Melanie Wagner, Country Managerin DACH des israelischen HR-Tech-Unternehmens HiBob, befasste sich in ihrer Keynote mit der veränderten Arbeitswelt und der Frage, welche Erwartungen an Arbeit insbesondere die jungen Mitarbeitergenerationen haben. Mit diesen Erwartungen änderten sich nicht nur die Anforderungen an moderne Arbeitsplätze. Sie setzten auch Themen wie Mental Health und die flexible Ausgestaltung von Arbeitsalltag und ‑orten auf die Tagesordnung der Personalverantwortlichen.
Was die neue Arbeitsgeneration bewegt
„Wir sind nicht länger Personalnummern, wir sind Menschen.“ So leitete Melanie Wagner, die Politik und Jura in Heidelberg studiert hat und in führenden IT-/Tech-Unternehmen leitende Positionen innehatte, ihre NWX-Keynote ein. Ihre zentralen Aussagen in Stichworten: Nicht erst die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt verändert. Sie ist zusehends von jüngeren Mitarbeitern geprägt, die ihre Tätigkeit völlig anders bewerten als ältere Generationen. Die Generationen Y (Millennials) und Z, also die Jahrgänge 1981 bis 2012, beschäftigt vor allem der Sinn von Arbeit, die Vision eines Unternehmens und die moralische Motivation des Einzelnen. Die Werte dieser Arbeitnehmergenerationen sind ebenso individuell wie ihre Ansprüche an Führung.
Junge Generationen stellen klassische Hierarchien infrage und möchten, dass man sie als Menschen wahrnimmt und das Management ihnen wertschätzend begegnet. Außerdem möchten sie ihre Arbeitszeit nach hybriden Modellen einteilen können. Das stellt Unternehmen vor nie dagewesene Herausforderungen. Starre Arbeitsstrukturen und der klassische „Nine to five“-Job sind passé. Die jungen Generationen suchen im Job mehr Flexibilität und einen Lebens- bzw. Arbeitsraum, der zu ihren Wertvorstellungen passt. Obwohl Lebenshaltungskosten und finanzielle Sicherheit für die jungen Mitarbeitergenerationen sehr wichtig sind, haben sich also die grundsätzlichen Recruitment-Themen verändert. Fragen wie die Zahl der Geschäftsreisen oder die Verfügung über einen Firmenwagen rücken vor dem Hintergrund der Möglichkeit, auch von zu Hause aus arbeiten und sich um die Familie kümmern zu können, in den Hintergrund.
Covid-19 hat den Wandel der Arbeitswelt beschleunigt und wie ein Meteor eingeschlagen. Die neue Realität besteht aus der Verwirklichung persönlicher Lebensziele auf Mitarbeiterseite und notwendigen Veränderungsprozessen auf Unternehmensebene.
Melanie Wagner
Moderne HR benötigt Flexibilität
Starre Arbeitszeiten, Office only und Arbeiten nur in den städtischen Ballungszentren gehören in dieser neuen Arbeitswelt der Vergangenheit an. Work from Home (WFO), Work from Office (WFO) und Work from Anywhere (WFA) sind die Bestandeile des modernen „Hybrid Work“-Mix als Konsequenz aus dem Wandel der Arbeitswelt. Beschäftigte wünschen Flexibilität vor allem in Bezug auf das Wann, Wo und Wie ihrer Arbeit. Die Vertreter der Generation Z und Y möchten Karriere und Privates miteinander vereinbaren, aber auch getrennt voneinander halten können; zu sehr vermischen sollen sich die Lebenswelten nicht. Ihr bevorzugtes New Normal sind Arbeitswochen mit zwei bis drei Tagen vor Ort im Büro und Montag und Freitag im Homeoffice. In den USA bevorzugen 83 % aller Mitarbeitergenerationen sogar eine 4‑Tage-Woche, zitierte Wagner eine Befragung von GoodHire.
Neue Themen auf der Tagesordnung der Personalverantwortlichen
Neben Remote und Hybrid Work treten Themen wie die Gesundheit der Beschäftigten und Mental Health in den Vordergrund. Wenn 45 % der jungen Generationen angeben, unter einem Burn-out zu leiden, und sogar 50 %, permanent oder größtenteils gestresst zu sein, werden Unternehmen sich darauf einstellen müssen, den Diskurs über mentale Gesundheit stärker in den Vordergrund zu stellen. Auch die Themen Diversität und Inklusion (DE&I) werden wichtiger. Dafür geht es immer häufiger weg von klassischen Hierarchien hin zu dynamischen Teams und sinnstiftender Kollaboration. Betrachtet man die evaluierten Five-Top-Gründe des „Microsoft Work Trend Index 2022“ für Kündigungen von Mitarbeitern, sind die Themen für die jungen Generationen neben dem persönlichen Wohlbefinden vor allem die Work-Life-Balance (24 %), das mangelnde Vertrauen in Geschäftsleitung oder Führungskräfte (21 %) sowie der Mangel an flexiblen Arbeitszeiten und ‑orten (21 %).
Es gilt künftig, der „Great Resignation“ entgegenzuwirken, Beschäftigte zu binden und die Dauer, die sie in Unternehmen verbringen, zu verlängern. Umfragen zufolge gibt bereits die Hälfte aller Mitarbeiterinnen an, nicht bei ihrem Unternehmen bleiben und innerhalb der nächsten zwei Jahre eine neue Position ansteuern zu wollen. Nur 10 % aller Befragten planen, die nächsten zehn Jahre bei ihrem Unternehmen zu bleiben. Diese Ergebnisse, gepaart mit dem Fachkräftemangel und dem Wunsch nach sinnstiftender Arbeit, zeigen Unternehmen klar auf, worauf sie beim Thema „Retention“ künftig achten müssen. Nämlich auf ihre Vision und eine lebendige Unternehmenskultur, auf Well-being und Gesundheitsleistungen, auf sinnstiftende Arbeit, flexible Arbeitszeiten sowie moderne Arbeits- und Urlaubsmodelle. Aber vor allem auch auf die spezifische und individuelle Ausgestaltung der Employee Experience.
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Die klassischen Bewerbungsprozesse haben ausgedient
Melanie Wagner geht davon aus, dass Unternehmen sich noch stärker darum bemühen müssen, Talente an Bord zu holen und zu halten. Gelingen kann das durch eine Unternehmenskultur, die zugleich mitarbeiterzentriert und unabhängig von Büroanwesenheitszeiten ist und eine klare Vision verfolgt. Glaubwürdige Unternehmenswerte müssen lebbar und erlebbar gemacht werden. „Sicherlich wird es auch künftig weiterhin Bewerbungen hin zu einem Unternehmen geben“, so Wagner. Die HR-Tech- und Vertriebsexpertin sieht aber für Unternehmen, dass sie sich immer stärker in einer Art Verkaufsprozess auf dem Talentmarkt bewegen müssen. Einen Erfolg im Recruiting prognostiziert sie für Unternehmen, die sich potenziellen Mitarbeitern bestmöglich präsentieren und den Sinn der Arbeit und den Unternehmenszweck authentisch herausstellen.
Mit Blick auf das eigene Unternehmen verweist Wagner abschließend auf die Vorzüge neuer HR-Tools. Um eine belastbar integrative Unternehmenskultur zu schaffen, die mit der Zunahme von hybriden Teams und flexiblem Arbeiten erfolgreich umgehen kann, „sind intuitive HR-Tech-Plattformen nötig, die alle Mitglieder einer Organisation nutzen, einschließlich HR-Teams, Führungskräfte, Vorgesetzte und Einzelpersonen.“