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Der Wert einer guten Arbeitsatmosphäre: Interview mit Robert Thiemann, FRAME Interior Design Magazin

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Robert Thiemann, FRAME
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IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
5 Minuten

Immer mehr Unternehmen erkennen den Wert einer guten Arbeitsatmosphäre. Damit das Büro weiterhin für Mitarbeiter attraktiv bleibt, gilt es künftig einen Rahmen zu schaffen, in dem sich jeder behaglich und wohlfühlt – und produktiv sein kann. Stichwort: Corporate Hospitality. Wie sich Gastfreundschaft und Gastlichkeit mit Raumgestaltung umsetzen lässt und was das Büro von Gastronomie und Hotellerie lernen kann, erörtert die IBA Forum Redaktion im Gespräch mit Robert Thiemann, Gründer und Herausgeber des Interior-Design-Magazins FRAME.

Menschen halten sich gern an Orten auf, die sie freundlich empfangen und ihnen eine hohe Aufenthaltsqualität bieten. Wie wohl können sich Mitarbeiter derzeit in ihren Büros fühlen?

 

Menschen können sich sehr wohl im Büro fühlen, wenn es spezifische Qualitäten besitzt. Wir sprechen hier vor allem von der Aufenthaltsqualität. Also von einem Angebot an Räumen und Gestaltungen, die eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit ermöglichen, in denen sich gute Meetings abhalten lassen und in denen Kollegen zum Essen zusammenkommen können. Eine Diversität an Atmosphären und Begegnungsarten ist das, was Räume mit einer hohen Aufenthaltsqualität ausmacht. Leider haben im Moment nicht alle Büros diese Qualitäten. Aber es wird immer besser.

Für wie bedeutend hältst du das Thema Corporate Hospitality und warum?

 

Wenn man über Aufenthaltsqualität als eine Grundvoraussetzung begreift, damit sich Mitarbeiter wohlfühlen, dann kann das, was wir aus Hotellerie und Gastronomie lernen, sehr inspirierend für das Büro sein. Hier dreht sich alles um das Thema Aufenthaltsqualität. Gäste werden willkommen geheißen, angenehm empfangen und ihre Bedürfnisse werden genährt. Diese Grundprinzipien auf das Büro zu übertragen, kann physischen Raum wieder attraktiver machen. Mitarbeiter sollten sich wohlfühlen können, ihre Bedürfnisse gesehen und gehört werden. Es muss dem Büro künftig gelingen, mit unterschiedlichen Raumangeboten und Zonen den Mitarbeitern eine Auswahl zu bieten, damit sie ihre Arbeit und Arbeitsweisen autonomer und individueller gestalten können. Es braucht insgesamt mehr Diversität bei Räumen und Arbeitsangeboten.

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Wie entsteht eine einladende Raumatmosphäre? Was ist die Zauberformel für ein gelungenes, unverwechselbares Ambiente?

 

Eine Zauberformel gibt es leider nicht. Zudem ist es sehr individuell, was als angenehm empfunden wird oder nicht. Eine einladende Raumatmosphäre fängt für mich damit an, Mitarbeiter frühzeitig in den Gestaltungsprozess einzubinden. Die sogenannte Co-Kreation gibt Unternehmen die Chance, bedürfnis- und nutzerorientierte Büros zu gestalten, die das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken und Menschen das Ambiente bieten, das sie für die Ausübung ihrer Tätigkeiten benötigen. Auch biophile Design-Elemente, sprich Grün, Natur und Pflanzen, tragen zu einem gelungenen Ambiente bei. Wichtig ist es, mit den Nutzern in Dialog zu treten und geschlossene Atmosphären zu schaffen, die von den Mitarbeitern als angenehm empfunden werden.

An welchen Designprinzipien können sich Unternehmen orientieren, die ihre Büros mit mehr Wohlfühlatmosphäre und Employee Experience anreichern wollen?

 

Es sollte für Unternehmen zur Priorität werden, auf die Qualität von Raumgestaltung zu achten. Für mich gehören dazu folgende Designprinzipien:

Co-Kreation: Mitarbeiter in den Gestaltungsprozess einbinden

Agilität: Schaffung eines diversen Raumangebots, das sich geänderten Raum-Anforderungen flexibel anpassen lässt

Nachhaltigkeit: Raumdesign nach der Maxime „Reduzieren, wiederverwenden und wiederverwerten“

Wellbeing: Neurodiverse Raumgestaltung, die das individuelle Wohlbefinden und den persönlichen Komfort in den Vordergrund rückt

EX (Employee Experience): Angebot physischer Erfahrungen und Erlebnisse, die die Werte und die Kultur eines Unternehmens widerspiegeln

Für wie wichtig hältst du den „Erlebnisraum“ Büro in Bezug auf Mitarbeiterzufriedenheit und ‑bindung?

 

Raumgestaltung ist ein wichtiger, wenngleich nicht der einzige Faktor, um Talente zu rekrutieren und an Unternehmen zu binden. Raumdesign spielt nicht nur insofern eine Rolle, wie ein Raum konkret aussieht, sondern vor allem auch, was man damit machen kann. Es geht um die Programmierung des Raums. Das heißt, wie müssen Räume gestaltet werden, um unterschiedliche Nutzungen zu ermöglichen? Wenn man sich im Unternehmen immer montags um 9 Uhr zu einem Weekly trifft, täglich um 11 Uhr für einen gemeinsamen Kaffee zusammenkommen will, sich nachmittags um 16 Uhr zu einer Yoga-Session verabredet, aber zwischen 14 und 16 Uhr konzentriertes Arbeiten möglich sein soll, muss der Raum das auch hergeben. Wir müssen Raum künftig mehr als eine Art Tool betrachten, mit dessen Hilfe sich unterschiedliche Zwecke erfüllen lassen und mit dessen Unterstützung Menschen im Sinne eines Community-Managements zusammengebracht werden können.

Räume für Gastfreundschaft

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Welches sind derzeit die wichtigsten Design-Trends in Gastronomie und Hotellerie? Und was bedeutet das konkret für Unternehmen?

 

Neu beim Design in Hotellerie und Gastronomie ist vor allem, alles auf eine nachhaltigere Weise zu tun. Zirkuläre, resiliente Raumlösungen zu gestalten, die Menschen eine einzigartige Erfahrung bieten und sie mehr denn je zum Teilnehmer als zum Konsumenten werden lassen, war noch nie so ausgeprägt. Für Unternehmen heißt das, Mitarbeiter Räume nicht nur nutzen zu lassen, sondern ihnen auch die Möglichkeit zu aktiver Teilnahme zu geben. Sei es, durch ihre Mitwirkung bei der Raumgestaltung, durch selbst organisierte Events oder durch neue Rollen wie die eines Community-Managers. Unternehmen schlüpfen dabei in die Rolle des Gastgebers, der Mitarbeitern eine Fülle an unterschiedlichen Räumen und Aufenthaltsqualitäten anbietet; die unterschiedlichen Erfahrungen der Mitarbeiter tragen dann dazu bei, dass sich Menschen wohlfühlen und gern wiederkommen.

Robert Thiemann ist der Gründer und Herausgeber von FRAME, einer internationalen Plattform für Innenarchitektur. FRAME zielt darauf ab, mit dem FRAME-Magazin, Büchern, einer Online-Plattform, Veranstaltungen und Awards herausragendes Interior-Design zu fördern.

Titelbild: Robert Thiemann