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Hybrid Work is the new black: Interview mit Innovations- und Raumexperten von Dark Horse Innovation und Dark Horse Workspaces

Workspaces of Tomorrow

Christian Beinke und Erkan Karakoç
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
10 Minuten

Die Arbeitswelt ändert sich rapide. Teamwork, Agilität und Kreativität prägen zunehmend unsere Jobs. Doch oft hinken die Arbeitsumgebungen hinterher. Das macht Arbeit unattraktiv und ineffizient. Ein Interview mit Christian Beinke von Dark Horse Innovation und Erkan Karakoç von Dark Horse Workspaces über neue Arbeitswelten und Innovationsdesign.

Arbeit hat sich von Routinetätigkeiten hin zu immer mehr Tätigkeiten mit Problemlösungscharakter entwickelt. Die Arbeitsumgebungen hinken dieser Entwicklung jedoch häufig hinterher. Welche Eigenschaften brauchen Arbeitsumgebungen, um Kreativität, Austausch und Innovation zu ermöglichen?

Christian Beinke: Ich würde das Eingangsstatement sogar ein wenig infrage stellen. Ich glaube nicht, dass sich die Arbeit völlig von Routinetätigkeiten entfernt hat. Das ist eine interessante Wahrnehmung, aber beides, Arbeit und Problemlösung, steht immer nebeneinander. Und Wissensarbeit ist zum Teil ja auch Routinearbeit, weil das grundsätzliche Ziel einer Organisation ist, Arbeit zur Routine zu machen. Auch in Zukunft wird es Routinen geben, selbst wenn KI einen Teil der Wissensarbeit zu automatisieren droht. Neben der Routinearbeit gibt es den Teil, den wir in unserer Wahrnehmung oft höher bewerten. Dieser Teil der Entwicklung ist in gewisser Weise immer eine Form der Problemlösung. In diesem Bereich würde ich dem Statement voll zustimmen. Es wird daher in Zukunft wichtig sein, ein Verständnis dafür zu entwickeln, welche Art von Arbeit habe ich in einem Unternehmen, wie organisiere ich das besonders gut und entsprechend der gegebenen Struktur, was sind dafür die richtigen Arbeitsmodi oder die perfekte Arbeitsumgebung.

Erkan Karakoç: Im Kern geht es darum, die Mitarbeiter mitzunehmen, zu verstehen, wie und in welchen Modi sie arbeiten. Dann pro Abteilung eine DNA zu formulieren, die beschreibt, wie viel Einzelarbeit, wie viel Teamarbeit, wie viel Fokusarbeit oder auch Socializing es im Arbeitsalltag gibt. Wenn man das auf das Unternehmen hochrechnet, kann man die Nutzerbedürfnisse ganz klar erkennen und das ist dann die Grundlage, um Arbeitsumgebungen entsprechend zu gestalten. Immer mit dem Blick auf die konkrete Arbeit, die die Mitarbeiter verrichten und deren Intensität. Daraus ergeben sich die entsprechenden Raumeigenschaften. Was sich durch Hybrid Work abzeichnet, ist, dass das Büro vielschichtige Angebote abbilden muss. Zum Beispiel konzentriertes Arbeiten mit speziellen Lösungen wie Bibliotheken, in denen ruhig und konzentriert gearbeitet werden kann. Im Gegenzug werden aber auch Räume wichtiger, in denen man Socializing betreiben kann, wie beispielsweise Marktplätze.

Zitat Symbol

„Wenn man zu Hause immer digital ist, will man im Büro vor allem Menschen treffen, auf der anderen Seite aber auch fokussiert arbeiten, und zwar in der Qualität wie zu Hause.“ Erkan Karakoç

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Ihr schreibt in eurem Buch Thank God it’s Monday, dass, wenn es um wirklich neue Arbeitsformen geht, Innovation immer im Mittelpunkt steht. Und Innovation eine ganze Kultur und nicht nur eine Methode braucht. Deshalb habt ihr bei Dark Horse Design Thinking für euch umgedeutet und sprecht von der „Designifizierung“. Was genau meint ihr damit?

