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Energizing the Workspace: Ist Gastfreundschaft der Schlüssel?

Work Culture Festival

Panel: Energizing the Workspace. Bild: IBA
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
7 Minuten

Das Büro ist schon lange nicht mehr nur ein Ort der reinen Leistungserbringung. Vielmehr entwickelt es sich zunehmend zu einem sozialen Raum, der Begegnungen, Kreativität und Wohlbefinden fördern soll. Doch wie lässt sich dieser Wandel gestalten? Kann die Hotellerie mit ihrem Fokus auf Gastfreundschaft und Erlebnisse eine Inspiration sein, um Büros attraktiver zu machen? Diesen Fragen widmete sich das Panel „Energizing the Workspace: Is Hospitality the Key?“ beim Work Culture Festival 2024, moderiert von Robert Thiemann. Mit auf der Bühne waren Werner Aisslinger, David Kulen, Anke Otterbeck und Jason Steere. Vier Experten, die aus unterschiedlichen Perspektiven über die Zukunft der Arbeitsumgebungen diskutierten.

Hospitality als Inspirationsquelle

Den Auftakt des Panels übernahm Jason Steere, ehemals Design Director bei The Social Hub, einem internationalen Hybridkonzept, das Hotel, Co-Working-Space und Community-Plattform miteinander verbindet. Aus seiner Perspektive ist Gastfreundschaft ein entscheidender Faktor für die Attraktivität moderner Arbeitswelten. Steere schilderte, wie The Social Hub die eigenen Arbeitsbereiche als Experimentierfeld nutzte, um neue Ideen und Konzepte direkt im Alltag zu erproben. Co-Working-Flächen, integrierte Cafés und flexibel nutzbare Zonen dienten dabei nicht nur den Mitarbeitern, sondern auch als Innovationslabor für künftige Angebote. Seine zentrale Botschaft: Ein Büro wird erst dann zu einem Ort, den Menschen aufsuchen möchten, wenn es mehr als reine Funktionalität bietet. „Erlebnisse schaffen Gemeinschaft.“ Mit diesem Ansatz sollen Räume zu Treffpunkten werden, an denen Interaktion, Austausch und Inspiration gefördert werden. Design sei zwar die Basis dafür, doch wirklich lebendig werde ein Arbeitsplatz durch Community-Building: Veranstaltungen, kuratierte Begegnungen oder kulturelle Programme, die den sozialen Zusammenhalt stärken und eine besondere Atmosphäre schaffen.

Atmosphäre als Magnet

Anke Otterbeck, Leiterin des Projekt- und Gebäudemanagements der Handelsblatt Media Group, betonte, wie wichtig es ist, das Büro über seinen reinen Arbeitszweck hinauszudenken. So richtet das Unternehmen beispielsweise Kundenseminare und Kongresse bewusst in den eigenen Räumen und nicht in Hotels aus. „An Veranstaltungstagen ist das Haus spürbar voller. Viele Kolleginnen und Kollegen kommen dann gern ins Büro, weil sie die besondere Atmosphäre schätzen und zugleich von den Inhalten profitieren“, erklärte Otterbeck. Dieser Ansatz zeigt, wie gezielte Impulse und Eventformate dazu beitragen können, das Büro als Ort der Begegnung und Inspiration zu etablieren. Es wird zu einem Raum, in dem nicht nur gearbeitet, sondern auch gelernt und vernetzt wird. Ein entscheidender Mehrwert im Vergleich zum Homeoffice.

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Design und Storytelling

Designer Werner Aisslinger hob in der Diskussion hervor, dass Arbeits- und Lebensbereiche zunehmend miteinander verschmelzen. Bei der Raumgestaltung gehe es für ihn längst nicht mehr allein um Funktionalität, sondern um Storytelling, Emotion und Begeisterung. „Ein Hotel darf jeden Winkel inszenieren, ein Büro muss dagegen langfristig funktionieren und Konzentration ermöglichen“, erklärte Aisslinger. Der Schlüssel liege darin, Inspirationszonen und Rückzugsräume klug auszubalancieren. Kommunikative Bereiche sollten Neugier und Austausch fördern, während stille Arbeitsbereiche Konzentration und Effizienz unterstützen. Für Aisslinger ist es essenziell, dass Räume nicht nur ästhetisch überzeugen, sondern auch die kulturellen Werte und die Identität eines Unternehmens erlebbar machen.

Hospitality beginnt im Detail

David Kulen, Kreativdirektor des Amsterdamer Designstudios Powerplant, lenkte den Blick auf einen Aspekt, der im Büroalltag oft unterschätzt wird: die Bedeutung von Essen und Getränken als Teil der Arbeitskultur. „Hospitality im Büro bedeutet weit mehr als eine ansprechende Gestaltung. Es sind die kleinen, aber entscheidenden Elemente, die das Wohlbefinden prägen: vom hochwertigen Kaffee bis zu gesunden Alternativen wie Matcha oder pflanzlichen Drinks“, erklärte Kulen. Sein Ansatz ist es, das Büro als ganzheitliches Erlebnis zu denken. Gastronomie, Raumgestaltung und Markenidentität sollen dabei nicht als getrennte Bereiche betrachtet werden, sondern als ineinandergreifende Faktoren, die gemeinsam eine inspirierende Arbeitsumgebung schaffen. „Wenn wir verstehen, wie Menschen einen Raum nutzen, und ihnen ein durchdachtes, attraktives Angebot machen, wird das Büro zu einem Ort, den sie gern aufsuchen. Nicht weil sie müssen, sondern weil sie wollen“, so Kulen.

