Künstliche Intelligenz ist längst mehr als ein Hype. Sie verändert Prozesse, Rollenbilder und Denkweisen. Doch welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf das Miteinander im Arbeitsalltag? Was bedeutet KI für Kommunikation, Vertrauen und Kollaboration? Mit genau diesen Fragen haben sich Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Praxis und Design im Rahmen des Work Culture Festivals sowie aktueller Studien und Diskussionen beschäftigt. Die Antworten zeigen: Die Zukunft der Zusammenarbeit wird nicht nur technischer, sondern auch menschlicher. Wenn wir es wollen.
Von der Effizienz zum Verhältnis: KI als Kollaborationspartner
Künstliche Intelligenz wird zunehmend Teil der Teamarbeit. Sie analysiert Daten, schlägt Entscheidungen vor, strukturiert Meetings und übernimmt Routineaufgaben. In ihrer aktuellen „New Work Order“-Studie geht Trendforscherin Birgit Gebhardt darauf ein, dass sich KI vom Tool zum aktiven Teammitglied entwickelt. Doch genau das wirft neue Fragen auf: Wie verändert sich die Zusammenarbeit, wenn wir mit einem System kollaborieren, das nicht fühlt, aber immer häufiger mitdenkt? Gebhardt sieht Chancen für individuellere Lernprozesse und besser abgestimmte Teams, aber auch Risiken. Je mehr die KI übernimmt, desto mehr droht der Verlust an zwischenmenschlichem Dialog. Die Pandemie habe bereits gezeigt, wie leicht informelle Gespräche und spontane Begegnungen verloren gehen. KI könnte diese Entwicklung beschleunigen, wenn sie ohne kulturelle Gegenmaßnahmen eingeführt wird.
Zwischen Empowerment und Entfremdung: Stimmen aus der Praxis
Beim Panel „Vom KI-Hype zur Realität“ diskutierten Julia Schmid und Andreas Stieglbauer von Drees & Sommer gemeinsam mit dem Digitalisierungsexperten Prof. Dr. Herbert Schuster über konkrete Einsatzfelder von KI in der Gebäude- und Arbeitsplatzplanung. Ihr Fazit: KI kann dabei helfen, Prozesse effizienter zu gestalten, etwa durch die automatisierte Entwicklung von Raumkonzepten. Doch das ersetzt nicht den Dialog mit den Menschen vor Ort. „Ein gutes Büro kann ein Anziehungspunkt sein. Aber letztlich kommen die Menschen wegen der Menschen“, betonte Stieglbauer. Auch die Verantwortung bleibt beim Menschen. „Human in the loop“ müsse das Leitmotiv bleiben, so Julia Schmid. Technologie darf Entscheidungen unterstützen, aber nicht entmenschlichen. Gerade in hybriden Teams sei soziale Kompetenz entscheidend für Innovation und Produktivität. Smalltalk inklusive.
Neue Muster der Zusammenarbeit
Wie genau verändert sich das Miteinander? KI ermöglicht es, Aufgaben in kürzester Zeit zu analysieren, zu verteilen und durchzuführen. Dadurch werden Teamprozesse verschoben: Entscheidungen werden schneller getroffen, Briefings automatisiert und Ergebnisse „vorgedacht“. Gleichzeitig müssen sich Gruppen schneller einarbeiten, abstimmen und evaluieren. Das kann auch zu Unsicherheit führen, vor allem, wenn Ergebnisse ohne tiefere Diskussion übernommen werden, da sie perfekt aussehen. Trendforscherin Gebhardt verweist auf die Bedeutung neuer Kompetenzen: Fachkräfte der Zukunft müssen KI-Ergebnisse hinterfragen, prüfen und sinnvoll einordnen können. Es geht um mehr als technisches Wissen. Es braucht Reflexionsfähigkeit, Kommunikationsstärke und ethisches Urteilsvermögen.
