Auf der ORGATEC sprach Ralf Rangnick, einer der renommiertesten Fußballtrainer Europas, mit Thorsten Giersch, Chefredakteur von DUP, über seine Ansichten zu Führung, Verantwortung und Teamarbeit. Rangnicks Erfahrungen aus dem Spitzensport bieten einige Parallelen zur Arbeitswelt und zeigen, wie Teams erfolgreich geführt und entwickelt werden können. Ein Überblick.
Der Mensch im Mittelpunkt von Führung
„Der größte Motivator ist nicht Geld, sondern ein Umfeld, in dem ich mich entwickeln kann, in dem ich besser werde“, erklärte Rangnick. „Habe ich ein Umfeld, habe ich Chefs, die mich besser machen, die mich zur besten Version meiner selbst werden lassen?“ Dieser Ansatz zieht sich wie ein roter Faden durch seine Karriere – vom Trainer eines Drittligisten bis zu seinen Erfolgen mit RB Leipzig und der österreichischen Nationalmannschaft. Führung bedeutet für Rangnick, die besten Voraussetzungen für individuelles und kollektives Wachstum zu schaffen, denn die Entwicklung einzelner Spieler gehe eben nur über die Entwicklung der Mannschaft, so Rangnick. Dabei steht für ihn der Mensch im Mittelpunkt. Er sieht sich mit seinem Trainerstab als „Entwicklungshelfer“, der sich um alles kümmert und ein Umfeld schafft, in dem sich Mitarbeiter entfalten und Verantwortung übernehmen können. Was im Fußball gilt, gilt auch in der Arbeitswelt: Rahmenbedingungen schaffen, die es Menschen ermöglichen, ihre Stärken zu entdecken und einzusetzen.
Unternehmensidentität und Spielphilosophie
Rangnick betonte die Bedeutung einer klaren Corporate Identity – im Fußball wie in Unternehmen. „Ohne Corporate Identity kein Corporate Behaviour“, so Rangnick. Im Fußball zeigt sich das in einer klaren Spielphilosophie, die das Verhalten der Spieler auf dem Platz prägt. Auch Unternehmen müssen eine klare Identität entwickeln, müssen „wissen, wie sie spielen wollen“, um Orientierung zu geben und das Handeln zu steuern. Ein Beispiel aus Rangnicks Zeit in Hoffenheim zeigt, wie konsequent Rangnick dieses Prinzip verfolgt: Mit klaren Strukturen und innovativen Ansätzen – etwa der Einführung von Ernährungs- und Mentaltrainern – wurde aus einem kleinen Regionalclub ein Bundesligist. Dieser Erfolg basierte nicht nur auf Talent, sondern auf einer klaren Vision, wie Fußball gespielt werden soll. Und der Einfluss eines Trainers sei viel größer, als mancherorts angenommen werde, so Rangnick.
Führen durch Vertrauen und Verantwortung
Rangnick vergleicht die Rolle des Trainers mit der eines Dirigenten. Beide müssten genau verstehen, wie eine Mannschaft zusammenspielt, und gleichzeitig individuelle Talente fördern. „They don’t care how much you know until they know how much you care“, so Rangnick. Übertragen auf die Arbeitswelt: Mitarbeiter wollen sich wertgeschätzt, wahrgenommen fühlen und spüren, dass ihre Vorgesetzten an ihrer Entwicklung interessiert sind. In diesem Zusammenhang betonte Rangnick die Bedeutung von Vertrauen. Führungskräfte sollten ihren Mitarbeitern den Freiraum geben, Verantwortung zu übernehmen und eigene Entscheidungen zu treffen. „Gute Chefs lassen gute Leute machen“, betonte er. „Sie müssen ihre eigenen Ideen und ihre Qualitäten einbringen können.“ Diese Haltung fördere nicht nur die Eigeninitiative, sondern binde die Mitarbeiter auch an das Unternehmen.
