„Das Wohlbefinden der Mitarbeiter kann zu einer höheren Widerstandsfähigkeit, einem stärkeren Mitarbeiterengagement, zu weniger Fehlzeiten und einer höheren Leistung und Produktivität führen.“ Das ist das Ergebnis einer Studie des Chartered Institute of Personnel Directors (CIPD 2022). Großartig! Die Antwort auf die Frage im Titel lautet folglich „Ja“ und wir können alle ein Bier trinken gehen.
Variierende Variablen
Nur liegt das CIPD leider falsch. Wohlbefinden und Produktivität sind nämlich sogenannte abhängige Variablen. Das heißt, ihre Veränderungsrate hängt von anderen Einflüssen ab.
Wenn Sie mit Windpocken im Bett liegen und der Juckreiz stärker ist als bei einer Katze im Flohzirkus, können Sie nicht einfach Ihre Pusteln verbannen und beschließen, gesund zu werden. Irgendetwas muss eine Veränderung anstoßen, damit das geschehen kann. Vielleicht gewinnt ja Ihr Immunsystem oder es liegt an der Wirkung eines heißen Glühweins oder es sind sogar die Kräfte der Hypnose.
Auch wer in einer hoffnungslos veralteten Fabrik arbeitet, kann nicht einfach so beschließen, produktiver zu sein. Das geht nur, wenn neue Maschinen angeschafft werden oder, was noch wichtiger ist, wenn sich die Denkweise des Unternehmens ändert. Es sind diese unabhängigen Variablen, die als Katalysatoren fungieren und Veränderungen in Bezug auf Wohlbefinden, Produktivität und andere Variablen bewirken.
Indikatoren der Veränderung
Wohlbefinden hat also nichts mit Produktivität zu tun?
Nein, tut mir leid, das ist auch nicht richtig. Sehen Sie, es besteht ein Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Produktivität. Wenn das Wohlbefinden hoch ist, ist wahrscheinlich auch die Produktivität am oberen Ende der Skala angesiedelt – und umgekehrt. So ist das Wohlbefinden, wie die meisten anderen Variablen auch, ein nützliches Barometer für die Entwicklung der Produktivität. Denn Produktivität korreliert in dieselbe Richtung wie Wohlbefinden, Altruismus und Identität und entgegengesetzt zu Stress, Überwachung und Unzufriedenheit. Wenn Sie das wissen, können Sie leicht Rückschlüsse auf die tatsächlichen Trends im Unternehmen ziehen.
Messung
Derartige Verbindungen oder Korrelationen sind aussagekräftig, wenn man weiß, was man misst. Die Methoden der Unternehmen zur Datenerfassung sind aber meist gerade so erfolgreich wie Wile E. Coyote beim Fangen des Mittagessens.
Die Frage „Mein Wohlbefinden ist gut“ Nein – teils/teils – ja ...kann nur unzuverlässige Daten generieren.
Die Standardmethode, eine Variable mit einer einzigen Frage zu messen, führt zu katastrophalen Fehlern. Denn Wohlbefinden bedeutet für jeden etwas anderes.
Wir brauchen eine zunächst Definition. Ist Wohlbefinden etwas, das man fühlt, wenn man arbeitet, oder wenn man an die Arbeit denkt? Besteht ein Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Ihrem Privatleben? Vielleicht geht es ja auch darum, wie Sie sich die ganze Zeit über fühlen?
Wie jede subjektive Variable benötigt auch das Wohlbefinden drei oder vier statistisch verknüpfte Fragen, um es richtig zu bewerten. Und wenn wir einfach nur Fragen aufschreiben, die uns gefallen, sind Fehlinformationen und Missgeschicke vorprogrammiert. Fragen wie zum Beispiel „Ich fühle mich im Büro gesund“ können helfen, das Wohlbefinden zu beurteilen, aber man kann daraus auch auf das Sick-Building-Syndrom schließen. Ohne vernünftige Statistiken werden wir nicht wissen, welche Antwort gemeint ist. Die gute Nachricht: Es gibt eine Auswahl an veröffentlichten Skalen zum Wohlbefinden, die Sie sofort nutzen können (z. B. Knight & Haslam 2010). Machen Sie das.
Auch wenn wir die Produktivität messen, sollten wir Fallstricke vermeiden. Wie das Gewicht, die Länge oder die Geschwindigkeit ist auch die Produktivität völlig objektiv.
Stellen Sie sich vor, Sie fragen einen Vereinsläufer nach seiner Marathonzeit, ohne dass er auf die Stoppuhr sehen darf. Oder wie wäre es, das Gewicht eines beladenen Schiffes ohne Verdrängungsdaten zu schätzen? Niemand würde das ernsthaft machen. Dennoch fragen Unternehmen ihre Mitarbeiter nach wie vor, wie produktiv sie sind, und stützen sich dabei auf Vermutungen und Meinungen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Korrelation zwischen tatsächlichen und geschätzten Produktivitätsmessungen so gering ist, dass sie wertlos ist (Knight 2021a).
Sie glauben mir nicht? Nun, sind Sie weniger produktiv als Ihre Kollegen?
Fast jeder beantwortet diese Frage mit „Nein“. Die Hälfte muss falsch liegen. Wohlbefinden und Produktivität erfordern beide genaue, wissenschaftliche, aber völlig unterschiedliche Messungen.
Der Zaubertrick
Wenn also Wohlbefinden nicht zur Produktivität beiträgt, was dann? Die Antwort ist ganz einfach: das Management, das wie ein Unkrautvernichter aber auch wie ein Dünger für das Unternehmen wirken kann. Das Management sitzt also in seinem Geräteschuppen und kann drei entscheidende Mittel einsetzen, die das Wohlbefinden, die Produktivität und so ziemlich alles andere beeinflussen.
- Eigenständigkeit. Geben Sie den Menschen die Freiheit, die Dinge auf ihre Weise zu tun. Schaffen Sie die Standardisierung ab (den Standardmenschen gibt es nicht), lassen Sie Misserfolge zu und geben Sie den Menschen die Möglichkeit, aus Fehlern lernen.
- Vertrauen. Management heißt nicht, dass Sie ständig überall herumlaufen müssen. Hören Sie damit auf und beseitigen Sie auch das Mikromanagement. Vertrauen Sie Ihren Kollegen, wenn sie unkonventionell arbeiten. Das Management sollte ein vertrauenswürdiger Helfer sein und Führung bieten, wenn es erforderlich ist.
- Ressourcen. Bei den Ressourcen kann es sich um Zeit, Werkzeuge, Kontakte zu den richtigen Leuten oder hybrides Arbeiten handeln. Lassen Sie die Kollegen entscheiden, was sie brauchen, um ihre Arbeit gut zu machen.
Wenn das Management diese Mittel (Knight 2021b) mit Fachwissen mischt, werden sich alle Schlüsselvariablen verbessern, insbesondere Wohlbefinden und Produktivität. Worauf warten Sie noch?