionsfähigen Teile.
Wir beleuchten im IBA Forum derzeit die Frage, ob sich Unternehmen vom Arbeitgeber zum Gastgeber entwickeln müssen, um für ihre Beschäftigten dauerhaft attraktiv zu sein. Wie stehen Sie dazu?
Oh ja, ein schöner Begriff, Gastfreundschaft. Wobei Mitarbeiter keine Gäste sind, die unterhalten werden wollen, sondern sie erschaffen selbst die Inhalte. Der Arbeitgeber wird in der Zukunft ein Arbeitsanbieter sein. Das Angebot für Mitarbeiter muss dann so attraktiv wie möglich sein und die Möglichkeit bieten, sich selbst zu entfalten und dabei den Unternehmenszielen zu dienen. Das lernen wir tatsächlich nicht zuletzt aus der Situation der Hotellerie und Gastronomie, die – fast unverständlich – keine Mitarbeiter mehr finden. Ungeachtet aller finanziellen Anreize lernen wir auch, dass eben Entlohnung nicht mehr reicht, weil sie oft nur Entschädigung ist, die nicht wirklich als Anreiz funktioniert.
Herr Linke, wir danken Ihnen für das Gespräch.