Christian Beinke: Wir haben das Buch 2013 veröffentlicht, weil wir damals als Innovationsagentur einen Erkenntnisweg gegangen sind. Trotz der Innovationswelle und dem ganzen Hype seit 2006/2007, bei dem sich viele Unternehmen auf den Weg zu mehr Innovation gemacht haben, mussten wir feststellen, dass es an der entsprechenden Kultur und an entsprechenden Räumen fehlt. Das haben wir dann für uns vernetzt. Denn immer, wenn wir beim Kunden waren, kamen Aussagen wie: Wir können hier nicht so gut arbeiten. Also haben wir sie zu uns eingeladen. Und dieses Rauskommen aus der eigenen Arbeitsumgebung in einen speziell von Dark Horse gestalteten Raum mit definierten Regeln hat den Kunden dann total geholfen, ganz neu zu denken. So sind wir irgendwann auf den Begriff der Designifizierung gekommen, weil wir gemerkt haben: Alles ist gestaltbar. Und Design hört nicht bei Produkten und Services auf, sondern erstreckt sich über alle Gestaltungsebenen. Unternehmen können und müssen gestaltet werden, ihre Kultur, Struktur, Ziele, Strategie, aber auch ihre Umwelt. Wir hatten damals das Gefühl, dass wir uns am Beginn einer Ära der Designifizierung befinden, in der immer mehr Menschen bewusst wird, dass sie nicht passiv bleiben dürfen, sondern aktiv ihre (Arbeits-)Welt gestalten müssen, wenn diese langfristig lebenswert sein soll.

Was wir heute beobachten, ist, dass es eine enorme Bandbreite von Unternehmen gibt. Unternehmen, deren Innovationskultur auf einem sehr hohen Niveau ist, aber auch Unternehmen, die noch ganz am Anfang stehen. Was wir aber auch beobachten, ist, dass es in letzter Zeit immer mehr Unternehmen der öffentlichen Hand gibt, die sich im Themenfeld Innovation bewegen. Hier hat sich unglaublich viel getan in den letzten Jahren und es zeigt, dass es sich für viele Organisationen lohnt, mehr in Kulturwandel und Innovation zu investieren.

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Innovativ zu sein bedeutet, Dinge anders zu machen. Neu zu denken, auszuprobieren, Grenzen auszuloten – schließlich will man ja raus aus der Box und über den Tellerrand hinausschauen. Was heißt das für das Büro der Zukunft? Welche Funktion wird es erfüllen und welche Eigenschaften braucht es dafür?

Erkan Karakoç: Im Rahmen unserer Arbeit bei Dark Horse Workspaces haben wir drei Hybrid-Work-Unternehmenstypen kategorisiert. Zum einen gibt es Unternehmen, die sagen, bei uns müssen die Leute vier Tage die Woche im Büro sein. Hier geht es darum, die Organisation zu schützen und die Innovationsfähigkeit durch die gemeinsame Präsenz, durch die zufällige Begegnung, durch das gemeinsame Entwickeln von Ideen zu erhalten. Dann gibt es Unternehmen, die aus opportunistischen Gründen sagen, zwei Tage Homeoffice, drei Tage Büro ist okay. Sonst kriegen wir hier niemanden zum Arbeiten, sonst sind wir nicht modern genug, um neue Mitarbeiter zu finden. Und dann gibt es Unternehmen, die ihre Mitarbeiter als Empowered People sehen, für die unternehmerisches Denken und eigenverantwortliches Handeln Standard sind, das heißt, die treffen sich vielleicht nur einmal die Woche oder alle zwei Wochen, um sich abzustimmen, weil Arbeit so organisiert ist, dass es die Leistung nicht beeinträchtigt. Hier ist das Thema Identität und Kultur natürlich schwieriger zu fassen, weil man sich nicht so oft sieht. In diesem Spektrum muss man das Büro der Zukunft betrachten. Wie werden sich Unternehmen aufstellen, ihre Arbeitsprinzipien definieren und was brauchen sie und die Mitarbeiter, um ihre Leistung optimal zu erbringen? Aus diesem Setting ergibt sich dann die Arbeitsumgebung. Menschen, die viermal die Woche ins Büro kommen, brauchen alle möglichen Arbeitsmodi vor Ort. Empowerten Mitarbeitern muss man eher einen Marktplatz zur Verfügung stellen und ausreichend Möglichkeiten für Ruhearbeit. In diesem Spektrum wird sich dann auch das Büro der Zukunft verorten. Dabei orientiert sich eine optimierte Arbeitsumgebung immer an den Bedürfnissen seiner jeweiligen Nutzer.

Christian Beinke: Spannend finde ich, dass es auf die Frage keine allgemeingültige Antwort gibt. Denn gerade weil sich die Arbeitswelt durch hybrides Arbeiten so wahnsinnig verändert hat, müssen Unternehmen ganz neu über Raum nachdenken. Raum wird nun Teil der Unternehmensstrategie. Weil ich plötzlich darüber nachdenken muss, was brauchen die Menschen in der Organisation, um gute Arbeit leisten zu können. Gleichzeitig gibt es so etwas wie soziale Bedürfnisse – der Mitarbeiter als Mensch –, sonst kommt er nicht mehr zu mir, das heißt, ich muss auch sozioökonomische Rahmenbedingungen berücksichtigen. Und in diesem Rahmen muss ich strategisch überlegen, wie ich Arbeitsräume gestalte, damit ich als Unternehmen wettbewerbsfähig bleibe. Und das ist eine strategische Frage, die es so vor zehn Jahren einfach noch nicht gestellt hat. Plötzlich ist Raum ein Differenzierungsmerkmal und ein strategisches Werkzeug für Unternehmen. Und diesen Teil des Wandels finde ich besonders interessant.

