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R‑evolve: Die Möbelbranche auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft

Work Culture Festival

R-evolve-Panel auf Orgatec. Bild: IBA
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
6 Minuten

Die Möbelbranche steht vor einer grundlegenden Transformation: hin zu mehr Nachhaltigkeit und Zirkularität. Mit dem EU-Projekt R‑evolve, das von der EU-Kommission mit 5 Millionen Euro gefördert wird, arbeiten 23 Partner aus 7 EU-Mitgliedsländern an innovativen Ansätzen, um die Kreislauffähigkeit und Langlebigkeit von Möbeln zu erhöhen. Im Rahmen des Work Culture Festivals wurde das Projekt in einem von Volker Weßels moderierten Panel vorgestellt. Die Diskussion beleuchtete Ziele, Schwierigkeiten und erste Schritte des ambitionierten Vorhabens.

Ein wegweisendes EU-Projekt für die Möbelbranche

Das EU-Projekt R‑evolve verfolgt das Ziel, innovative Methoden für Wiederverwendung, Recycling und zirkuläres Design in der Möbelbranche zu entwickeln und zu testen. Dabei nimmt es bereits viele Anforderungen der im Mai 2024 verabschiedeten EU-Verordnung ESPR zum Ökodesign bei nachhaltigen Produkten vorweg und schafft so eine Grundlage für die praktische und wirtschaftlich sinnvolle Umsetzung. Zu den deutschen Projektpartnern zählen der Industrieverband Büro und Arbeitswelt (IBA), die Hochschule Darmstadt, VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken und der Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM). Gemeinsam mit Partnern aus Dänemark, Belgien, Italien, Österreich, Slowenien und Spanien setzt das Projekt auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Industrie und relevanten Stakeholdern, um die Transformation der Branche voranzutreiben.

Vision und Ziele von R‑evolve

Das EU-Projekt R‑evolve bringt führende Experten aus Wissenschaft, Industrie und Recht zusammen, um die Möbelindustrie nachhaltiger und kreislauffähiger zu machen. Im Panel auf dem Work Culture Festival gaben Angelika Tisch, Irene Burroni, Martin Führ und Joan Knudsen einen Einblick in die Vision und die Ziele des Projekts.

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Angelika Tisch, eine erfahrene Wissenschaftlerin aus Österreich, koordiniert das Projekt und beschäftigt sich intensiv mit der Bewertung und Reduzierung der Umweltauswirkungen von Möbeln. Sie betonte die Notwendigkeit, dass die 23 Projektpartner aus 7 Ländern als Erstes eine gemeinsame Vision entwickeln, um die Kreislauffähigkeit der Branche zu fördern.

Irene Burroni, Innovationsmanagerin aus Italien, moderiert den Austausch zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Beratern, um neue Geschäftsmodelle und Designansätze zu entwickeln. Sie sieht R‑evolve als Chance, internationale Kooperationen zu stärken und Kreislaufstrategien in die Praxis umzusetzen.

Martin Führ, Professor für Umweltrecht an der Hochschule Darmstadt, bringt seine Expertise im Produkt- und Stoffrecht ein. Er hob die Bedeutung des digitalen Produktpasses (DPP) hervor, der ein wesentlicher Teil des EU Green Deal ist und Transparenz in der gesamten Lieferkette schaffen soll – und das nicht nur bei Möbeln.

Joan Knudsen, Architektin und Circular-Economy-Expertin aus Dänemark, sieht in der engen Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie einen Schlüssel für die erfolgreiche Umsetzung von R‑evolve. Sie betonte die Rolle von Pilotprojekten, um neue Ansätze unter realen Bedingungen zu testen und praxisnahe Lösungen zu entwickeln.

Das vierjährige Projekt verfolgt einen umfassenden Ansatz, um die Möbelindustrie auf die kommenden EU-Vorgaben vorzubereiten. Schwerpunkte sind:

  • Zirkuläres Design mit Fokus auf Modularität, Reparierbarkeit und Langlebigkeit
  • Einführung des digitalen Produktpasses, der Informationen zum gesamten Lebenszyklus eines Produkts bereitstellt und die Einhaltung ökologischer Standards unterstützt
  • Innovative Geschäftsmodelle, wie Mietsysteme und erweiterte Serviceleistungen zur Erschließung nachhaltiger wirtschaftlicher Potenziale
  • Regionale Netzwerke, die Wartung, Reparatur und Wiederverwendung fördern, um eine nachhaltige Infrastruktur aufzubauen

