Welche Probleme und Chancen ergeben sich bei der Gestaltung nachhaltiger und zukunftsorientierter Arbeits- und Lebensräume? Im Interview mit Malte Kopmann, Experte für Arbeits- und Lernwelten bei Drees & Sommer, sprechen wir über den Wandel von Bestandsimmobilien, die Vorreiterrolle der öffentlichen Verwaltung und wie innovative Lösungen zu einem positiven Arbeitsumfeld beitragen können.
Drees & Sommer hat sich zum Ziel gesetzt, einen positiven Beitrag zu einer nachhaltigen und lebenswerten Welt zu leisten. Welche Aspekte sind in diesem Zusammenhang bei Bauprojekten besonders wichtig?
Ein nachhaltiges und lebenswertes Bauprojekt zeichnet sich für uns durch mehrere Aspekte aus. Zum einen steht der Klimaschutz im Mittelpunkt, aber auch die wirtschaftliche Nachhaltigkeit spielt eine wichtige Rolle. Gerade in der Baubranche, die für einen großen Teil der globalen Emissionen verantwortlich ist, müssen wir kritisch hinterfragen, was wirklich gebaut werden muss und wie wir Projekte von der Konzeption bis zur Nutzung optimieren können. Dabei geht es nicht nur um die Errichtung von Gebäuden, sondern auch um ihren langfristigen Betrieb. Zudem setzen wir auf neue, intelligente Lösungen – sei es bei Baustoffen, Bauprozessen oder durch den Einsatz digitaler Technologien. Sie helfen uns, Prozesse zu verschlanken und Projekte sowohl ökologisch als auch ökonomisch nachhaltiger zu gestalten – und dabei die immer Nutzer im Blick zu behalten. Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Flexibilität bei der Raumnutzung. Wir achten darauf, dass Gebäude bestmöglich ausgelastet sind und sich leicht an veränderte Bedürfnisse anpassen lassen – denn die Anforderungen ändern sich heute schneller denn je.
Welche Probleme begegnen euch bei der Umsetzung?
Das Fehlen von qualitativen Entscheidungskriterien und leider fehlt oft auch der Mut, diese stringent einzusetzen. Unter Zeitdruck wird am Anfang häufig versäumt, inhaltliche und nutzerzentrierte Projektziele zu definieren. Selbst wenn Ziele definiert sind, wird während der Umsetzung unter steigenden Kostendruck reflexartig allein auf kurze Zeit und schnelles Geld geachtet. Inhaltliche Qualität und nutzungsbezogene Nachhaltigkeit werden oft hintangestellt oder nicht ausreichend reflektiert. Um dem entgegenzuwirken, starten wir unsere Projekte bewusst mit einer klaren Vision und auf hohen Flughöhe. Wir entwickeln frühzeitig einen qualitativen Kompass, der uns hilft, Entscheidungen inhaltlich zu fundieren. So können wir auch in späteren Phasen, in denen Kosten- und Terminvorgaben dominieren, die richtigen Prioritäten setzen.
Zu Umsetzung gehören allerdings nicht nur die baulichen, sondern auch die organisatorischen Veränderungen. In der Regel tauchen Themen wie Zusammenarbeit und Führung überhaupt nicht als Handlungsfelder in Projekten auf. Es geht nicht mehr nur um die technische Planung, sondern darum, wie Menschen miteinander arbeiten und wie Führungskräfte Teams durch Veränderungsprozesse führen. Diese zwischenmenschlichen Aspekte sind entscheidend, nicht nur während der Projektentwicklung, sondern auch danach, wenn es darum geht, in einer veränderten Arbeitsumgebung erfolgreich zu sein. Daher begleiten wir unsere Projekte grundsätzlich auch im Bereich Change Management.
Liegt die Zukunft im Bestand?
Meiner Meinung nach ja. Bestandsimmobilien spielen eine zentrale Rolle bei der Gestaltung nachhaltiger Immobilienprojekte. Sie bieten das Potenzial, den CO₂-Fußabdruck der Bau- und Immobilienbranche zu reduzieren und gleichzeitig verantwortungsvoll mit Ressourcen umzugehen. An dieser Stelle braucht es allerdings nicht nur Mut, sondern auch Kreativität, um aus individuellen Einschränkungen bestehender Gebäude identifikationsstiftende Charakteristika zukünftiger Arbeitsumgebungen zu machen. Dieser Ansatz hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, da er eng mit den zentralen Forderungen unserer Zeit – Klimaneutralität, Ressourcenschonung und Abfallvermeidung – verknüpft ist.
