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The Shape of Things to Come: Warum wir Momente des Staunens brauchen

Work Culture Festival

Sabine Marcelis auf dem Work Culture Festival. Bild: IBA
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
5 Minuten

Auf dem Work Culture Festival sprach die Designerin Sabine Marcelis über die Bedeutung von Momenten des Staunens in der heutigen Welt und wie diese das kreative Schaffen beeinflussen. Ihr Vortrag gab Einblicke in ihre Designphilosophie, ihre Inspirationsquellen und die Rolle von Materialität und Licht in ihrer Arbeit. Marcelis, bekannt für minimalistische Ästhetik und innovative Materialexperimente, zeigte, wie magische Momente in der Natur in Designobjekte und Installationen übersetzt werden können.

Ein Spiel mit Licht, Material und Reflexion

Marcelis begann mit einer Reflexion über die Natur als Quelle der Inspiration. Sie sprach über das Staunen, über flüchtige, aber beeindruckende Naturphänomene wie Frost auf Blättern oder Lichtspiele auf Wasser. Ihre Arbeit basiert auf der Idee, solch flüchtige Momente einzufangen und in physischen Objekten umzusetzen. Dabei spielt das Zusammenspiel von Licht, Reflexion und Transparenz eine zentrale Rolle. Als Beispiel stellte sie ihre Experimente mit Resin (Gießharz) vor, bei denen sie mit verschiedenen Pigmentierungen und Oberflächenbehandlungen arbeitet, um das Licht auf einzigartige Weise zu brechen. Zur Veranschaulichung zeigte sie eine Reihe von Experimenten mit Lichtlinien, die je nach Materialität diffus leuchten oder scharfe Konturen erzeugen.

Materialexperimente und die Suche nach Innovation

Neben ihrer Faszination für das Licht beschrieb Marcelis ihre ständige Suche nach innovativen Materialien und Herstellungsverfahren. Auch hier spielt gegossenes Harz eine besondere Rolle. Dabei geht es ihr nicht nur um die ästhetische Wirkung, sondern auch um die Entwicklung nachhaltigen Materials. Die Designerin arbeitet dabei mit Herstellern zusammen, um umweltfreundlichere Alternativen zu entwickeln, zum Beispiel Bio-Resin mit einem hohen Anteil an nachhaltigen Inhaltsstoffen. Ein Beispiel für ihre materialbasierten Installationen ist ihre Arbeit für das Vitra Design Museum, in der sie Designobjekte nicht chronologisch, sondern nach Farben anordnete, um die emotionale Wirkung von Farbharmonien zu betonen. Hier zeigte sie, wie unterschiedliche Oberflächenbehandlungen – poliert oder matt – das Farberlebnis eines Objekts grundlegend verändern können.

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Naturphänomene als Inspiration für Technologie

Marcelis sieht die Natur nicht nur als Inspirationsquelle, sondern auch als Ausgangspunkt für technologische Innovationen. Dies zeigt sich unter anderem in ihrer Auseinandersetzung mit Solarzellen. Marcelis kritisiert, dass Solarzellen oft nur als funktionale, aber ästhetisch wenig ansprechende Objekte betrachtet werden. In Zusammenarbeit mit Glasherstellern experimentiert die Designerin daher mit neuen Formen von transparenten oder in Materialstrukturen integrierten Solarzellen, die sich nahtlos in ihr Design einfügen. In diesem Zusammenhang präsentierte Marcelis Solarladestationen für die Stadt Amsterdam, die sowohl Solarenergie nutzen als auch ästhetisch ansprechend gestaltet sind. Dies entspricht ihrer Vision, Technologie und Design zu verbinden, um nachhaltige und zugleich faszinierende Objekte zu schaffen und für viele Menschen erlebbar zu machen.

Installationen, die den Raum verändern

Die Frage, wie Design den Raum beeinflussen und Momente des Staunens im Alltag schaffen kann, war ebenfalls Teil von Marcelis’ Vortrag auf dem Work Culture Festival. Während kreative Designlösungen oft in öffentlichen Räumen oder Museen Anwendung finden, sieht Marcelis gerade in Arbeitsumgebungen, die eher funktional und monoton gestaltet sind, großes Potenzial für inspirierende Designansätze. Sie präsentierte unter anderem Beispiele von farbigen Glasinstallationen in Bürogebäuden, die das Licht in warmen Tönen brechen und so eine neue Atmosphäre im Raum schaffen. Solche Interventionen, so Marcelis, können das Wohlbefinden steigern und die Kreativität am Arbeitsplatz fördern. Ihre Installation in Rotterdam zum Beispiel gestaltet eine Glasfassade gezielt so, dass eine permanente Herbststimmung entsteht und die Arbeitsumgebung wärmer und einladender wirkt.

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Momente des Staunens im Büroalltag

Durch bewusste Materialwahl, Farbgebung und Lichtgestaltung lassen sich Büroräume in anregende und produktivitätsfördernde Umgebungen verwandeln. Marcelis empfiehlt, durch kleine, gezielte Eingriffe eine Atmosphäre zu schaffen, die zum Staunen anregt. Das können zum Beispiel farbige Glaswände sein, die sich je nach Lichteinfall verändern, oder minimalistische Lichtinstallationen, die je nach Tageszeit unterschiedliche Stimmungen erzeugen. Auch bewegliche, interaktive Elemente – wie drehbare Sitzmöbel oder Lichtprojektionen – können den Arbeitsalltag bereichern und eine neue Form der Interaktion zwischen den Kollegen anregen.

Marcelis ist davon überzeugt, dass eine durchdachte Gestaltung der Arbeitsräume wesentlich zur Innovationskraft eines Unternehmens beitragen kann. Sie wies auch darauf hin, dass das Schaffen von Staunen nicht nur die Aufgabe von Designern sei, sondern dass jeder – ob Architekt, Stadtplaner oder Arbeitsplatzgestalter – dazu beitragen könne, inspirierende Momente in den Alltag zu integrieren. Ihr Rat: „Seien Sie neugierig, offen und scheuen Sie sich nicht, etwas zu schaffen, das nicht nur funktional ist, sondern auch Freude und Magie vermittelt.“

Sabine Marcelis ist eine niederländische Künstlerin und Designerin aus Rotterdam. Seit ihrem Abschluss an der Design Academy Eindhoven im Jahr 2011 konzentriert sie sich auf die Gestaltung von Objekten, Installationen und Räumen mit besonderem Schwerpunkt auf Materialität und Licht. Ihre Arbeiten wurden in renommierten Museen wie dem Mies van der Rohe Pavillon in Barcelona, dem Museum Boijmans van Beuningen in Rotterdam und dem Vitra Design Museum ausgestellt. Sie realisierte auch Installationen für Marken wie Fendi, Dior und Art d’Egypte. Für ihre Arbeit erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Designer of the Year Award von Elle Deco (2023) und Wallpaper (2020).

Titelbild: @ IBA