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Design for Life: Rituale für eine neue Arbeitskultur

Work Culture Festival

Design for Life Panel. Bild: IBA
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
6 Minuten

Wie können moderne Arbeitsorte gestaltet werden, damit sie nicht nur funktional, sondern auch stärkend und verbindend wirken? Diese Frage stellte Moderator Robert Thiemann beim Panel „Design for Life“ auf dem Work Culture Festival. Gemeinsam mit den Designern Philip Schütte, Nino Basilashvili und Lars von Vianen sowie der Kunstkuratorin Viviane Mörmann diskutierte er, wie Alltagsrituale, kreative Freiräume und bewusste Raumgestaltung dazu beitragen, Teams auch über Distanzen hinweg zu verbinden und die innere Balance im hybriden Arbeitsalltag zu fördern. Auch das Thema Stressreduktion und mentale Gesundheit rückte in den Fokus: Wie kann das Büro zum Schutzraum in einer zunehmend digitalen, beschleunigten Welt werden?

Innere Balance und Teamgeist: Ein neues Verständnis von Arbeitskultur

Ausgangspunkt der Diskussion war die Frage: Können moderne Büros mehr sein als reine Funktionsräume? Können sie nicht vielmehr zu Orten werden, die Menschen stärken, entstressen und verbinden? Genau diese Vision spiegelt sich in der interaktiven Ausstellung „Rewire“ wider, an der die Designer Schütte, Basilashvili und von Vianen beteiligt waren. Ihre Installationen – von wechselnden Lichtverläufen über Herzschlag-Synchronisation bis hin zu multisensorischen Elementen – zeigen, wie einfache Rituale helfen können, den Arbeitsalltag zu entschleunigen, Stress abzubauen und neue Energie zu gewinnen. Gleichzeitig verdeutlichen sie das Empowerment-Potenzial solcher Räume: Wenn Menschen sich selbstwirksam erleben, etwa indem sie die Sonne mit einer Handbewegung steuern oder ihre physiologischen Rhythmen mit anderen synchronisieren, entsteht ein Gefühl der inneren Stärke und des Vertrauens in die eigene Gestaltungsfähigkeit. Ein Beispiel dafür ist Basilashvilis Installation „HEARTSYNC“, die kollektive Rituale, Biofeedback und emotionale Resonanz nutzt, um die Verbundenheit zu stärken. Kunstkuratorin Viviane Mörmann betonte zudem die Bedeutung bewusst gestalteter Übergänge im Alltag. Rituale könnten helfen, mentale Klarheit zu schaffen und Selbstfürsorge als festen Bestandteil des Arbeitstags zu etablieren. Der Tenor des Panels war eindeutig: Stressprävention beginnt nicht erst beim Burnout, sondern mit kleinen, alltäglichen Handlungen, die Achtsamkeit, Verbundenheit und Selbstwirksamkeit fördern.

Persönliche Rituale für einen besseren Start in den Tag

Die Experten berichteten im Panel auch von ihren persönlichen Routinen, die ihnen helfen, fokussiert und in Balance zu bleiben. Für den Designer Philip Schütte beginnt der Tag bewusst ohne Bildschirm. „Ich versuche, morgens möglichst keinen Kontakt zu digitalen Medien zu haben, stattdessen gehe ich joggen, telefoniere oder meditiere.“ So gelinge der Übergang vom physischen Ich in die digitale Welt kontrollierter. Die Qualität des Morgens wirke sich auf den ganzen Tag aus. Auch Viviane Mörmann setzt auf Achtsamkeit: Atemübungen, Yoga oder ein Moment der Dankbarkeit. „Ich überlege mir morgens drei Ziele und beginne den Tag mit einer positiven Intention.“ Nino Basilashvili, Designerin der „HEARTSYNC“-Installation, betonte: „Unser natürlicher Zustand ist Harmonie, wir müssen nur lernen, den Stress loszulassen.“ Sie beginnt den Tag daher ruhig und fokussiert, bringt Körper und Geist in Einklang. Lars von Vianen nutzt am liebsten den frühen Morgen für sich und beginnt oft schon um 4 oder 5 Uhr mit bewusster Me-Time, bevor sein Designerteam die Arbeit aufnimmt.

