Auf dem Work Culture Festival sprach der dänische Küchenchef Mikkel Karstad über die positiven Auswirkungen gesunder Ernährung auf Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Mit über 30 Jahren Erfahrung in der Gastronomie und 15 Jahren Spezialisierung auf Kantinenkonzepte teilte Karstad seine Vision mit den Zuhörern: weg von fleischlastigen Buffets, hin zu einer gemüsebetonten, nachhaltigen Esskultur. Seine Ansätze reichen von innovativen Servierkonzepten über abwechslungsreiche Menügestaltung bis hin zu Strategien zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung.
Status quo: Fleisch dominiert in vielen Kantinen
Karstad analysierte zunächst das typische Kantinenangebot. „Viele Kantinen setzen immer noch auf große Buffets, bei denen Fleisch, Kohlenhydrate und Soßen im Mittelpunkt stehen“, erklärte er. Gemüse sei oft nur eine Beilage, der wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde. Dieses Modell, so Karstad, spiegele überholte Gewohnheiten, die aus einer fleischzentrierten Kochkultur stammen. Er betonte, dass eine stärkere Fokussierung auf Gemüse nicht nur gesundheitliche Vorteile für die Mitarbeiter mit sich bringe, sondern auch ökologisch sinnvoll sei. „Der Wechsel von Fleisch als Hauptbestandteil zu Gemüse reduziert den ökologischen Fußabdruck einer Kantine maßgeblich und verbessert gleichzeitig das Wohlbefinden der Mitarbeiter.“
Gemüse im Mittelpunkt: Paradigmenwechsel in der Kantinenkultur
Mikkel Karstad plädierte für eine grundlegende Neuausrichtung der Menügestaltung: Gemüse sollte nicht länger eine Nebenrolle spielen, sondern der Star auf dem Teller sein. „Wir müssen den Spieß umdrehen und Gemüse zum Hauptbestandteil eines Gerichts machen, während Fleisch – wenn überhaupt – nur eine ergänzende Rolle spielt“, erklärte er. Als Beispiel nannte er einen Kunden in Dänemark, dessen täglicher Fleischverbrauch durch eine Umstrukturierung des Speiseplans von 22 auf 13 Kilogramm reduziert werden konnte. „Statt Fleisch sollte hochwertiges, saisonales und regionales Gemüse die Hauptrolle spielen“, so Karstad. Das Ergebnis solcher Änderungen spräche für sich: Mitarbeiter fühlten sich nach dem Mittagessen energiegeladener und produktiver, statt unter einem Nachmittagstief zu leiden. Um diesen Paradigmenwechsel zu verankern, sei es entscheidend, die Mitarbeiter durch Storytelling mitzunehmen. „Man muss den Menschen erklären, was man tut und warum man es tut. Das erleichtert es, Veränderungen in der Esskultur nachhaltig zu etablieren“, betonte Karstad.
Neue Ansätze: Share Food und Single Serving
Die Transformation der Kantinenkultur erfordert neue Serviermodelle. So stellte Karstad das „Share Food“-Konzept vor, bei dem verschiedene Gerichte in kleinen Schüsseln oder auf Platten direkt am Tisch serviert werden, die sich die Mitarbeiter teilen. Dieses Modell erinnert an einen Familientisch, bei dem das Essen zu einem Gemeinschaftserlebnis wird. Gleichzeitig entfällt das Anstehen am Buffet, wodurch die Mittagspause entspannter und effizienter genutzt werden kann. „Share Food schafft eine Atmosphäre, die eher an ein Restaurant erinnert, und ist flexibel genug, um sowohl in kleinen Teams als auch in großen Unternehmen umgesetzt zu werden“, sagte Karstad. Ein anderer Ansatz ist das „Single Serving“. Dabei werden kleinere, fertig zubereitete Portionen am Tisch serviert – ein Modell, das in Dänemark immer beliebter wird. Es ermöglicht eine bessere Kontrolle über die Portionsgrößen und reduziert die Lebensmittelverschwendung. „Indem wir das Essen auf kleinen Tellern servieren, vermeiden wir Überproduktion und fördern gleichzeitig die Wertschätzung für die Speisen“, erklärte Karstad. Die Flexibilität des Konzepts erlaube es, mit kleinen Portionen zu beginnen und bei Bedarf weitere hinzuzufügen. Für Karstad sind Share Food und Single Serving mehr als nur Serviermethoden – sie schaffen Raum für soziale Interaktion und fördern das Wohlbefinden am Arbeitsplatz. „Eine gemeinsame Mittagspause, in der nicht nur gegessen, sondern auch geredet und gelacht wird, stärkt die Unternehmenskultur und die Zusammenarbeit im Team“, fasste er zusammen.
Kantinen der Zukunft: Regional, nachhaltig und flexibel
Für Mikkel Karstad steht fest, dass die Zukunft der Kantinenkultur in einem ausgewogenen Zusammenspiel von Regionalität, Abwechslung und nachhaltigen Konzepten liegt. Gleichzeitig sieht er in der Kombination von vertrauten Gerichten und neuen, gesünderen Elementen die Chance, Essgewohnheiten behutsam zu verändern. Insbesondere hybride Arbeitsmodelle stellen neue Anforderungen an die Kantinenplanung. Wechselnde Anwesenheitszeiten erfordern flexible Ansätze, die den tatsächlichen Bedarf der Mitarbeiter berücksichtigen. Konzepte wie Single Serving oder Share Food können dabei helfen, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden und gleichzeitig ein qualitativ hochwertiges und soziales Essenserlebnis zu schaffen. „Kantinen sind heute mehr als reine Verpflegungsstätten – sie sind ein Spiegel der Unternehmenskultur“, betont Karstad. Durch die Einbindung der Mitarbeiter und einen klaren Fokus auf Nachhaltigkeit können Unternehmen ihre Kantinen nicht nur an moderne Arbeitswelten anpassen, sondern auch einen Beitrag zu einer ressourcenschonenden und gesunden Ernährung leisten. „Ein durchdachtes Konzept, das Qualität, Regionalität und soziale Verantwortung verbindet, wird zum positiven Erlebnis – für die Mitarbeiter und die Umwelt gleichermaßen.“
Work Culture Festival Impressionen
Mikkel Karstad ist Koch, kulinarischer Berater und Autor. Sein Fokus liegt auf der kreativen Nutzung natürlicher Zutaten und saisonaler Gemüsesorten. Nach Erfahrungen in renommierten Sterne-Restaurants in London, Paris und Kopenhagen prägte er seinen von der Natur inspirierten Kochstil im international bekannten Noma Restaurant. Als Leiter der Kantine des dänischen Parlaments etablierte er einen Ansatz, der auf der konsequenten Verwendung frischer, regionaler und saisonaler Zutaten basiert, und wurde dafür ausgezeichnet. Derzeit verantwortet Karstad die kulinarischen Angebote für Mitarbeiter und Veranstaltungen in der Zentrale der Bjarke Ingels Group (BIG). Mit seinen Kochbüchern, darunter Evergreen, setzt er auf eine Philosophie, die Geschmack, Ästhetik und Nachhaltigkeit miteinander verbindet. Sein Ziel ist es, die Wertschätzung für regionale und saisonale Lebensmittel zu stärken und die Integration von frischem Gemüse in die Alltagsküche zu fördern. Weitere Informationen: mikkelkarstad.com
Titelbild: © IBA