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Die Rolle von Technologie

Neben Design und kulinarischen Angeboten können auch digitale Tools dazu beitragen, Büros lebendiger und individueller zu gestalten. Jason Steere und David Kulen betonten, dass Technologien wie Apps zur Raum- und Arbeitsplatzbuchung, personalisierte Empfehlungen oder Gamification-Ansätze – etwa Bonuspunkte für Anwesenheit oder Bewegung – das Nutzererlebnis deutlich verbessern können. Solche digitalen Lösungen könnten das Büro zu einem interaktiven Raum machen, in dem Mitarbeiter Informationen, Services und Events mit wenigen Klicks abrufen können. In Deutschland stoßen diese Ideen jedoch nicht selten an regulatorische Grenzen, beispielsweise durch strenge Datenschutzrichtlinien. „Gerade hier ist es wichtig, zwischen Innovation und den berechtigten Anforderungen an Sicherheit und Privatsphäre eine Balance zu finden“, ergänzte Steere.

Hospitality ist kein Einheitsrezept

Eines wurde im Panel schnell deutlich: Gastfreundschaft im Büro lässt sich nicht nach einem festen Muster umsetzen. Vielmehr erfordert sie ein genaues Verständnis der Menschen, die den Raum nutzen. „Es geht immer darum, die Kultur und die Bedürfnisse zu verstehen“, betonte David Kulen. Nur so lasse sich eine Arbeitsumgebung schaffen, die echten Mehrwert bietet. Auch Jason Steere hob hervor, dass echte Innovation nicht allein aus der Abfrage bekannter Wünsche entsteht: „Die spannendsten Konzepte sind oft diejenigen, die etwas bieten, von dem die Nutzer gar nicht wussten, dass sie es brauchen.“ Gastfreundschaft bedeutet in diesem Kontext nicht Luxus, sondern Wertschätzung. Es bedeutet, sich willkommen zu fühlen und gern Zeit im Büro zu verbringen. Moderator Robert Thiemann fasste zusammen: „Die Grenzen zwischen Arbeiten, Lernen und Erleben verschwimmen immer stärker. Wer heute über Bürogestaltung spricht, sollte daher nicht nur an Möbel oder Technologie denken, sondern auch an Emotionen, Gemeinschaft – und den kleinen Überraschungsmoment, der Räume lebendig macht.“

Der Berliner Designer Werner Aisslinger ist bekannt für seine erzählerischen Raumkonzepte und den experimentellen Einsatz innovativer Materialien. Zu seinen Projekten zählen Hotels der 25hours-Gruppe, Coworking Spaces in San Francisco und Houston sowie New-Work-Büros für Zalando. Arbeiten von Aisslinger sind Teil bedeutender Museumssammlungen wie der des MoMA und des Victoria & Albert Museums. Neben Projekten für Marken wie Vitra, Moroso oder Hansgrohe realisiert er auch künstlerische Ausstellungen, die gesellschaftliche Themen mit visionären Zukunftsideen verbinden. Weitere Informationen unter: aisslinger.de

David Kulen ist Kreativdirektor des auf gesundheitsbewusste Arbeits- und Gastgewerberäume spezialisierten Designstudios Powerplant. Für Kunden wie Nike, Booking.com oder Guerrilla Games/Sony entwickelt er mit seinem Team innovative Konzepte. Kulen studierte Grafikdesign an der Rietveld-Akademie in Amsterdam und verbindet handwerkliche Präzision mit einem interdisziplinären Gestaltungsansatz. Darüber hinaus leitet er das Tapisseriestudio Kurato. Weitere Informationen unter: powerplant.nl

Anke Otterbeck verantwortet das Projekt- und Gebäudemanagement der Handelsblatt Media Group. Sie leitete die Planung und Umsetzung des modernen Medienhauses in Düsseldorf und begleitet seitdem die dynamischen Anforderungen an die Unternehmensstandorte im In- und Ausland. Mit ihrer BWL-Ausbildung und langjährigen Projekterfahrung steht sie für die Verbindung von Funktionalität und flexiblen Raumkonzepten. Weitere Informationen unter: handelsblattgroup.com

Jason Steere ist Berater für Markenerlebnisse und war zuletzt als Managing Director Brand & Experience bei The Social Hub (ehemals The Student Hotel) tätig. Über Stationen bei Gap und Nike führte ihn seine Karriere zur Gründung seiner eigenen Agentur Storeage. Er prägt internationale Projekte im Einzelhandel und Gastgewerbe und hat sich auf die Entwicklung integrierter Markenerlebnisse und Hybrid-Hospitality-Konzepte spezialisiert. Weitere Informationen unter: thesocialhub.co

Robert Thiemann ist Gründer der Beratungs- und Designagentur BETTERNESS. Zuvor prägte er über 25 Jahre lang als Herausgeber das internationale Interior-Design-Magazin FRAME. Heute entwickelt er mit BETTERNESS Strategien und Konzepte für eine sinnvolle, nachhaltige Raumgestaltung, bei der Menschen und Umwelt gleichermaßen im Mittelpunkt stehen. Weitere Informationen unter: betterness.space

Titelbild: IBA