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Wie ist eure Vision des Büros der Zukunft?

Christian Beinke: Ich glaube an Bedürfnisgerechtigkeit. Also nicht das normative „So ist es jetzt“, sondern die individuelle Bestimmung des perfekten Arbeitsorts. Denn am Ende geht es immer darum, die bestmögliche Arbeit zu machen. Das ist der erste Schritt. Und neben der guten Arbeit geht es dann darum, wie ich mich als Person, als Mitarbeiter weiterentwickle. Da bin ich beim Thema Lernen. Und das ist unglaublich vielschichtig und komplex. Ich kann durch Eigeninitiative, durch Feedback, durch Abschauen von Kollegen lernen – was bei Arbeit im Homeoffice völlig wegfällt –, ich kann durch Seminare lernen, brauche dann aber wieder das Feedback im Alltag, also der Austausch ist hier sehr wichtig. Und Lernen ist ein Teil von mir als Mitarbeiter, der sich weiterentwickeln möchte. Und da sind wir wieder bei dem Differenzierungsmerkmal, das ich vorhin angesprochen habe. Jedes Unternehmen muss für sich definieren: Wie kann ich besser sein als andere Unternehmen am Markt, aber gleichzeitig auch als Organisation? Und dazu gehören natürlich auch die Mitarbeiter mit ihren Kompetenzen. Denn diese machen ein Unternehmen einzigartig und schaffen einen Wettbewerbsvorteil. Und diesen Wettbewerbsvorteil muss ich natürlich auch mit der Umgebung bieten. Dazu benötigen Mitarbeiter ein Arbeitssetting, in dem sie ihre Leistung optimal erbringen können. Und da sind wir wieder bei dem Punkt, den Erkan vorhin angesprochen hat. Wenn mein Differenzierungsmerkmal ist, total effizient zu sein, dann brauche ich ein Arbeitsumfeld, das total effizient ist. Wenn mein Differenzierungsmerkmal ist, innovativer als meine Wettbewerber zu sein, dann muss ich ein Arbeitssetting bieten, in dem meine Mitarbeiter auch zusammenkommen können, um sich auszutauschen, um Ideen zu entwickeln und entsprechenden Freiraum in der Arbeit zu haben. Ausgehend von meinem unternehmensspezifischen Differenzierungsmerkmal – und das ist dann eine strategische Frage –, muss ich meine Arbeitsumgebung so bauen, dass sie für die Mitarbeiter perfekt ist und ihren Wettbewerbs- oder Kompetenzvorteil maximiert. Dann wird Raum automatisch zu einer individuellen Lösung, die zu dem entsprechenden Unternehmen passt und einzigartig ist.

Erkan Karakoç: Nur eine kleine Ergänzung. Wenn die Mitarbeiter in den Gestaltungsprozess einbezogen werden, ist das das Tüpfelchen auf dem i. Dann identifizieren sie sich mit den Räumen. Sie wissen, das ist ihr Montagswelt-Arbeitsplatz, ein Ort, den man nach dem Wochenende gern aufsucht und an dem man seine Arbeitszeit optimal verbringt. Dann ist alles vorhanden, was sie brauchen, um gut arbeiten zu können. Aber hierfür gibt es keine Blaupause. Raumgestaltung ist ein individualisierter Prozess, der sich an den jeweiligen Bedürfnissen der Nutzer orientieren muss. Das erleben wir bei Dark Horse Workspaces regelmäßig in den Projekten.

Erkan und Christian, vielen Dank für das Gespräch.

Erkan Karakoç ist Geschäftsführer und Mitgründer der Dark Horse Workspaces GmbH. Dark Horse Workspaces entwickelt nach Design-Thinking-Prinzipien nutzerzentrierte Arbeitsumgebungen, die sich an den Bedürfnissen von Teams und Organisationen orientieren. Damit unterstützt das Unternehmen New-Work-Pioniere dabei, ihre Vision zu entwickeln, alle Beteiligten mitzunehmen und eine neue Arbeitsumgebung zu designen und zu planen, die Arbeit besser macht. Weitere Informationen unter https://www.darkhorseworkspaces.de/.

Christian Beinke ist Gründer und Partner der Innovationsberatung und ‑agentur Dark Horse GmbH. Dark Horse beschäftigt sich mit der Entwicklung von Menschen und Kultur, Strategien und Strukturen, Produkten, Services und Arbeitswelten. Christian Beinkes Steckenpferde sind Innovation und Strategie. Er hält Vorträge zum Thema und hat das Buch Thank God it’s Monday geschrieben. Weitere Informationen unter https://www.thedarkhorse.de/.

Titelbild: Dark Horse Workspaces GmbH & Dark Horse GmbH