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Nachhaltigkeit vs. Greenwashing: Wie Unternehmen echten Wandel gestalten können

Work Culture Festival

Orgatec-Panel: Nachhaltigkeit vs. Greenwashing: Wie Unternehmen echten Wandel gestalten können. Bild: IBA
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
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Nachhaltigkeit ist längst mehr als ein Schlagwort – sie ist zu einem zentralen Erfolgsfaktor für Unternehmen geworden. Doch wo endet echtes Engagement und wo beginnt Greenwashing, also das bewusste Irreführen durch falsche Nachhaltigkeitsversprechen? Diese Frage stand im Fokus des Panels „Wege zur Nachhaltigkeit vs. Greenwashing: Dos and Don’ts“ beim Work Culture Festival.

Nachhaltigkeit als unternehmerische Aufgabe

Kai-Uwe Schlegel eröffnete die Diskussion mit einem Überblick über die Herangehensweise des TÜV Rheinland LGA an das Thema Nachhaltigkeit. „Unser Ziel ist es, das Leben sicherer und nachhaltiger zu machen“, erklärte er. Der TÜV Rheinland LGA setzt auf Transparenz und unabhängige Überprüfung – ein Prinzip, das sich in der Mitgliedschaft im UN Global Compact und in der Bewertung durch Plattformen wie Ecovadis widerspiegelt. „Wir sind stolz darauf, seit 2019 den Goldstatus bei Ecovadis erreicht zu haben“, betonte er. Der TÜV Rheinland LGA versteht sich nicht nur als Dienstleister, sondern auch als Partner, der Unternehmen durch Zertifizierungen und Audits dabei unterstützt, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Von der Bewertung von Materialien bis hin zu komplexen Standards wie dem European-Level-Zertifikat für Büromöbel bietet der TÜV Rheinland LGA ein breites Spektrum an Dienstleistungen an. „Die Herausforderung besteht darin, Glaubwürdigkeit und Orientierung zu schaffen in einer Zeit, in der Greenwashing die Wahrnehmung von Nachhaltigkeit oft trübt“, sagt Schlegel.

Greenwashing: Gefahr für Vertrauen und Fortschritt

Schlegel betonte, dass Greenwashing nicht nur das Vertrauen der Verbraucher untergrabe, sondern auch den Fortschritt behindere. „Wenn Unternehmen Nachhaltigkeitsversprechen machen, die nicht haltbar sind, schadet das allen, die sich wirklich für Veränderungen einsetzen“, sagte er. Beispiele für Greenwashing gibt es in allen Branchen – von der Öl- und Gasindustrie, die ihre Investitionen in erneuerbare Energien hervorhebt, während sie weiterhin fossile Brennstoffe fördert, bis hin zu Unternehmen, die ihre eigenen Umweltsiegel kreieren, um ihre Produkte nachhaltiger erscheinen zu lassen, als sie sind.

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Nachhaltigkeit in der Möbelindustrie

Johannes Brennig von König + Neurath brachte die Perspektive eines Möbelherstellers in die Diskussion ein. Sein Unternehmen setzt seit fast einem Jahrhundert auf die Entwicklung hochwertiger Büromöbel und hat Nachhaltigkeit fest in der Unternehmensstrategie verankert. „Nachhaltigkeit ist für uns kein optionales Add-on, sondern integraler Bestandteil jedes Produkts“, betonte er. Dabei orientiert sich König + Neurath an etablierten Standards wie dem Blauen Engel und dem European-Level-Zertifikat. Brennig merkte allerdings an, dass es noch an einheitlichen Berechnungsgrundlagen für wichtige Kennzahlen wie den CO₂-Fußabdruck fehle. „Ohne vergleichbare Daten sind echte Fortschritte schwer messbar und der Wettbewerb bleibt intransparent“, erklärte er. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Kreislaufwirtschaft. Möbel sollen modular, reparierbar und langlebig sein. „Wir setzen auf Designprinzipien, die eine einfache Demontage ermöglichen und den Einsatz standardisierter Werkzeuge fördern“, so Brennig.

Transparenz und Kundenorientierung

Elena Samaras von der TAKKT AG brachte die Perspektive des Handels in die Diskussion ein. TAKKT, ein führendes Handelsunternehmen für Geschäftsausstattung mit Marken wie Kaiserkraft in Europa und nbf in den USA, hat ein eigenes Rating-System entwickelt, das Produkte nach objektiven Kriterien wie Recyclingfähigkeit und Kreislaufwirtschaft bewertet. „Unser Ziel ist es, unseren Kunden bewusste und informierte Kaufentscheidungen zu ermöglichen, ohne sie zu bevormunden“, erklärte Samaras. Sie betonte, dass Nachhaltigkeit längst kein Nischenthema mehr sei und zunehmend von Kunden gefordert werde. Große Unternehmen verlangen heute verbindliche Nachweise und Zertifikate. „Wer diese Anforderungen nicht erfüllt, ist schnell aus dem Rennen“, so Samaras. Sie warnte aber auch davor, dass Regulierungen und Zertifizierungen nicht immer mit der Geschwindigkeit mithalten können, die in der Praxis erforderlich ist. „Wir müssen darauf achten, dass die Standards praktikabel bleiben und nicht zu einer bürokratischen Übung werden“, betonte sie.