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Unternehmenskultur neu denken: Raum für das Persönliche schaffen

Die Panelteilnehmer sprachen sich dafür aus, Unternehmens- und Raumkonzepte neu zu denken, und Arbeitsorte nicht nur nach Aktivitäten, sondern auch nach kognitiven Bedürfnissen zu planen. Ein Büro müsse Raum für das Eigene bieten, für kreative Ideen, für persönliche Ausdrucksformen. „Jeder Mensch hat seine eigene Art zu arbeiten“, sagte Basilashvili. „Dafür müssen wir mehr Verständnis und Inklusion entwickeln.“ Statt des Diktats des Clean Desk brauche es Orte, an denen man Dinge liegen lassen könne, um Prozesse sichtbar zu machen, zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Das sei für kreatives Arbeiten unerlässlich. Mörmann betonte: „Kreativität braucht Zeit, Raum und ein bisschen Unordnung.“ Gerade in digitalen Arbeitskontexten fehle oft der physische Ankerpunkt, es sei aber wichtig, Ideen im Raum sichtbar zu machen, mit ihnen in Beziehung zu treten, sie weiterzudenken. Die Möglichkeit, Dinge über Nacht liegen zu lassen und später mit frischem Blick wieder aufzugreifen, sei ein unterschätzter Wert. Schütte forderte ein Reframing dessen, was wir unter Unternehmenskultur verstehen: Statt uniformer Regelwerke brauche es mehr Offenheit für persönliche Interessen, individuelle Arbeitsweisen und kreative Eigeninitiativen. Unternehmen sollten bewusst Räume schaffen, die Selbstentfaltung ermöglichen, sowohl räumlich als auch kulturell. Adaptive Arbeitsräume, die flexibel zwischen Fokus und Austausch wechseln können, gehören ebenso dazu wie die Freiheit, sich im Raum individuell auszudrücken. Denn: Wer seinen Arbeitsplatz mitgestalten kann, fühlt sich nicht nur wohler, sondern auch wirksamer.

Verbindung, Vertrauen, Veränderung: Was Teams heute brauchen

Gemeinsam mit Moderator Robert Thiemann diskutierten die Panelgäste weitere Strategien, wie Unternehmen mehr Balance und Teamgeist im Arbeitsalltag schaffen können. Zentrale Elemente dabei: die Pflege gemeinsamer Rituale, das bewusste Zulassen individueller Freiräume, etwa für eigene Projekte, sowie ein neues Zeitbewusstsein. Räume und Abläufe müssten stärker auf mentale Rhythmen und soziale Dynamiken abgestimmt werden. Bewegung, Pausen und kreative Impulse seien keine Kür, sondern unverzichtbar für eine gesunde Zusammenarbeit. Besonders hervorgehoben wurde die Bedeutung von Selbstvertrauen: Wer die Erfahrung macht, sich einbringen zu können, Verantwortung zu übernehmen und für seine Ideen gesehen zu werden, ist nicht nur motivierter, sondern auch resilienter. Und zwar in Räumen, die für Menschen gemacht sind, designed for life eben. Denn der moderne Arbeitsplatz braucht mehr als Technologie und Struktur. Er braucht ein sensibleres Design, das Menschen nicht nur produktiver, sondern auch gesünder, kreativer macht und sie miteinander verbindet. Arbeitsorte, die bewusst Körper, Geist, Emotion und Gemeinschaft verbinden.

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Robert Thiemann ist Gründer der Beratungsagentur BETTERNESS, die Unternehmen bei der Entwicklung zukunftsfähiger Raumkonzepte unterstützt. Als langjähriger Chefredakteur des Designmagazins FRAME bringt er umfassende Erfahrung an der Schnittstelle von Gestaltung, Kultur und Gesellschaft mit. Weitere Informationen: https://betterness.space/

Lars von Vianen ist Architekt, Designer und Gründer des Kreativkollektivs Scape. Mit seinem Team entwickelt er interaktive Installationen und Räume, die auf persönliche Bedürfnisse und neue Formen des Zusammenarbeitens reagieren. Weitere Informationen: scape.agency

Viviane Mörmann ist Kunstkuratorin und Beraterin. Sie engagiert sich für die Integration von Kunst in Unternehmenskontexte und sieht darin einen Schlüssel zur Förderung von Kreativität, Achtsamkeit und individueller Entfaltung im Arbeitsalltag. Weitere Informationen: vmoermann.com

Philip Schütte ist Künstler und Mitbegründer von fORMATS aND mECHANISMS. In seiner Arbeit untersucht er, wie Technologie und Raumgestaltung zu einer gesünderen und selbstbestimmteren Arbeitskultur beitragen können. Weitere Informationen: philipschuette.com

Nino Basilashvili ist Designerin interaktiver Installationen und Forscherin im Bereich Digital Wellness. Mit Projekten wie „HEARTSYNC“ erforscht sie, wie kollektive Rituale, Biofeedback und emotionale Resonanz das Miteinander in hybriden Arbeitswelten stärken können. Weitere Informationen: ninobasilashvili.com

Titelbild: @ IBA