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Erfolgsfaktor Zufall: Ein Interview mit Prof. Dr. Christian Busch

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Prof. Dr. Christian Busch
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
7 Minuten

Zufällige Chancen wahrnehmen und durch das Unerwartete vorankommen. Das ist das Forschungsfeld von Prof. Dr. Christian Busch, Bestsellerautor von „Erfolgsfaktor Zufall“. Ein Gespräch der IBA Redaktion über Serendipität in der Arbeitswelt.

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Wissenschaftler bezeichnen die Interaktion von Zufall und menschlichem Handeln als Serendipität – aktives Glück. Der Begriff steht für das Stolpern über etwas, wonach man nicht gesucht hat, das aber auf überraschende Weise den Impuls zu einer Problemlösung gibt. Es geht darum, empfänglich für zufällige Beobachtungen zu sein. Man kann die Fähigkeit entwickeln, für unerwartete Entdeckungen offen zu sein.

Christian, das zufällige Beobachten von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich als Ausgangspunkt für eine neue und überraschende Entdeckung erweist, kann in der Arbeitswelt hilfreich sein. Wie nutzt du das Serendipitätsprinzip im Job?

 

Das Serendipitätsprinzip ist deshalb so spannend, weil viele Innovationen und Inventionen, aber auch andere Möglichkeiten, durch das Unerwartete entstehen. Mein ganzes Leben ist eine Verkettung von Zufällen. Zum Beispiel habe ich die Mitgründerin meines letzten Unternehmens zufällig in einer Coffeeshop-Schlange auf einer Konferenz getroffen. Und wir wissen aus der Forschung, dass wenn wir für das Unerwartete offen sind, häufig Serendipität (aktives Glück) entsteht. Man kann sich im Job den Zufall nicht immer aussuchen, aber man kann sich aussuchen, wie man darauf reagiert. Es ist grundsätzlich gut, einen Plan und Ziele zu haben, aber man sollte auch dafür offen sein, dass sich etwas komplett anderes entwickeln kann. Bringt eine Konversation etwas Spannendes, Unerwartetes hervor – bleib dran! Persistenz und Follow-ups sind notwendig. Das ist wie in der Liebe. Man kann sich zufällig verlieben, muss dann aber auch auf Dates gehen, damit es mit der Beziehung klappt.

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Wir müssen im Job unseren Autopiloten häufiger ausschalten.“ Dr. Christian Busch

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Wie lässt sich ein Serendipitäts-Mindset in Unternehmen implementieren?

 

Hier gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte. Wichtig ist die Erkenntnis, dass nicht alles im Voraus geplant werden kann und dass es in strategischen Prozessen darum geht, Menschen zu befähigen, das Unerwartete aktiv anzugehen und in Geschäftsprozesse zu integrieren. Es gilt, Anreize für Vernetzung und Serendipität zu schaffen und Formate zu installieren, die die Silos verlassen. Dharmesh Shah, Mitgründer von HubSpot, gab Mitarbeitern beispielsweise ein Budget für sogenannte Learning Lunches. Einzige Voraussetzung: Mit Externen zu Mittag essen (und idealerweise dann auch ab und zu zu debriefen, damit es Verantwortbarkeit gibt). Andere Unternehmen führen „Random Coffee Trials“ durch, bei denen man Menschen, die im Job nicht viel miteinander zu tun haben, zusammenbringt. In solchen Begegnungen sind oft die wertvollsten Informationen zu finden, da man aus Silos ausbricht. In wöchentlichen Meetings zu fragen „Was hat euch letzte Woche überrascht?“ ist auch ein einfacher Weg, bei Mitarbeitenden eine Offenheit für das Unerwartete zu entwickeln, auf neue Ideen zu kommen und Innovationen anzustoßen. Beispielsweise entstand eine Innovation wie Haier’s Kartoffelwaschmaschine, weil ein Mitarbeiter realisierte, dass Bauern ihre Kartoffeln in der Waschmaschine wuschen. Statt dies einfach abzutun, wurde ein Schmutzfilter eingebaut – und es gab ein neues Produkt für die vielen Bauern der Welt.

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„Es braucht die Offenheit für das Unerwartete und Prozesse, um das Unerwartete in Produktentwicklung und Innovationsprozesse zu integrieren.“ Dr. Christian Busch 

Welches Umfeld ist hierfür nötig?

