Michael Trautmann, Unternehmer und Mitbegründer des Podcasts On the Way to New Work, stellte auf dem Work Culture Festival die Frage, wie Arbeit so gestaltet werden kann, dass sie Menschen unterstützt und ihre Potenziale fördert. Anhand eigener Erfahrungen und Interviews aus seinem Podcast zeigte er, dass New Work nicht nur eine Frage des Arbeitsortes oder flexibler Arbeitszeiten ist, sondern einen grundlegenden Wandel des Arbeitsverständnisses erfordert.
Auf der Suche nach einem neuen Verständnis von Arbeit
Trautmann beschreibt seine Auseinandersetzung mit dem Thema New Work als einen über siebenjährigen persönlichen Prozess, der mit der Suche nach einem geeigneten Büro für seine Agentur begann. In dieser Zeit hat er mehr als 450 Gespräche mit Menschen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft geführt, die unterschiedliche Perspektiven auf die Arbeitswelt von morgen einbringen. Für ihn ist New Work eine notwendige Antwort auf Entwicklungen wie den Fachkräftemangel, die wachsende Unzufriedenheit in der Arbeitswelt und den Wunsch nach sinnstiftender Arbeit. Er verwies auf die Gallup-Studie, nach der 19 % der Arbeitnehmer in Deutschland innerlich gekündigt haben und 69 % nur noch Dienst nach Vorschrift machen.
New Work als umfassender Ansatz
Michael Trautmann versteht New Work als umfassenden Ansatz, der weit über flexible Arbeitszeitmodelle oder das Arbeiten im Homeoffice hinausgeht. Im Zentrum steht die grundlegende Frage nach dem Sinn und Zweck von Arbeit. Unternehmen, die sich klar positionieren und einem übergeordneten Ziel folgen, so genannte Purpose-Driven Organisations, erzielen laut Trautmann nicht nur schnelleres Wachstum, sondern auch eine höhere Mitarbeiterbindung. New Work bedeutet demnach, Arbeit auf individueller, kollektiver und gesellschaftlicher Ebene neu zu denken. Trautmann strukturiert diesen Ansatz in drei Stufen: Better Me beschreibt die persönliche Auseinandersetzung mit den eigenen Fähigkeiten, Werten und Bedürfnissen. Better We fokussiert auf die Verbesserung der Zusammenarbeit im Team, basierend auf Vertrauen und einer offenen Feedbackkultur. Better Society schließlich steht für die Verantwortung von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft, etwa durch Beiträge zu sozialer Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit oder Bildung.
Psychologische Sicherheit als Grundlage für erfolgreiche Teamarbeit
Ein weiteres Thema war die Frage, wie Teams in einer komplexen Arbeitswelt effektiv zusammenarbeiten können. Trautmann verwies auf die Google-Studie „Project Aristotle“, die psychologische Sicherheit als wichtigsten Erfolgsfaktor identifiziert habe, noch vor klaren Zielen, Rollen und Verlässlichkeit im Team. Psychologische Sicherheit beschreibt das Vertrauen, eigene Ideen, Zweifel und Kritik offen äußern zu können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Nur in einem solchen Umfeld sind kontinuierliches Lernen und echte Innovation möglich. Entscheidend ist, dass auch kritische Beiträge willkommen sind und Fehler als Lernchancen begriffen werden. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Führungskräften zu, die selbst offen mit Unsicherheiten umgehen und kritische Beiträge wertschätzen. Psychologische Sicherheit bedeutet dabei nicht, Konflikte zu vermeiden, sondern einen offenen und konstruktiven Umgang mit unterschiedlichen Perspektiven zu fördern.
Führungskultur im Wandel
Anhand der Geschichte von Insa Klasing, ehemalige CEO von KFC Deutschland, zeigte Michael Trautmann, wie sich klassische Führungsbilder verändern. Nach einem Reitunfall musste sich Klasing für mehrere Wochen aus dem Arbeitsalltag zurückziehen, eine Situation, die sie sich vorher kaum vorstellen konnte. Doch statt still zu stehen, funktionierte das Unternehmen weiter: Ihre Führungsteams übernahmen Verantwortung, trafen eigenständig Entscheidungen und arbeiteten effektiv. Diese Erfahrung führte Klasing zu einem neuen Führungsmodell, das auf Vertrauen und Autonomie basiert. Die Rolle der Führungskraft wandelt sich: Statt alles zu kontrollieren, setzt sie klare Ziele und Rahmenbedingungen, während das Wie, Wann und Wo der Umsetzung den Teams überlassen bleibt. Führungskräfte werden zu Ermöglichern, die Hindernisse aus dem Weg räumen, Ressourcen bereitstellen und den organisatorischen Rahmen setzen, in dem die Teams eigenverantwortlich arbeiten können. Dieses Führungsverständnis setzt Vertrauen voraus und verändert die Rolle der Führungskraft grundlegend. Weg vom klassischen Entscheider, hin zum Coach und Begleiter, der die Entwicklung der Teams fördert und die Eigenverantwortung stärkt.
Führung neu denken: Zwischen Vertrauen und Auftrag
Die Diskussion weitete sich auf zentrale Fragen der Führungskultur aus, insbesondere auf die Frage, wie Verantwortung wirksam geteilt und wahrgenommen werden kann. Peter Tauber griff das aus der Bundeswehr stammende Prinzip der Auftragstaktik auf: Ein Modell, bei dem nicht die detaillierte Kontrolle im Vordergrund steht, sondern die präzise Vermittlung eines übergeordneten Ziels. Der Weg zur Umsetzung wird dem jeweiligen Team überlassen, im Vertrauen darauf, dass die Beteiligten situationsgerecht, eigenverantwortlich und kompetent handeln. Der entscheidende Erfolgsfaktor ist dabei weniger das Ausmaß der Kontrolle, sondern die Klarheit über Sinn und Ziel sowie die Bereitschaft, Verantwortung tatsächlich abzugeben. Ursula Hertewich stellte dem ein Modell aus der klösterlichen Praxis gegenüber: Auch dort gebe es Hierarchien, aber zunehmend werde eine kollektive Beteiligung an der Zielentwicklung angestrebt. Entscheidungsprozesse verlaufen dialogisch, oft unter Einbeziehung vielfältiger Perspektiven innerhalb der Gemeinschaft. In ihrer Gemeinschaft sei es mittlerweile selbstverständlich, dass Führung eher moderierend als anweisend wirke, ein Wandel, der nicht immer reibungslos verlaufe, aber neue Potenziale freisetze: für Kreativität, gegenseitiges Lernen und geteilte Verantwortung.
Zum Abschluss seines Vortrags betonte Michael Trautmann, dass New Work nicht bei Fragen der Arbeitszeit oder der Raumgestaltung stehen bleiben dürfe. Vielmehr gehe es darum, Arbeit im Kontext gesellschaftlicher Verantwortung neu zu denken. Unternehmen seien gefordert, einen aktiven Beitrag zu den großen Herausforderungen unserer Zeit zu leisten, etwa in den Bereichen Klimaschutz, Bildung oder soziale Teilhabe. Als Bild für eine zukunftsorientierte Arbeitswelt wählte Trautmann den Kreisverkehr: Statt auf starre Regeln und Kontrolle zu setzen, sollten Unternehmen Freiräume schaffen, in denen Mitarbeiter eigenverantwortlich handeln können. Vertrauen werde zum zentralen Prinzip. Die Gestaltung der Arbeitswelt sei dabei kein abgeschlossener Prozess, sondern ein kontinuierlicher Weg, offen für alle, die sich beteiligen wollen