Arbeitsbedingungen als Basis für Erfolg
Neben der Führungsphilosophie ist für Rangnick auch ein durchdachtes Arbeitsumfeld ein Erfolgsfaktor. In seiner Zeit in Hoffenheim sorgte er dafür, dass der Verein nicht nur über moderne Trainingsmöglichkeiten verfügte, sondern auch über persönliche Rückzugsräume, in denen sich die Spieler zwischen den Trainingseinheiten entspannen können. Rangnick bezeichnet sich selbst als „Bessermacher“, dessen Aufgabe es ist, seinen Spielern und seinem Trainerstab die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu bieten. „Es geht darum, die besten Voraussetzungen zu schaffen, damit die Spieler ihr Potenzial voll entfalten können“, erklärte er. Die Investitionen in die Infrastruktur waren ein wesentlicher Teil des Erfolgsrezepts, das Hoffenheim vom Drittligisten zum etablierten Bundesligisten machte. Doch nicht nur im Sport sind die Arbeitsbedingungen entscheidend. Auch in Unternehmen spielt das Umfeld eine wesentliche Rolle, um Mitarbeiter zu motivieren und ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten. Rangnick betonte, dass es dabei nicht immer um große Investitionen gehe. Oft seien es kleine, durchdachte Maßnahmen, die einen großen Unterschied machen. Ein gut gestalteter Arbeitsplatz, Flexibilität und moderne technische Ausstattung können das Engagement der Mitarbeiter deutlich steigern. „Wenn Menschen spüren, dass ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden, sind sie nicht nur zufriedener, sondern auch leistungsfähiger“, so Rangnick. Und er ging noch weiter. Nicht jeder arbeite unter den gleichen Bedingungen gleich gut. Deshalb sei es wichtig, den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, ihr Arbeitsumfeld nach ihren individuellen Bedürfnissen zu gestalten, sich aus dem organisationalen Angebot die für sie richtigen Puzzleteile herauszusuchen.
Erfolg und Entwicklung: Leistungskultur, Fehlerkultur und Zukunftsorientierung
Rangnick betonte auf der ORGATEC, dass das Verhältnis von kurzfristigem Erfolg und langfristiger Entwicklung ausgewogen sein muss. Im Fußball wie in der Arbeitswelt stünden Führungskräfte vor der Aufgabe, unmittelbar Ergebnisse zu erzielen und gleichzeitig eine tragfähige Basis für künftige Erfolge zu schaffen. „Erfolg ist planbar“, erklärte Rangnick und betonte die Notwendigkeit von Disziplin, einer klaren Vision und der Bereitschaft, Rückschläge in Kauf zu nehmen, um langfristig zu wachsen. Die Leistungskultur spiele dabei eine entscheidende Rolle. Rangnick erklärte, dass kontinuierliche Verbesserung der Schlüssel zu Spitzenleistungen sei. „Wenn wir es als Fußballmannschaft schaffen, regelmäßig mehr Torchancen zu kreieren als der Gegner, gewinnen wir in der Regel die Spiele“, sagte er. Dieses Prinzip lässt sich direkt auf die Arbeitswelt übertragen: Eine Führung, die klare Ziele setzt und die notwendigen Ressourcen bereitstellt, motiviert Teams, ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Dabei geht es nicht um Kontrolle, sondern um Unterstützung und Inspiration, die die Mitarbeiter ermutigt, über sich hinauszuwachsen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Umgang mit Fehlern. Fehler sind unvermeidlich – im Sport wie in der Wirtschaft. Entscheidend ist, wie Führungskräfte und Teams darauf reagieren. Rangnick plädierte für eine konstruktive Fehlerkultur, die darauf abzielt, aus Rückschlägen zu lernen und sich kontinuierlich zu verbessern. Dies erfordere Mut, Offenheit und klares Kommunizieren. Eine ehrliche und wertschätzende Feedbackkultur helfe Teams, an Fehlern zu wachsen und langfristig bessere Ergebnisse zu erzielen.
Fazit: Rangnicks Ansichten über Führung sind universell und bieten wertvolle Inspiration für die Arbeitswelt. Ob auf dem Spielfeld oder im Büro: Wer ein unterstützendes Umfeld schafft, klare Ziele setzt und auf Respekt und Zusammenarbeit setzt, legt den Grundstein für langfristigen Erfolg.
Work Culture Festival Impressionen
Ralf Rangnick ist ein bekannter deutscher Fußballtrainer, ‑funktionär und ehemaliger Fußballspieler. Rangnick ist bekannt für seine innovativen taktischen Ansätze und seine Fähigkeit, Teams aus unteren Ligen in die erste Liga zu führen. Die TSG 1899 Hoffenheim führte er in nur zwei Spielzeiten von der Regionalliga in die Bundesliga, mit dem FC Schalke 04 gewann er 2011 den DFB-Pokal. Von 2012 bis 2019 war Rangnick bei RB Leipzig tätig, zunächst als Sportdirektor und in den Spielzeiten 2015/16 und 2018/19 als Cheftrainer. Gleichzeitig war er von 2012 bis 2015 Sportdirektor beim FC Red Bull Salzburg. Seit Juni 2022 trainiert Rangnick die österreichische Nationalmannschaft und führte das Team souverän zur Qualifikation für die Europameisterschaft 2024. Sein taktisches Konzept, das auf maximales Pressing und schnelle Umschaltsituationen setzt, machte Österreich zum Geheimtipp. In seinen Vorträgen und Talks betont Rangnick die Bedeutung von Führung, Teamwork und Verantwortungsübernahme. Seine Führungsphilosophie basiert auf konsequenten Entscheidungen und einem ganzheitlichen Ansatz.
Titelbild: © IBA