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Interview mit Teddy Tewelde: Future Skills – welche Veränderungen in Bildung und Arbeit notwendig sind, um die Welt von morgen mitzugestalten

Work Culture

Teddy Tewelde, Credit: Philip Nürnberger
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
9 Minuten

Teddy Tewelde, Mitbegründer von PxP EMBASSY e. V. und Vorstandsmitglied der Future Skills Alliance, gilt als Innovator im Bereich Bildung und Zukunftskompetenzen. Gemeinsam mit dem Musiker, Sozial- und Kulturunternehmer Fetsum Sebhat wird er auf dem Work Culture Festival in einem Panel zum Thema Future Skills sprechen. Der IBA Forum Redaktion stand er vorab für ein Gespräch zur Verfügung.

Was genau ist bzw. was genau macht PxP?

PxP ist eine Bildungsinitiative, die während der Flüchtlingskrise ins Leben gerufen wurde. Unser Ziel war es von Anfang an, jungen Menschen zu helfen, die vor einer ungewissen Zukunft stehen. Dabei geht es nicht nur um ihre beruflichen Perspektiven, sondern um ihr Leben insgesamt. Die Welt verändert sich rasant – durch Technologie, Naturereignisse und politische Umbrüche – und wir sehen, dass junge Menschen in dieser Situation oft allein gelassen werden. In der Schule werden sie häufig noch mit veralteten Methoden unterrichtet, die sie nicht ausreichend auf die Zukunft vorbereiten. Genau hier setzen wir an. Wir fragen junge Menschen, was ihnen fehlt und wie wir sie am besten unterstützen können. So bauen wir eine Brücke zwischen dem vorhandenen Wissen und der Neugier der Jugendlichen. PxP will nicht nur auf diese Themen aufmerksam machen, zum Beispiel durch unsere großen Events wie das PxP-Festival, sondern bietet auch direkte, praktische Unterstützung – etwa durch Kurse. Bildung ist der Schlüssel, um jungen Menschen Perspektiven zu öffnen. Deshalb haben wir das Festival zu einer Plattform für das Thema Zukunftskompetenzen weiterentwickelt. Dabei geht es um die Frage, welche Fähigkeiten, die sogenannten Future Skills, die nächste Generation braucht, um in einer sich verändernden Welt erfolgreich zu sein.

Wie sollte das Bildungssystem von morgen aussehen?

Das Bildungssystem von morgen sollte viel dynamischer und individueller gestaltet sein. Wir müssen uns von veralteten Strukturen lösen und stattdessen Lernumgebungen schaffen, die besser auf die Bedürfnisse der Lernenden eingehen. Dazu gehört auch, die Bildungsakteure stärker in den Lernprozess einzubinden und sie zu befragen: Was brauchen junge Menschen, um besser zu lernen? Ein zentraler Aspekt ist die Anpassung der Inhalte und Kompetenzen an die sich schnell verändernde Gesellschaft. Weg vom Auswendiglernen, hin zu projektorientiertem, kollaborativem Arbeiten – also den Methoden, die auch in der modernen Arbeitswelt gefragt sind. Dabei ist es wichtig, dass Lernen spielerisch und praxisnah erfolgt, damit Jugendliche mit Freude und Neugier lernen und Inhalte langfristig verinnerlichen. Statt starrer Noten brauchen wir Feedbackgespräche, die individueller auf die jeweiligen Stärken eingehen und es den Lernenden ermöglichen, sich weiter zu verbessern. Es sollte darum gehen, echte, lebensrelevante Kompetenzen zu fördern und nicht nur Wissen für Prüfungen anzuhäufen, das nach dem Auswendiglernen direkt wieder vergessen wird. Mein Wunsch ist, dass sie künftig mehr positive Erinnerungen an ihre Schulzeit haben, nicht nur an das Abschlussfest, sondern an viele kleine Highlights, die sie auf ihrem Weg gestärkt haben.

Wie müsste dann deiner Meinung nach Schule in Zukunft gestaltet sein?

