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Wie verändert sich Führung in der neuen Arbeitswelt?

Nachgefragt

Jasmin Najiyya Jasmin Najiyya ·
6 Minuten

Führung ist heute keine Frage des Titels mehr, sondern der Haltung. In einer Arbeitswelt, die sich rasant wandelt und von technologischen Entwicklungen, gesellschaftlichen Veränderungen und neuen Mitarbeitererwartungen geprägt ist, reicht klassische Managementkompetenz nicht mehr aus. Es braucht echte Führung, geprägt von Klarheit, Dialogbereitschaft und dem Mut, Verantwortung zu teilen.

Was Führung heute ausmacht, wurde beim Work Culture Festival 2024 intensiv diskutiert. Die Beiträge von Yaël Meier, Nicole Langosch, Frauke von Polier oder Ralf Rangnick zeigen: Gute Führung beginnt dort, wo Menschen zuhören, gemeinsam gestalten und sich selbst nicht zu wichtig nehmen. Es geht weniger um das Was als um das Wie. Wie wird kommuniziert? Wie werden Mitarbeiter eingebunden? Wie geht man mit Konflikten, Fehlern und Unsicherheit um? Der Versuch einer Einordnung.

Generationendialog: Gemeinsam statt gegeneinander

Im Live-Podcast „Zoomer meets Boomer“ wurde deutlich: Gute Zusammenarbeit ist keine Alters‑, sondern eine Haltungsfrage. Die Gen Z bringt neue Perspektiven, digitale Selbstverständlichkeit und eine starke Sinnorientierung mit. Sie fordert nicht nur Gehör, sondern auch echte Mitgestaltung. Die ältere Generation bringt Erfahrung, Struktur und Weitblick mit. Wenn beide Seiten bereit sind, voneinander zu lernen, entsteht ein echter Mehrwert für Unternehmen. Voraussetzungen dafür sind ein Dialog auf Augenhöhe, gegenseitiger Respekt und eine Führungskultur, die Vielfalt nicht nur zulässt, sondern gezielt fördert.

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Führung heißt Zuhören, nicht Ansagen machen

Nicole Langosch, erste Kreuzfahrtkapitänin Deutschlands, beschreibt ihre Führungsrolle als eine, die auf Vertrauen, Teamarbeit und klare Kommunikation setzt. Sie weiß: Entscheidungen werden besser, wenn unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden. Ihr Credo: „Führung ist Verantwortung, aber niemals ein Alleingang.“ Der Transfer in die Arbeitswelt ist klar: Wer Teams in komplexen Situationen führen will, braucht eine offene Feedbackkultur, strukturierte Entscheidungsprozesse und psychologische Sicherheit. Mitarbeiter müssen wissen: Meine Meinung ist erwünscht, meine Kritik willkommen. Nur so entstehen kreative Lösungen und nachhaltige Entscheidungen.

Führung durch Haltung und Entwicklung

Auch Fußballtrainer Ralf Rangnick betonte in seiner Keynote, dass gute Führung weniger mit Autorität als vielmehr mit Entwicklung zu tun hat – und mit dem ehrlichen Interesse, Menschen zu fördern. Das bedeutet, Potenziale zu erkennen und diese langfristig zu fördern und dabei klare Werte zu vertreten. Erfolg entsteht nicht durch kurzfristige Entscheidungen, sondern durch nachhaltige Beziehungspflege und die richtige Haltung. Personalverantwortung heißt auch, die richtigen Bedingungen zu schaffen, in denen Talente sich entfalten können, also ganz konkret: zuhören, begleiten, aber auch konsequent entscheiden, wenn es nötig ist. Diese Mischung aus Klarheit und Entwicklung ist heute nicht nur im Sport entscheidend, sondern auch für viele Organisationen.

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Psychologische Sicherheit als Innovationsmotor

Michael Trautmann, Mitgründer des Podcasts „On the Way to New Work“, verweist auf das „Project Aristotle“ von Google. Demnach ist psychologische Sicherheit der wichtigste Erfolgsfaktor für funktionierende Teams. Wer ohne Angst eigene Ideen, Zweifel oder Fehler ansprechen kann, arbeitet besser, kreativer und engagierter. Führungskräfte haben hier eine Scharnierfunktion: Sie sollten nicht nur Feedback einfordern, sondern aktiv ein Umfeld schaffen, in dem Vertrauen entstehen kann. Dazu gehört auch, eigene Unsicherheiten zu teilen und andere zu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen.

Trophy Office: Das Büro als kultureller Resonanzraum

Auch der physische Raum spielt eine Rolle. Yaël Meier beschreibt ihr „Trophy Office“ nicht als Ort der Kontrolle, sondern als Ausdruck von Stolz, Zusammenhalt und Identität. „Man ist stolz, ein Büro zu haben. Nicht, weil man muss, sondern weil man will“, sagt sie. Das physische Büro wird so zum kulturellen Anker: Es schafft Raum für Begegnung, informellen Austausch und ein Wir-Gefühl, das digitale Formate nur schwer erzeugen können. Räume, die sich wie ein zweites Zuhause anfühlen, Café-Ecken für spontane Ideen, Orte der Konzentration und der Verbindung – das Büro als Resonanzkörper für Unternehmenskultur.

