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Fachkräftemangel und Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen: Das Ende der Dynastien?

Fachkräftemangel

Übergabe eines Staffelstabs - iStock-Foto by Baona
Dirk Wiebusch Dirk Wiebusch ·
7 Minuten

Durch ihren familiären und traditionsbedachten Unterbau scheint die Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen oft eine ausgemachte Sache zu sein: Die eigenen Kinder oder Enkel bekommen die Firma. Ganz einfach – oder? Nicht ganz, denn die vermeintlichen familiären Erben eignen sich vielleicht gar nicht für die Position. Dann müssen Fachkräfte, die nicht zur Familie gehören, übernehmen. Doch woher sollen diese kommen? Und bedeutet dies das Ende von großen und kleinen Dynastien, wie wir sie bisher kannten?

Das Familienunternehmen – eine Definition

In Deutschland gibt es etwa 3,4 Millionen registrierte Unternehmen, von denen nur 17.000 einen Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro pro Jahr erzielen. Der Großteil der deutschen Unternehmen agiert also im Mittelstand, typischerweise als Teil einer Wertschöpfungskette zwischen Zulieferern und (großen oder kleinen) Endkunden. Diese Familienunternehmen bestehen in der Regel aus drei miteinander verbundenen Systemen:

  • Das Unternehmen, geführt vom Management
  • Der Eigentümer bzw. Unternehmer
  • Die Mitglieder der Unternehmerfamilie 

In der jetzigen wirtschaftlichen Situation stehen in Familienunternehmen als Schnittmenge zwischen diesen drei Systemen sieben Fokusthemen an oberster Stelle:

  1. Geschäftsmodell – insbesondere (nötige) Veränderungen und Anpassungen in modernen Geschäftsmodellen
  2. Digitalisierung – auch mit Blick auf den oft großen Unterschied zwischen Verwaltung und Produktion
  3. ESG und Nachhaltigkeit – beeinflusst unter anderem durch Digitalisierungsmaßnahmen
  4. Personal – Fachkräftemangel aufgrund technologischen Wandels, regionaler Unterschiede und Konkurrenz
  5. Nachfolge – zum Beispiel die Frage, ob ein interner Nachfolger oder ein externer Manager gesucht wird
  6. Privatvermögen – zwischen Unternehmen, Immobilien und Wertpapieren
  7. Asset und Family Protection – Schutz vor externen Einflüssen wie Cyberkriminalität etc. 

Diese Punkte verdeutlichen bereits die Komplexität, mit der man sich in einem Familienunternehmen auseinandersetzt – und mit denen sich ein potenzieller Nachfolger zwangsläufig arrangieren muss.

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Fachkräftemangel im Familienunternehmen

Wer den Fachkräftemangel im Unternehmen bekämpfen möchte, muss sich zwangsläufig mit allen sieben Fokusthemen auseinandersetzen – insbesondere Geschäftsmodelle und Digitalisierung sowie ESG und Nachhaltigkeit, da Fachkräftethemen nur auf dieser Basis sinnvoll aufbauen können.

Darüber hinaus muss eine Unterscheidung zwischen vier Ebenen vorgenommen werden: Management, Führungskräfte, Spezialisten und Facharbeiter. Denn nicht in jeder Branche herrscht auf Facharbeiter-Ebene derselbe Fachkräftemangel wie beispielsweise auf Management-Ebene. Und ebenso können regionale Rahmenbedingungen den Fachkräftemangel beeinflussen. Zum Beispiel führt die Nähe zur Schweiz in einigen Regionen auf deutscher Seite zu einem Mangel, da Fachkräfte zu deutlich höheren Gehältern morgens über die Grenze zur Arbeit fahren und abends wieder zurückkommen können. Oder ein Großunternehmen zahlt hohe Gehälter auch für eher weniger qualifiziertes Personal und macht damit anderen Unternehmen das Leben schwer.

Fachkräftemangel wird vor allem von jenen Unternehmen als Belastung empfunden, die kein zielgerichtetes Personalmanagement verfolgen und notwendige Neuerungen ignorieren. Wer seine Geschäftsmodelle und Personalstrategien jedoch weiterentwickelt, wird den Mangel auch als Chance zur Weiterentwicklung wahrnehmen können. Denn der Druck, neue Fachkräfte zu suchen, kann zu Erneuerungen im Unternehmen führen. Zum Beispiel, indem die Vorgaben für Bewerber nicht mehr so strikt ausgelegt werden, sodass frisches Blut ins Unternehmen kommt, das vielleicht auch mal den Blick über den Tellerrand wagt.

Genauso müssen nicht jede Kündigung und jeder Positionswechsel negativ gesehen werden. Denn junge, ambitionierte (potenzielle) Mitarbeiter frustriert es eher, wenn alle Positionen seit Jahren immer von denselben Leuten besetzt sind. Dann gibt es keine Aufstiegschancen – also auch keine Motivation und Innovationskraft. Doch auch Unternehmen, in denen automatisch der langjährigste Mitarbeiter zur Führungskraft befördert wird, haben mit Motivationsproblemen zu kämpfen. Denn nur weil jemand lang genug dabei war, bedeutet das nicht, dass es sich um eine geborene Führungskraft handelt – und das merken die Mitarbeiter schnell.