Schule sollte viel stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler eingehen und sich von dem klassische Bewertungssystem mit starren Noten abwenden. Noten sind oft destruktiv und sagen wenig über das tatsächliche Potenzial oder die Fähigkeiten eines Kindes aus. Stattdessen sollten wir ein flexibleres und differenzierteres Feedbacksystem einführen, das Stärken und persönliche Entwicklungsfelder berücksichtigt. Kleinere Lerngruppen bilden, in denen es sich dynamischer und effizienter arbeiten lässt. Lehrkräfte könnten hier eine Mentorenrolle übernehmen und den Lernprozess eher lenken als vorgeben, also einen Rahmen geben, statt reines Wissen zu vermitteln. Es geht darum, den Lernenden Raum zu geben, ihre eigenen Grenzen zu entdecken, Kreativität zu entwickeln und Zusammenarbeit zu fördern. Diese Fähigkeiten sind nicht nur für die Arbeitswelt essenziell, sondern für das Leben insgesamt. Das derzeitige Notensystem konzentriert sich oft auf das Auswendiglernen, statt individuelle Stärken und Talente zu fördern. Ein Kind, das aber vielleicht Schwierigkeiten beim Auswendiglernen hat, könnte über hervorragende kreative oder analytische Fähigkeiten verfügen, was durch ein reines Zahlensystem jedoch nicht sichtbar wird. Deshalb sollte Schule in Zukunft die Vielfalt der Fähigkeiten differenzierter erfassen und gezielt fördern. Außerdem müssen wir die Erwachsenen, vor allem die Eltern, stärker sensibilisieren. Oft halten sie an alten Bildungssystemen fest, weil sie selbst so gelernt haben und meinen, es habe ihnen nicht geschadet. In einer sich schnell verändernden Welt müssen aber auch sie lernen, offen für neue Ansätze zu sein und ihren Kindern die Chance zu geben, in einer modernen, zukunftsorientierten Lernumgebung persönlich zu wachsen.

Besuchen Sie das Work Culture Festival von 22. bis 25. Oktober auf der ORGATEC in Köln

Talk mit Teddy Tewelde und Fetsum Sebhat am 23. Oktober von 15.30 bis 16.15 Uhr Talk „Future Skills: Welche Veränderungen es in Bildung und Arbeit braucht, um die Welt von morgen mitzugestalten“. Jetzt einen Blick ins Programm werfen und Ticket sichern!

Was sind für dich wichtige Future Skills?

Für mich gehören zu den wichtigsten Future Skills ganz klar Kreativität und Kollaboration. In einer immer komplexer werdenden Welt müssen wir in der Lage sein, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten und kreative Ansätze zu finden, um Probleme zu meistern. Ein weiterer zentraler Future Skill ist das kritische Denken. Gerade in Zeiten der Informationsflut, in denen wir mit unzähligen Nachrichten und Daten konfrontiert werden, ist es entscheidend, diese zu verstehen, zu hinterfragen und richtig zu interpretieren. Junge Menschen müssen lernen, Informationen aus sozialen Medien oder dem Internet kritisch zu filtern – nicht nur in Bezug auf wahr und falsch, sondern auch in Bezug auf die Authentizität und Relevanz der Daten. Darüber hinaus spielen technische Kompetenzen wie das Coden eine wichtige Rolle. Sie sind unerlässlich, um in einer zunehmend digitalen Arbeitswelt erfolgreich zu sein. Es geht aber nicht darum, eine feste Liste von zehn Future Skills zu haben, die man erwirbt. Vielmehr handelt es sich um einen dynamischen Prozess, in dem wir uns ständig an die sich verändernde Umwelt anpassen und neue Kompetenzen ausbilden. Flexibilität und Lernbereitschaft sind hier ebenso wichtig wie die spezifischen Fähigkeiten selbst.

Welche Rolle wird Technologie in Zukunft in der Arbeitswelt spielen und was macht das mit anderen Skills wie zum Beispiel der Kreativität?

