Die Frage, was wir aus der Corona-Pandemie mitnehmen können, beleuchteten Birgit Gebhardt, Trendforscherin und Autorin der New-Work-Order-Studien, und der Gründer und Herausgeber des Magazins FRAME, Robert Thiemann, am 25. März 2021 im IBA Forum. Die beiden Experten stellten sich dabei folgende Fragen: Werden wir die Arbeit im Homeoffice auch nach der Pandemie fortführen oder geht der Trend künftig zurück ins Büro? Gibt es vielleicht einen dritten Weg, den wir in der Arbeitswelt beschreiten werden und der ganz neue Möglichkeiten bieten wird?
Arbeitswelt vor, während und nach Covid
Vor der Pandemie spielte sich der Arbeitsalltag größtenteils im Büro ab, auch wenn laut Leesman Report, der führend im Bereich der Bewertung der Arbeitsplatzeffektivität ist, 40 % der Beschäftigten das Gefühl hatten, dass ihnen ihr Arbeitsplatz nicht die Möglichkeit gab, produktiv zu arbeiten.
Mit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 wurde ein großer Teil der Arbeit ins Homeoffice verlagert. Was nach kurzer Anlaufzeit technisch gut funktionierte und sich zum Teil sogar in einer höheren Produktivität niederschlug – laut Untersuchung des Fraunhofer IAO empfanden 40 % der Beschäftigten die Arbeit im Homeoffice sogar als produktiver und fokussierter als im Büro –, machte sich auf negative Weise im zwischenmenschlichen Bereich bemerkbar. Beschäftigte vermissten in der Pandemie vor allem den Austausch mit Kollegen am Arbeitsplatz sowie die gemeinsame Projekt- und Kreativarbeit im Büro.
Birgit Gebhardt und Robert Thiemann sind davon überzeugt: Die Arbeitswelt nach Corona wird von Autonomie geprägt sein. Arbeit kann künftig an vielen Orten zu flexiblen Zeiten stattfinden. Dabei stehen die Arbeitsorte im Dienst der Gesunderhaltung der Beschäftigten und fördern ihr Wohlbefinden. Von den Nutzern werden sie danach ausgewählt, wo die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für die jeweiligen Tätigkeiten gegeben sind.
Der „dispersed workplace“, deutsch: der (auf mehrere Orte) verteilte Arbeitsplatz, ist ein greifbares Szenario für die nahe Zukunft, das für mehr Agilität und Flexibilität in Unternehmen sorgen wird.
„Dispersed Workplace“
Arbeit findet künftig hybrid und weitgehend entkoppelt von festen Arbeitszeiten und ‑plätzen statt, im Büro, im Homeoffice und an dritten Orten. Büros entwickeln sich zu Hubs. Damit bewegen wir uns weg vom Diktat der „Büroeffizienz“, das geregelte Abläufe in den Vordergrund stellt, hin zu mehr persönlicher Effizienz. Wo und wann Arbeit passiert, wird an Bedeutung verlieren. Wichtiger werden die übergeordneten Ziele und ansprechende Arbeitsorte, die ein produktives und effektives Arbeiten ermöglichen. Dabei wird die Aufgabe darin bestehen, die physische und mentale Gesundheit zu Hause zu erhalten und auch im Homeoffice weiter mit dem Unternehmen und seinen Kollegen verbunden zu bleiben.
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Third Places gewinnen an Bedeutung
Auch sogenannte Third Places werden in der neuen Arbeitswelt an Bedeutung gewinnen. Als Alternativen zu Büro und Homeoffice werden sie sich weiter etablieren und dadurch neue Formen der Meeting- und Netzwerkkultur ermöglichen. Damit könnten bald folgende Szenarien Wirklichkeit werden:
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Neighbourhood Coworking Spaces: In Vororten und in Nachbarschaftssiedlungen werden vermehrt kleinere Coworking-Zentren entstehen, in denen Beschäftigte aktiv sein können, wenn sie nicht von zu Hause aus arbeiten wollen. Gerade auch im ländlichen Raum besteht ein großes Potenzial für neue Coworking Spaces.
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Hotel + Work: Hotels werden ihr Angebot anpassen und Hotelzimmer zu Arbeitsräumen umfunktionieren, die angemietet werden können.
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Stay Long + Work: Auch Ferienunterkünfte werden eine neue Rolle einnehmen, indem sie Räume schaffen, die sich für einen kombinierten Aufenthalt eignen, also Erholungs- und Arbeitsmöglichkeiten miteinander verbinden.
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Coffee + Work: Kaffeeketten wie Starbucks und Co. werden künftig über abgetrennte Arbeitsbereiche verfügen, in denen Gäste konzentriert arbeiten können und das dafür notwendige Equipment zur Verfügung gestellt bekommen.
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Retail + Work: Beispiele aus den Niederlanden zeigen, wie sich bereits heute das Konzept von Retail and Work realisieren lässt. Ein Beispiel: Die ING-Bank in Utrecht bietet Besuchern im Foyer die Möglichkeit, Räume, Infrastruktur und technische Ausstattung zum Arbeiten zu nutzen.
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Das klassische Büro wird künftig vor allem in Form von Hub-and-Spoke-Zentren weitergeführt. Sie werden dabei zu Orten, an denen Unternehmenskultur und Gemeinschaft erlebbar sind und die gemeinsames Lernen, Zusammenarbeit, Kreativität und Innovation ermöglichen. Und: Mitarbeiter werden immer dann ins Büro kommen, wenn sie dafür einen guten Grund haben und sich dort wohlfühlen. Sprich: Wenn das Büro attraktiver als das eigene Zuhause ist.