Führung als Ko-Kreation: Empowerment statt Anweisung

Frauke von Polier bringt es auf den Punkt: „Leadership ist ein Prozess, kein Zustand.“ Wer heute führt, muss reflektiert, authentisch und anpassungsfähig sein. Führung bedeutet, Verantwortung zu geben und nicht nur zu tragen. Gerade jüngere Generationen wollen nicht nur mitarbeiten, sondern mitgestalten. Das heißt: echte Beteiligung, klare Werte, transparente Kommunikation. Nicht über junge Mitarbeiter sprechen, sondern mit ihnen. Und auch wenn es unbequem ist, Verantwortung abgeben. Vielfalt im Team sollte nicht als Sonderfall, sondern als Normalität begriffen werden. Zugleich betont von Polier, dass moderne Führung immer auch Arbeit an sich selbst bedeutet. Selbstführung, die Bereitschaft zur Weiterentwicklung und emotionale Intelligenz werden dabei zu zentralen Kompetenzen. In einer Welt, in der Wandel zum Alltag gehört, braucht es Führungskräfte, die Sicherheit durch ihre Haltung vermitteln, nicht durch ihren Status. Denn Teams orientieren sich an Menschen, nicht an Positionen. Umso wichtiger ist es deshalb, als Führungsperson greifbar und lernbereit zu bleiben.

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Führung mit Sinn und Verantwortung

Einen besonderen Perspektivwechsel bot das Gespräch zwischen Peter Tauber, ehemaliger CDU-Generalsekretär, und Schwester Ursula. Beide betonten, dass Führung nicht nur Organisation, sondern immer auch Dienst am Menschen sei, geprägt von Haltung, Demut und Verantwortung. Gerade in unsicheren Zeiten komme es darauf an, Orientierung zu geben, auch wenn man nicht alle Antworten kennt. Sinnstiftung sei kein Bonus, sondern ein zentrales Führungsinstrument, so ihre Botschaft. Das bedeute auch, sich selbst zurückzunehmen, zuzuhören und das Gegenüber unabhängig von Funktion oder Hierarchie ernst zu nehmen. Für Schwester Ursula ist Führung zudem untrennbar mit Fürsorge verbunden. Wer führt, begleitet. Wer begleitet, trägt mit. Diese Haltung lässt sich auch auf wirtschaftliche Kontexte, etwa im Gesundheitswesen, in Bildungseinrichtungen oder bei sozialen Trägern, übertragen. Doch auch für die Wirtschaft bietet sie Impulse: Wenn Unternehmen Menschen und Beziehungen ins Zentrum rücken, entstehen resilientere, tragfähigere Strukturen.

Was folgt daraus für Unternehmen? In jedem Fall eine Neudefinition des Begriffs Führung: Führung als Ermöglichung, nicht als Kontrolle. Als Beziehungsarbeit, nicht als Anweisung. Das setzt voraus, dass Vertrauen nicht vorausgesetzt, sondern gestaltet wird. Durch Klarheit, durch Zuhören, durch echtes Interesse an Menschen. Und durch Räume, physisch wie zwischenmenschlich, in denen Unterschiedlichkeit zur Ressource wird. Ob Boomer oder Zoomer, ob am Schreibtisch oder auf dem Schiff: Gute Führung beginnt mit dem Mut, nicht alles zu wissen, aber gemeinsam mehr zu erkennen. Oder wie Yaël Meier sagt: „Mach das!“

Die kompletten Artikel und Interviews lesen Sie unter:

Nicole Langosch: https://iba.online/newsroom/perspektiven/fuehren-in-komplexen-situationen-kapitaenin-nicole-langosch-im-gespraech/

Yaël Meier: https://iba.online/newsroom/themen/zoomer-meets-boomer-bruecken-bauen-zwischen-den-generationen/

Frauke von Polier: https://iba.online/newsroom/themen/frauke-von-polier-human-experience-management-und-fuehrung-als-erfolgsfaktoren-fuer-transformation/

Ralf Rangnick: https://iba.online/newsroom/perspektiven/fuehrung-und-team-ralf-rangnicks-lehren-fur-die-arbeitswelt/

Peter Tauber und Schwester Ursula: https://iba.online/newsroom/perspektiven/vom-mut-neue-wege-zu-gehen-ueber-arbeit-sinn-und-wandel/
Michael Trautmann:
https://iba.online/newsroom/perspektiven/new-work-wenn-arbeit-zu-etwas-wird-das-menschen-staerkt/

Titelbild: Adobe Firefly