Technologie wird viele Bereiche drastisch verändern. Einige Berufe, die wir heute kennen, wird es in ihrer heutigen Form nicht mehr geben, gleichzeitig bietet Technologie aber auch enorme Chancen. Ich bin optimistisch, denn wenn wir weniger Angst vor Veränderungen haben, können wir die neuen Möglichkeiten besser nutzen. Ein gutes Beispiel ist ein Grafikdesigner, der plötzlich mit KI-Technologien konfrontiert wird. Anstatt das als Bedrohung zu sehen, kann er sich anpassen und die Technologie zu seinem Vorteil nutzen. Er muss vielleicht nicht mehr jede grafische Aufgabe selbst erledigen, sondern lernt, wie er KI optimal einsetzen kann, um Kundenwünsche besser zu erfüllen. Das erfordert eine neue Form der Kreativität – zum Beispiel die Fähigkeit, die richtigen Prompts zu geben. Technologie verändert aber nicht nur Arbeitsprozesse, sondern auch unser Verständnis von Kreativität. Kreativität geht über die Gestaltung von Bildern hinaus und bedeutet, neue Ideen, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Sie kann uns helfen, innovative Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden, sei es in Kunst, in Medizin oder in anderen Bereichen. Nehmen wir den medizinischen Fortschritt. Ein Onkologe hat mir kürzlich erzählt, wie viel präziser und schneller Krebstherapien dank neuer Technologien entwickelt werden können. Das zeigt, welchen Segen die Technik bringen kann, wenn sie sinnvoll eingesetzt wird. Aber Technologie hat immer zwei Seiten. Wird sie falsch eingesetzt, kann sie Schaden anrichten. Setzen wir sie aber klug und verantwortungsvoll ein, kann sie uns Welten eröffnen. Besonders faszinierend finde ich, dass Technik heute vielen Menschen Zugang zu Wissen und Möglichkeiten bietet, die früher undenkbar waren. Für junge Menschen auf der ganzen Welt ist das eine große Chance, sich zu entfalten, innovativ zu sein und sogar unternehmerisch tätig zu werden – mit weniger Mitteln, als sie früher notwendig waren.

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Wie können sich junge Menschen auf die Anforderungen der Arbeitswelt vorbereiten und was können Unternehmen tun, um den Wandel zu begleiten?

Junge Menschen brauchen mehr praxisnahe Bildung, Freiräume und den Zugang zu modernen Technologien. Schulen sollten mehr digitale Ressourcen und Möglichkeiten zur Verfügung stellen, die es den Schülern erlauben, eigenständig zu lernen und ihre Kreativität zu entfalten. Gleichzeitig liegt es an den jungen Menschen selbst, die Initiative zu ergreifen und über verschiedene Kanäle und attraktive Plattformen Wissen zu erwerben. Unternehmen müssen den Wandel mitgestalten, indem sie gemeinsam mit der Politik und Bildungseinrichtungen zukunftsorientierte Rahmenbedingungen schaffen, die Innovation und Anpassungsfähigkeit fördern. Ein Weiter-so reicht nicht mehr, um notwendige Fortschritte in der Arbeitswelt zu erreichen.

Eine letzte Frage: Warum sollten Besucher unbedingt zu eurem Panel auf dem Work Culture Festival kommen?

Weil wir Bildung und Gesellschaftspolitik aus einer einzigartigen, persönlichen Perspektive diskutieren. Wir sprechen ehrlich über unsere eigenen Erfahrungen – sei es als Schüler, als Menschen, die selbst erlebt haben, wie schwierig das Ankommen in Deutschland sein kann, und als Akteure, die die Zukunft mitgestalten. Wer neugierig auf das Thema Future Skills ist und verstehen möchte, wie wir alle, unabhängig von unserer Herkunft, Teil dieser Zukunft sein können, wird bei uns wertvolle Impulse erhalten.

Teddy, vielen Dank für das Gespräch.

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Teddy Tewelde, Mitbegründer von PxP EMBASSY e. V. und Vorstandsmitglied der Future Skills Alliance, ist ein dynamischer Innovator im Bereich Bildung und Zukunftskompetenzen. Aus dem PxP-Festival, Europas größtem Benefizfestival für Kinder, ist die PxP Embassy e. V. entstanden. In den letzten zwei Jahren hat Teddy Future Skills an einer Brennpunktschule unterrichtet, um jungen Menschen Orientierung und Unterstützung bei ihrer beruflichen Laufbahn zu bieten. Teddys Vision: Bildung als Schlüssel zu einer gerechten, hoffnungsvollen Zukunft. Weitere Informationen unter: https://www.linkedin.com/in/teddy-tewelde/ und https://www.linkedin.com/company/pxpembassy/.

Titelbild: Philip Nürnberger