Familienunternehmen und Unternehmensnachfolge

Wenn man bedenkt, dass von 100 Existenzgründungen schon nach 10 Jahren nur noch 4 erfolgreich bestehen, dann wird schnell klar, dass diese Unternehmer eine große Portion Hartnäckigkeit, Resilienz und Durchhaltevermögen mitbringen. Statistisch schaffen 74 von 100 Unternehmen die Übergabe vom Unternehmer auf die Kinder – doch bei der Übergabe von den Kindern auf die Enkelkinder sind es schon nur noch 46 Unternehmen. Man sieht: Die Nachfolge im Familienunternehmen ist keineswegs ein Selbstläufer. Grundsätzlich gilt: Wer zumindest die ersten vier unserer sieben Fokusthemen nicht sauber löst, der wird auch bei der Nachfolgeplanung in Schwierigkeiten geraten. Und auch der Unternehmensverkauf wird dadurch erschwert, wenn nicht sogar unmöglich. Oder der Preis wird vom Käufer stark reduziert, weil er ja die Mängel beheben muss.

Die Nachfolgeplanung lässt sich in drei wesentliche Ebenen unterteilen:

  1. Übergabe der operativen Geschäftsführung
  2. Übergabe der Unternehmensanteile
  3. Übergabe der Vermögenswerte, die nicht Teil des Unternehmens sind 

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Dabei wird häufig der Fokus ausschließlich auf eine steueroptimierte Übergabe von Vermögenswerten gelegt. Meiner Meinung nach sollte stattdessen der Schwerpunkt auf der Übergabe der operativen Geschäftsführung liegen, wo es oft noch an einem strategischen Plan fehlt. So ist sichergestellt, dass die Firma nicht nur in den Besitz des Nachfolgers übergeht, sondern dieser auch in der Lage ist, die Geschäfte fortzuführen.

Eine solche Vorbereitung ist äußerst wichtig. Darum sollte sie gezielt und strategisch geplant werden – und gleichzeitig etwas Flexibilität erlauben. Denn es gibt keinen festen Punkt, an dem ein Unternehmer in den Ruhestand gehen muss. Manche sind mit 70 noch topfit, während andere bereits mit 40 einen Nachfolger nötig haben. Darum sollte das Thema schon früh in Angriff genommen werden, um den Nachfolger frühzeitig ins Unternehmen einzuführen. Denn der Unternehmer hat das Unternehmen allein oder mit wenigen Leuten aufgebaut, während sich der Nachfolger in Strukturen einarbeiten muss, die über viele Jahre oder Jahrzehnte organisch gewachsen sind. Doch Vorsicht: Wenn der Unternehmer nicht will, dann lässt sich eine Nachfolgeplanung kaum erzwingen. Bei Unternehmern spielt häufig der psychologische Effekt eine Rolle, dass sie gebraucht werden wollen. Sie müssen also wirklich bereit sein, das Unternehmen loszulassen und abzugeben.

Das fällt sicherlich leichter, wenn der Nachfolger bereits demonstriert hat, dass er das Unternehmen führen kann. Darum sollte die Eignung eines Kandidaten realistisch beurteilt werden, auch wenn es sich um das eigene Kind handelt. Und es hilft, wenn der Unternehmer bereits eine Idee hat, was er nach der Übergabe mit seinem Leben noch anfangen möchte. Denn wenn nach den vielen Jahrzehnten im Unternehmen keine Beschäftigung da ist, mit der man den Tag füllen kann, dann halten schnell Langeweile, Schwermut oder Schlimmeres Einzug.

Fazit: Unternehmensnachfolge ist eine strategische Aufgabe

Die Nachfolgeregelung gehört zu den wichtigsten strategischen Aufgaben eines jeden Familienunternehmers – ungeachtet der Größe eines Unternehmens, sei es ein 10-Mann-Betrieb oder ein Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern und Hunderten Millionen Euro Umsatz. Unternehmen, die sich jetzt zukunftsfähig aufstellen und professionell agieren, können langfristig Erfolge feiern. Nutzen Sie diese spannenden Zeiten als Herausforderung und ergreifen Sie die Chancen, die sie Ihnen bieten. Je besser Sie sich jetzt vorbereiten, desto schwächer erscheint die Konkurrenz.

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Dirk Wiebusch ist Geschäftsführer und Gründer des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) und seit über 30 Jahren in der Beratung von Unternehmerfamilien tätig. Im Spannungsfeld von Unternehmen und Familie arbeitet er die unterschiedlichen Interessen heraus und analysiert Konflikte, um sie einer umfassenden Lösung zuzuführen. In diesem Prozess ist er mit IFUF Mentor und unterstützender Begleiter der Familie. Er ist persönlicher Vertrauter etlicher Unternehmerfamilien und weiß, worauf es für Unternehmer bei der Unternehmensnachfolge ankommt. Weitere Informationen unter https://www.ifuf.de/ und  https://dirkwiebusch.de/.

Titelbild: © baona – iStock