Raum als Resonanzkörper
Ein weiterer Aspekt ist die Gestaltung der Arbeitsumgebung. Laut Sophie Kleber, UX-Lead bei Google, müssen Räume in einer KI-gestützten Arbeitswelt aktiver und empathischer werden. In ihrer Keynote sprach sie beim Work Culture Festival von neuroadaptiven Umgebungen, also Räumen, die sich auf die Stimmungen und Bedürfnisse der Nutzer einstellen. Biophiles Design, adaptive Lichtsysteme und gezielte Klangwelten sind Beispiele hierfür. All das könne nicht nur die Produktivität steigern, sondern auch das emotionale Miteinander fördern. Birgit Gebhardt betont in ihrer Studie ebenfalls, dass wir Räume brauchen, die diese Sprünge auffangen, wenn KI unsere Denkprozesse immer wieder unterbricht, etwa durch Assistenzfunktionen oder Entscheidungsvorschläge. Büros sollten daher multisensorisch, inklusiv und hybrid gedacht werden. Entscheidend ist, dass sich auch digital zugeschaltete Personen als vollwertige Teammitglieder fühlen.
Kultur als Schlüssel, Unsicherheit als Ressource
Was bleibt, ist die Frage nach dem kulturellen Umgang mit KI. Denn neben technologischer Kompetenz ist vor allem eine neue Haltung gefragt. In ihrer Analyse „KI in der Zusammenarbeit: Effizienzgewinn oder Beziehungskiller?“ warnt Nina Daub vor einem schleichenden Verlust an Nähe. Wenn Prompts Meetings ersetzen und niemand mehr kritisch nachfragt, geht laut Daub etwas Grundlegendes verloren. „Reibung ist kein Fehler – sie ist die Voraussetzung für Innovation“, schreibt sie. Und: „Nähe braucht keinen Business Case – sondern Raum“. Auch der Organisationsforscher Vaughn Tan sieht in der kulturellen Dimension den Schlüssel für eine zukunftsfähige Zusammenarbeit. In seinem Vortrag beim Work Culture Festival plädierte er dafür, Unsicherheit nicht als Defizit, sondern als Ressource zu verstehen, als Ausgangspunkt für Innovation. Unternehmen, die auf Kontrolle, Planbarkeit und Risikominimierung setzen, laufen Gefahr, ihre Wandlungsfähigkeit zu verlieren. Es brauche stattdessen offene Rollen, kontinuierliches Lernen und sogenannte „Safe to fail“-Umgebungen. Das sind Räume, in denen Experimente möglich sind und Nichtwissen ausdrücklich zugelassen wird. Nur so, könne zwischen Mensch und Maschine eine neue Art der Zusammenarbeit entstehen: mutig, iterativ und menschenzentriert. Oder, wie Tan es formulierte: „Take not-knowing seriously.“
Zusammenarbeit neu gestalten
Künstliche Intelligenz verändert nicht nur das Was, sondern auch das Wie unserer Arbeit. Kollaboration wird schneller, datenbasierter und komplexer. Ob sie dabei auch menschlich bleibt, entscheidet sich jedoch nicht in den Algorithmen, sondern im Arbeitsalltag. Die Chance liegt darin, KI als Werkzeug für eine bessere Zusammenarbeit zu nutzen und nicht als Ersatz für Beziehungen. Unternehmen, die das verstehen, investieren deshalb nicht nur in Technologie, sondern auch in Raum, Kultur und Beziehungspflege. Sie schaffen Strukturen, in denen Vertrauen wachsen kann, und setzen auf Zusammenarbeit, die mehr ist als die Summe abgestimmter Prozesse. Sondern echte Verbindung.
Die kompletten Artikel und Interviews lesen Sie unter:
Birgit Gebhardt: https://iba.online/newsroom/themen/kollaboration-mit-ki-interview-mit-trendforscherin-birgit-gebhardt/
Panel „Vom KI-Hype zur Realität“: https://iba.online/newsroom/themen/ki-gestutzte-arbeitsweisen-vom-hype-zur-realitaet/
Sophie Kleber: https://iba.online/newsroom/themen/wie-intelligente-umgebungen-zur-steigerung-von-produktivitaet-und-wohlbefinden-beitragen/
Nina Daub: https://iba.online/newsroom/themen/ki-in-der-zusammenarbeit-effizienzgewinn-oder-beziehungskiller/
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