„Businessmode: Anzug oder Hoodie?“ war das übergeordnete Thema eines Personalmagazin-Talks aus dem Jahr 2021, bei dem Prof. Dr. Thomas-Breyer-Mayländer mit Prof. Dr. Barbara Vinken, Thomas Wartner und Katharina Schmitt, Redakteurin des Personalmagazins, über aktuelle Trends und die veränderte Bedeutung von Business-Mode diskutierte. Die Pandemie ist vorüber und damit stellt sich die Frage, wie es im Büro mit dem Business-Dresscode weitergeht. Haben Anzug, Hemd, Krawatte für Männer sowie Kostüm und Bluse für Frauen ausgedient? Oder geht es zurück zu Altbewährtem? Die IBA Redaktion fragt bei Prof. Dr. Thomas Breyer-Mayländer nach.
Herr Professor Dr. Breyer-Mayländer, ist in einer modernen Arbeitswelt mit Hybrid Work, Homeoffice und alternativen Arbeitsorten Ihrer Meinung nach formale Business-Kleidung überhaupt noch angemessen?
Wir erleben eine deutliche Veränderung bei der Business-Kleidung. Wenn sich die Tochtergesellschaften etablierter deutscher Industrieunternehmen eine Kleiderordnung geben, die auf Hoodies basiert, um in direktem Wettbewerb zu Tech-Firmen optisch nicht ins Hintertreffen zu geraten, hat das Folgen für alle Partnerunternehmen, die diesen Dresscode wahrnehmen und ebenfalls für sich übernehmen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass formale Business-Kleidung nicht mehr gefragt ist. Mit Anzug oder Kostüm kann man nun einen bewussten Kontrapunkt setzen, der bei vielen Konferenzen oder Branchenanlässen auch nach wie vor eher als Standard gilt.
In Ihrem Buch „Führung braucht Klarheit“ beschreiben Sie, dass sich erfolgreiche Führungskräfte ihrer Rolle, ihres Stils und ihrer Ziele klar sein müssen. Wie wirken Kleidung und Dresscodes in Unternehmen und inwieweit unterstützen sie die Ausübung von Führungsaufgaben?
Für Führungskräfte ist es zunächst entscheidend im Blick zu behalten, dass alles, was sie tun und nicht tun (man kann ja im Sinne von Watzlawick nicht nicht kommunizieren) eine Wirkung hat. Führungskräfte werden sehr viel genauer als normale Kolleginnen und Kollegen unter die Lupe genommen. Die Signale vonseiten der Führungskräfte werden direkt von den Kolleginnen und Kollegen interpretiert. Sie sind in gewissem Sinne Vorbild. Das gilt auch insbesondere für ihre Kleidung. Man kann sich daher als Führungskraft bewusst für eine Abgrenzung entscheiden oder aber man beschließt, sich auch bei der Kleidung dem Team anzunähern, um Teil des Ganzen zu sein und so flache Hierarchien auch auf dieser Ebene zu signalisieren. Im Unternehmen selbst können Kleidung und Dresscode für ein Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb einer Gruppe sorgen. Das können einzelne Teams oder Abteilungen oder aber auch komplette Unternehmensbereiche und Unternehmen sein. Wichtig ist, dass Führungskräfte ihre Gestaltungsmöglichkeiten bei Anrede, Kleidung etc. nutzen, um ihre Rolle bewusst zu definieren, und damit beispielsweise die bewusste Definition von Nähe und Distanz unterstützen.
Lesen Sie auch
Woran können sich insbesondere jüngere Mitarbeitergenerationen bei der Frage angemessener Business-Kleidung orientieren? Wie wichtig ist in diesem Fall eine Vorbildfunktion?
Bei jüngeren Mitarbeitenden ist im Regelfall der Ankerpunkt auf der Ebene der Kolleginnen und Kollegen maßgeblich. Wie kleiden sich Kolleginnen und Kollegen, deren Rolle man im Team, aber auch gegenüber Vorgesetzten als positiv erlebt? Dann kann man selbst, entsprechend dem eigenen Anspruch an Kleidung oder nonverbale Signale, entscheiden, wie man in diesem Umfeld für sich definiert, was passende Kleidung ist und den persönlichen Stil ausmacht. Dies kann auch eher formale Kleidung sein, bei der man bestimmte Elemente wie ein Sakko mit Einstecktuch schon fast als ironisches Zitat verwendet.
Welchen Beitrag leistet Business Kleidung zur Unternehmenskultur? Ist eine Aufweichung strenger Business-Dresscodes und damit eine individuelle Bekleidungskultur im Büro sinnvoll?
Bei der Frage nach Individualität und Konformitätszwang von Business-Kleidung haben wir derzeit zwei Bewegungsrichtungen. Es sind zurzeit eher die Firmen, die von der traditionellen Anzugkultur weg wollen, die mit Corporate Hoodies für einen sehr viel größeren Konformitätsdruck sorgen als die Unternehmen, die klassische Business-Damen- und Herrenmode als Standard annehmen. Diesen scheinbaren Widerspruch kann man dann auflösen, wenn man der Frage nachgeht, woher der Wunsch nach einer radikalen Veränderung der Corporate Culture im Bereich Kleidung stammt. Ziel ist es hier bei der Weiterentwicklung der Unternehmenskultur hin zu einer agileren und digitaleren Kultur mit flacheren Hierarchien, mehr Selbstverantwortung und unternehmerischen Handlungsspielräumen im Sinne einer Entrepreneurial Culture die Ebene der Artefakte, das heißt der direkt sichtbaren Verkörperungen von Unternehmenskultur bewusst zu verändern. Kleidung ist hier ein ganz wesentliches Element, das unmittelbar sichtbar und erlebbar ist.
Wohin geht die Reise bei Business-Dresscodes in den nächsten Jahren?
Kleidung als Kulturfaktor wird auch künftig eine entscheidende Rolle spielen. Hier werden am Ende auch die enger werdenden Personalmärkte dafür sorgen, dass Unternehmen sich überlegen werden, wie sie für welche Art von Bewerberinnen und Bewerber attraktiv bleiben oder werden. Aus der Perspektive der Führungskräfte ist es wichtig, sich der Bedeutung von Kleidung als Baustein der Führungs- und Unternehmenskultur bewusst zu sein. Dies kann in beide Richtungen funktionieren: Hoodie, Jeans und Sneakers können genauso gut funktionieren wie der dreiteilige Anzug mit Weste oder das Kostüm. Es kommt auf die Botschaft an, die man mit der Wahl des Kleidungsstils senden möchte.
Herr Prof. Dr. Breyer-Mayländer, vielen Dank für das Gespräch.