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Standardisierung und Zusammenarbeit

Ein wiederkehrendes Thema des Panels war die Notwendigkeit einheitlicher Standards und einer stärkeren Zusammenarbeit in der Branche. Brennig betonte, dass Initiativen wie die European Office Furniture Federation (FEMB) wichtige Schritte zur Standardisierung von Nachhaltigkeitskriterien in der Möbelindustrie sind. Die Entwicklung von Standards sei zwar zeitaufwendig, aber unerlässlich, um Vertrauen und Vergleichbarkeit zu schaffen. „Wir brauchen klare Definitionen, was Reparierbarkeit oder Kreislauffähigkeit bedeutet. Nur so können wir Fortschritte messen und glaubwürdige Zertifikate entwickeln“, sagte er. Die europäische Normung hat bereits einen ersten Standard zur De- und Remontagefähigkeit von Möbeln veröffentlicht. Dieser schafft die Grundlage für alle Ansätze zur Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit von Möbeln. Denn wenn das fehlerhafte oder unmoderne Teil nicht ausgetauscht werden kann, kann das gesamte Produkt nicht mehr genutzt werden.

Die Rolle des Kunden

Neben den Problemen auf Unternehmensseite wurde auch die Rolle der Kunden diskutiert. Samaras stellte fest, dass Verbraucher zunehmend nach nachhaltigen Produkten suchen und aktiv Filteroptionen nutzen, um nachhaltige Alternativen zu finden. „Das gibt Herstellern und Händlern die Möglichkeit, ihre Bemühungen sichtbar zu machen und sich durch glaubwürdige Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu differenzieren“, erklärte sie. Gleichzeitig betonte Brennig, dass die Branche weiter daran arbeiten müsse, Kunden klare und vergleichbare Informationen zur Verfügung zu stellen. „Es reicht nicht aus, nachhaltige Produkte anzubieten – wir müssen auch ihre Geschichte erzählen und sichtbar machen“, ergänzte er.

Die Panelteilnehmer waren sich einig, dass Nachhaltigkeit ein Gemeinschaftsprojekt ist, an dem Unternehmen, Verbraucher und Regulierungsbehörden gleichermaßen beteiligt sind. Kai-Uwe Schlegel brachte es auf den Punkt: „Wir können die Klimaziele nur erreichen, wenn alle Akteure zusammenarbeiten. Nachhaltigkeit ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Mit der richtigen Mischung aus Innovation, Zusammenarbeit und Transparenz kann der Weg in eine nachhaltigere Zukunft gelingen – und Greenwashing endgültig der Vergangenheit angehören.“

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Johannes Andreas Brennig ist Nachhaltigkeitsmanager der König + Neurath AG. In seinen Tätigkeitsbereich fallen die Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie, die Betreuung der Nachhaltigkeitsinitiativen, die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Produktzertifizierungen mit Nachhaltigkeitsbezug. Außerdem ist er seit 2017 Mitglied der Cradle to Cradle NGO. Weitere Informationen: koenig-neurath.com und https://www.linkedin.com/in/johannes-andreas-brennig-5b109318b/.

Elena Samaras ist Vice President Legal & Chief Compliance Officer bei der TAKKT AG, einem führenden Handelsunternehmen für Geschäftsausstattung mit Marken wie Kaiserkraft in Europa und nbf in den USA. Sie ist eine Verfechterin von Nachhaltigkeit und Produkt-Compliance und versucht, innovative Produktideen für die Arbeitswelt von morgen mit der Welle regulatorischer Anforderungen der EU und anderer Gesetzgeber in Einklang zu bringen. Weitere Informationen: takkt.de und https://www.linkedin.com/in/elena-samaras-495015163.

Kai-Uwe Schlegel ist Globaler Leiter des Technischen Kompetenzzentrums Möbel beim TÜV Rheinland LGA. Mit fast 30 Jahren Erfahrung in der Prüfung und Zertifizierung von Möbeln sowie der Entwicklung neuer Dienstleistungen hat der Holz- und Kunststofftechniker umfassende Expertise in der Branche aufgebaut. Als Nachhaltigkeitsexperte engagiert er sich in verschiedenen Gremien, darunter in der Normung „Zirkularität von Möbeln“ (DIN und CEN), und war aufseiten des TÜV Rheinland LGA maßgeblich an der Entwicklung des European-Level-Programms beteiligt, dem Nachhaltigkeitslabel des europäischen Büromöbelverbandes FEMB. Weitere Informationen: tuv.com und https://www.linkedin.com/in/kai-uwe-schlegel-globaler-leiter-technisches-kompeten-center-möbel/

Titelbild: © IBA