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Dr. Bernd Hufnagl: Warum unser Gehirn Pausen braucht und wie wir in der digitalen Welt gesünder arbeiten können

Work Culture Festival

Dr. Bernd Hufnagl auf der ORGATEC 2024
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
6 Minuten

Der Hirnforscher und Neurobiologe Dr. Bernd Hufnagl beleuchtet in seinen Vorträgen, wie unser Gehirn auf die Anforderungen einer digitalisierten, hektischen Arbeitswelt reagiert und welche Auswege es aus dem Dauerstress gibt. Beim Wherever Whenever – Work Culture Festival auf der ORGATEC 2024 sprach Hufnagl über „Zielgerichtetes Denken: Wie wir besser leben und in einer digitalen Welt arbeiten können“ und betonte, dass Pausen und bewusstes Nichtstun essenziell für die mentale Gesundheit und Leistungsfähigkeit sind.

Das Gehirn und seine evolutionären Grenzen in der modernen Welt

Unser Gehirn ist darauf ausgerichtet, Energie zu sparen, Routinen zu bilden und Unbekanntem mit Vorsicht zu begegnen – eine erfolgreiche Überlebensstrategie. In der modernen, digital geprägten Welt stoßen diese Mechanismen jedoch oft an ihre Grenzen. Laut Hufnagl ist unser Gehirn heute vor allem damit beschäftigt, auf eine Vielzahl von Reizen zu reagieren, die uns täglich umgeben. Da gibt es irgendwelche Benachrichtigungen über private Dinge, WhatsApp hier, MS-Teams-Chat da, E‑Mail-Notification dort, ständig irgendwas. So sind wir permanent in einem zielgerichteten Denkmodus, in dem wir funktionieren, im sogenannten Funktionsnetzwerk. Das führt zu Stress, Erschöpfung und einer mentalen Blockade gegenüber Neuem. Und je gestresster wir sind, desto weniger können wir Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Wir machen alles gleichzeitig, gefühlt hat alles Priorität. Außerdem sind wir weniger kreativ und innovativ. Eine fatale Entwicklung.

Warum Pausen und Nichtstun das Gehirn entlasten

Was dem entgegenwirken und das menschliche Gehirn entlasten kann, ist, bewusst mehrfach am Tag für einige Minuten nichts zu tun. Pausen seien keine Verschwendung, sondern eine Grundvoraussetzung für geistige Gesundheit und Kreativität. „Wenn wir Nichts machen, aktivieren wir unser Gehirn“, so Hufnagl. Weiter erklärte er, dass das Gehirn in Momenten des Nichtstuns das sogenannte Tagträumernetzwerk in Gang setzt. Dieses Default-Mode-Netzwerk hilft uns, Abstand vom Alltag zu gewinnen, neue Perspektiven zu entwickeln und in größeren Zusammenhängen zu denken. Tagträumen ist also kein sinnloses Abschweifen, sondern eine Form der mentalen Regeneration, die uns neue Kraft und Kreativität verleiht. Es erlaubt uns, wie ein Beobachter auf unser eigenes Leben zu schauen, Fehler zu erkennen und Verhalten anzupassen – sei es, dass wir bemerken, wie wir mit anderen umgehen, oder dass wir erkennen, wo wir selbst uns zu viel Druck machen.

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Die Kraft der Langeweile: Wie neue Ideen entstehen

In den Phasen des Tagträumens oder gar der Langeweile passiert weit mehr, als nur abzuschalten. Hufnagl erklärt, dass sich in Momenten der Entschleunigung plötzlich Gedanken miteinander verbinden können, die zuvor getrennt waren. Dieses langsame Denken, in dem sich Ideen und Fragmente begegnen und verknüpfen, führt oft zu neuen Einfällen und innovativen Lösungen. „Das nennen wir eine Idee“, sagt Hufnagl und beschreibt diesen Moment der Erkenntnis wie eine Detonation, die unerwartet kommt und uns die Lösung für ein Problem vor Augen führt. Solche Geistesblitze, betont er, entstehen nicht im To-do-Listen-Modus, sondern nur, wenn wir uns erlauben, uns zu entspannen.