Diese Ansätze sollen nicht nur die Umwelt entlasten, sondern auch wirtschaftliche Chancen bieten. „R‑evolve ist eine Gelegenheit, die Branche zukunftsfähig zu machen, indem wir Innovation und Praxis eng miteinander verbinden“, erklärte Joan Knudsen und Angelika Tisch ergänzte: „Das Projekt wird nicht nur die Kreislauffähigkeit von Möbeln verbessern, sondern auch neue Wege aufzeigen, wie Unternehmen nachhaltige Strategien erfolgreich umsetzen können.“

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Pilotprojekte: Praxisnahe Lösungen und Chancen für die Branche

Ein zentraler Bestandteil von R‑evolve sind neun Pilotprojekte, die in verschiedenen Ländern durchgeführt werden, um zirkuläre Geschäftsmodelle und Technologien unter realen Bedingungen zu testen. So wird beispielsweise an Rücknahmesystemen für gebrauchte Möbel gearbeitet, bei denen Qualität und Hygiene geprüft und Methoden zur Dekontaminierung entwickelt werden. Ein weiteres Pilotprojekt konzentriert sich auf die Einführung des digitalen Produktpasses, der als Schlüsselinstrument für die Kreislaufwirtschaft und die kommenden EU-Vorgaben dient. „Die Pilotprojekte schaffen Synergien zwischen Unternehmen und Forschungspartnern und ermöglichen einen praxisnahen Wissenstransfer“, erklärte Joan Knudsen, die bei der Umsetzung der neuen Ansätze eng mit der Industrie zusammenarbeitet. Ziel sei es, im Laufe des Projekts 50 Unternehmen aktiv einzubinden und auf die kommenden Anforderungen vorzubereiten. Dabei wurde auch deutlich, dass die Umsetzung dieser ehrgeizigen Ziele mit Schwierigkeiten verbunden ist. Dazu zählen die Komplexität der EU-Regulierungen, die notwendige Standardisierung sowie die Koordination der 23 Projektpartner. Gleichzeitig betonten die Projektbeteiligten die Chancen, die sich durch R‑evolve ergeben: „Unternehmen, die frühzeitig handeln, können sich nicht nur einen Wettbewerbsvorteil sichern, sondern auch aktiv zur nachhaltigen Transformation der Branche beitragen“, so Martin Führ.

Gemeinschaftliche Ansätze und ein Blick in die Zukunft

Ein zentrales Thema des Panels war die Bedeutung von Kooperation und Community-Building. Gerade in Ländern wie Dänemark, wo die sektorübergreifende Zusammenarbeit in der Textil- und Möbelindustrie seit Langem etabliert ist, zeigt sich der Erfolg gemeinschaftlicher Ansätze. In Italien hingegen liegt der Fokus auf Aufklärung und gezielten Schulungen, um Unternehmen frühzeitig auf kommende Regulierungen vorzubereiten. „Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft erfordert einen grundlegenden Wandel der Unternehmenskultur und dafür ist Zeit ein entscheidender Faktor“, betonte Irene Burroni.

Das Projekt R‑evolve baut auf den Erfolgen etablierter europäischer Initiativen wie der European-Level-Zertifizierung auf, die sich als einheitlicher Standard für Nachhaltigkeit in der Möbelbranche bewährt hat. Diese Grundlage schafft die Basis, um mit dem digitalen Produktpass und weiteren zirkulären Ansätzen neue Maßstäbe zu setzen. „Wir freuen uns, nicht nur mit der Level-Zertifizierung, sondern auch mit dieser internationalen Kooperation die Zukunft der Branche maßgeblich mitgestalten zu können“, betonte Volker Weßels. Ziel sei es, praxisnahe Lösungen zu entwickeln und gleichzeitig eine Bewegung anzustoßen, die die Möbelindustrie nachhaltig verändert. Angelika Tisch, Irene Burroni, Martin Führ und Joan Knudsen waren sich einig: „R‑evolve bietet die Chance, Innovation und Nachhaltigkeit zu verbinden und die Branche zukunftsfähig zu machen – ökologisch und ökonomisch.“

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Das Panel wurde von Volker Weßels moderiert. Er ist Experte für messbare und aussagekräftige Kriterien für die ökologische und soziale Bewertung von Produkten, Produktionsstätten und Organisationen. Seit 2014 ist er beim Industrieverband Büro und Arbeitswelt für das Thema Nachhaltigkeit zuständig und als Experte für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in der europäischen Normung aktiv. Darüber hinaus ist er Leiter des European Level Programms, dem Nachhaltigkeitslabel für Büromöbel, das vom Europäischen Büromöbelverband (FEMB) vergeben wird und und vertritt den IBA im EU-Projekt R‑evolve. Weitere Informationen: iba.online und https://www.levelcertified.eu/de/.

Titelbild: © IBA