 

Es kommt hier auf die jeweilige Aufgabenstellung und Präferenz an. Beispielsweise halten sich viele produktive Menschen oft morgens etwas Zeit frei, um in einer ruhigen Umgebung ungestört und fokussiert an konzeptionellen Aufgaben zu arbeiten. Erst anschließend begeben sie sich in eine interaktive Umgebung, in der gerade Teams für neue Impulse und Ideen empfänglicher sind. Räume sollten sowohl die Employee Journey als auch den Kontext unterschiedlicher Arbeitsweisen abbilden können. Mindestens ebenso wichtig wie die Aufgabengestaltung und das Zeitmanagement ist aber die Kultur. Wie lässt sich eine Kultur schaffen, in der man sich vertraut und in der wertebasiert gehandelt wird? Eine Kultur, die Werte wie Neugierde und Innovation propagiert, muss dies auch in ihrem täglichen Handeln zeigen. Beispielsweise mit anderen Fragen und mit Führungskräften, die ein Umfeld schaffen, in dem Menschen gern lernen wollen und nicht versuchen, immer nur recht zu behalten.

Du beschreibst in deinem Buch „Erfolgsfaktor Zufall“ auch die Bedeutung von Gemeinschaft, Netzwerken und den Zustand des „developing mode“. Was genau meinst du damit?

 

Eine sich rasch verändernde Arbeitswelt verlangt, dass wir unsere Arbeitsweisen überdenken. Heute hängt selbst in stabileren Branchen der Fortschritt immer mehr von der Fähigkeit ab, Netzwerke zu entwickeln und zu nutzen. Und es braucht Führungskräfte, die sich nicht im Bewertungs‑, sondern im Entwicklungsmodus befinden. Es geht um das Mindset, nicht immer evaluieren zu müssen – „das ist eine gute oder weniger gute Idee“ –, sondern auch sagen zu können: „Vielleicht ist das eine Idee, die noch wächst.“ Schauen wir uns Unternehmen wie Pixar an, eines der kreativsten Unternehmen der Welt. Hier beginnt der Gründer Meetings mit: „Am Anfang haben alle unsere Filme als schlechte Idee angefangen – und jetzt fangen wir das Meeting an.“ Damit sagt er: Wir wollen immer exzellent sein und die tollsten Ideen haben, aber am Anfang können wir einfach loslegen und bewerten nicht die anfängliche, sondern die finale Idee. So etwas geht aber nur in einem Umfeld, in dem Mitarbeiter gern lernen wollen und nicht versuchen, recht zu behalten.

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„Ein Shift ist nötig – weg von „Es muss immer alles perfekt sein“ hin zu „Wir wollen immer exzellent sein, aber wir können nicht immer perfekt sein“. Dr. Christian Busch

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Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter und Führungskräfte auf dem Weg hin zu mehr Serendipität begleiten?

 

Ein Weg ist es, Serendipität vorzuleben und transparent zu kommunizieren, wo Serendipität bereits Einzug gehalten hat. Oder eben auch in Meetings zu fragen, was Mitarbeiter überrascht hat. Raum zu geben für Innovationen und nicht von Anfang an einzufordern, dass eine Idee perfekt sein muss. Und Fragestellungen nicht von vornherein einschränken, beispielsweise indem jemand den Auftrag erhält: „Finde einen Weg, wie wir die Kosten senken können.“ Denn sagt man: „Wir müssen finanziell besser dastehen“, können neben Kostensenkungen auch ganz andere Ideen entstehen, zum Beispiel, das Produkt im Premiumsegment anzubieten und mehr Umsatz zu erzielen statt nur die Kosten zu senken. Also Probleme zwar vorzugeben, aber nicht eine gewünschte Lösung unausgesprochen in den Auftrag integrieren. Und natürlich auch Anreize setzen, dass Mitarbeitende ihre Ideen ins Unternehmen einbringen und sie dann auch umsetzen.

Christian, vielen Dank für das Gespräch.

Dr. Christian Busch, Professor an der USC Marshall School of Business und Gastwissenschaftler an der London School of Economics (LSE), erforscht seit vielen Jahren das bewusste Wahrnehmen von zufälligen Chancen. Sein SPIEGEL Wirtschaftsbestseller „Erfolgsfaktor Zufall“ (Murmann Verlag) basiert auf den Ergebnissen seiner Forschung an der LSE und der New York University. Der Gründer des internationalen Netzwerks „Sandbox“ und der Organisation „Leaders on Purpose“ zählt laut Diplomatic Courier Magazin zu den „Top 99 Influencern“ und spricht regelmäßig auf Konferenzen wie dem Weltwirtschaftsforum und TED/TEDx. Mehr Informationen unter https://theserendipitymindset.com/.

Titelbild: Prof. Dr. Christian Busch (Foto: Justine Stoddart)