Bewusste Ineffizienz als Schlüssel zur Zufriedenheit

Hufnagl fordert eine Kultur der bewussten Ineffizienz – allerdings nicht in großen Mengen, sondern in kurzen, regelmäßigen Dosen. Wenige Minuten des bewussten Abschaltens können reichen, um unser Gehirn zu beruhigen und dem Tagträumen Raum zu geben. Die Arbeitskultur müsse daher weniger auf kurzfristige Produktivität und mehr auf langfristige Motivation und Resilienz setzen. Diese Veränderung betrifft nicht nur den einzelnen Mitarbeiter, sondern vor allem auch die Führungskräfte, die, so Hufnagl, große Verantwortung tragen: Ihre Einstellung, ihr Verhalten und ihre Art zu kommunizieren und Sinn zu vermitteln seien hochgradig ansteckend.

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Wenn aus dem Müssen ein Wollen wird, arbeitet es sich gesünder

Laut Hufnagl nimmt die Zahl der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu, weil viele Aufgaben nur noch als notwendige Pflicht angesehen werden. Die Ursache liegt nicht nur in den äußeren Rahmenbedingungen, sondern oft auch im Umgang miteinander. Selbst ein perfekt ausgestatteter Arbeitsplatz hilft nur bedingt, wenn der innere Antrieb nicht unterstützt wird. Unser Gehirn lässt sich zwar eine Zeit lang durch den Druck äußerer Verpflichtungen steuern, aber für wirkliche Zufriedenheit und langfristige Belastbarkeit braucht es das Gefühl, dass die Arbeit sinnvoll und wertvoll ist.

Damit aus dem Müssen ein echtes Wollen wird, muss man darauf vertrauen können, dass die Aufgabe zwar herausfordernd, aber grundsätzlich machbar ist. Dieses Vertrauen gibt uns das subjektive Gefühl, eine Aufgabe bewältigen zu können. Der zweite Schlüsselfaktor ist die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen und nicht nur Anweisungen auszuführen. Partizipation ist entscheidend, damit wir uns nicht als bloße Erlediger, sondern als Mitgestalter fühlen, deren Ideen und Beiträge zählen und wertgeschätzt werden. Der dritte Faktor ist die Hoffnung auf positive Entwicklungen und ein Umfeld, das Vertrauen und Optimismus ausstrahlt. Ein Arbeitsklima, in dem die Bereitschaft zum Mitdenken gefördert wird und in dem Vertrauen zwischen den Kollegen herrscht, kann diesen Wandel zum Wollen verstärken. Gerade in Zeiten der Unsicherheit und des schnellen Wandels brauchen wir diese Haltung, um nicht nur zu funktionieren, sondern auch inspiriert und motiviert zu bleiben. Wenn dieses kulturelle Fundament gelegt ist, werden Belastungen nicht mehr als Hindernisse, sondern als gestaltbar und zu bewältigen wahrgenommen.

Work Culture Festival Impressionen

Ikonische Momente erleben Hier finden Sie eine erste kleine Auswahl an Fotos des Festivals.

Fazit: Ein Plädoyer für bewusste Pausen und gesundes Arbeiten

Dr. Bernd Hufnagls Botschaft an die Zuhörer war eindeutig: In einer immer komplexeren und digitalisierten Welt sind Pausen und eine positive Grundeinstellung keine Luxusgüter, sondern unverzichtbare Werkzeuge für ein gesundes und erfülltes Leben. Wenn wir unser Gehirn regelmäßig entlasten und uns Raum zum Atmen geben, können wir nicht nur unsere Leistungsfähigkeit steigern, sondern auch nachhaltige Zufriedenheit im Beruf und im Leben finden. Also ab sofort einfach „fünf Minuten am Vormittag und fünf Minuten am Nachmittag irgendwo auf eine Bank setzen und einfach nur doof in die Landschaft gucken“.

Dr. Bernd Hufnagl ist Neurobiologe, Hirnforscher, Autor und Experte für hirngerechtes Arbeiten. In seinen Publikationen und Vorträgen präsentiert er faszinierende neurowissenschaftliche und evolutionsbiologische Erkenntnisse, um hirngerechtes Arbeiten und Führen zu ermöglichen. Weitere Informationen: https://www.berndhufnagl.com/

 

Titelbild: © IBA