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Welche Ansätze siehst du, um die öffentliche Verwaltung zu einem Vorreiter für moderne und nachhaltige Arbeitsplatzgestaltung zu machen?
Zum einen gibt es einen großen Veränderungsbedarf, ähnlich wie wir es bei Schulen sehen – sowohl baulich als auch organisatorisch. Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, dass es in der öffentlichen Verwaltung, die lange als verstaubt galt, eine wachsende Motivation zur Veränderung gibt, vor allem auf der Führungsebene und bei jüngeren Mitarbeitenden. Durch die Pandemie hat die öffentliche Verwaltung als Arbeitgeber an Attraktivität gewonnen, da sie Stabilität bietet, was ein guter Nährboden für neue Ansätze ist. Ein wichtiger Schritt wäre, bestehende Regeln zu überdenken und Freiräume für mehr Eigenverantwortung und kreative Gestaltung zu schaffen. Ein weiteres Ziel sollte sein, das Image der öffentlichen Verwaltung zu modernisieren – weg von grauen Wartezimmern mit veralteten Informationsblättern hin zu positiven, ansprechenden Erlebnissen. Dabei können wir von erfolgreichen Beispielen aus dem Ausland lernen. So haben wir uns in Dänemark inspirieren lassen, wo einige öffentliche Gebäude nicht mehr nur als reine Verwaltungsorte dienen, sondern durch Synergie und vielfältige Nutzungen zu echten Erlebnisorten für die Gemeinschaft werden. Der öffentliche Raum wird so zu einem Ort, an dem nicht nur Pflichtprozesse abgewickelt werden, sondern der auch einen konkreten Mehrwert für die Bürger bietet.
Welche Rolle spielen moderne Arbeitsplatzkonzepte bei der Steigerung der Arbeitgeberattraktivität?
Eine sehr wichtige – vorausgesetzt, sie werden gut umgesetzt. Ein modernes Büro, das nur optisch ansprechend ist, mag auf den ersten Blick beeindrucken, reicht aber nicht aus. Es geht darum, dass die Arbeitsumgebung die Arbeit wirklich erleichtert und unterstützt. Ein wirklich gutes Arbeitsplatzkonzept schafft eine Umgebung, in der Menschen effizient arbeiten und sich auf ihre Aufgaben konzentrieren können, ohne ständig von ihrer Umgebung abgelenkt zu werden. Wenn die Arbeitsumgebung es ermöglicht, in einen Flow zu kommen – vergleichbar mit einem Musiker, der sich so sehr auf die Musik konzentriert, dass er sein Instrument nicht mehr bewusst wahrnimmt –, dann trägt dies enorm zur Zufriedenheit und Produktivität bei. Darüber hinaus bieten gut gestaltete Arbeitsräume Orte, an denen Menschen schwellen- und angstfrei zusammenkommen, um sich auszutauschen und Probleme zu lösen. Solche Umgebungen suchen die Mitarbeitende gerne wieder auf, weil sie assoziieren, dass dort Gutes geschieht, sie dort positive Erlebnisse haben. Die Beziehung untereinander und zu Vorgesetzten wird dadurch ebenfalls gestärkt – es macht einen Unterschied, ob ein Mitarbeitergespräch frontal am Schreibtisch stattfindet oder eher auf Augenhöhe in einer vertraulichen und einladenden Umgebung. Auch Annehmlichkeiten am Arbeitsplatz sind wichtig. Wenn der Kaffee im Büro besser schmeckt als zu Hause und die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes im Büro besser ist, trägt auch das zur Attraktivität des Arbeitgebers bei. Pauschale Lösungen gibt es aber nicht. Erfolgreiche Arbeitsplatzkonzepte erfordern vor allem Aufmerksamkeit für die individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden.
Was sind die aktuellen Trends in der Arbeitsplatzgestaltung?
Die aktuellen Trends werden vor allem durch drei zentrale Faktoren geprägt: Effizienz, Flexibilität und die zunehmende Digitalisierung. Aufgrund steigenden Kostendrucks und wachsender Anforderungen an die Flexibilität wird immer mehr Wert auf eine hohe Flächennutzung gelegt. Monofunktionale Arbeitsräume gehören zunehmend der Vergangenheit an, da es notwendig wird, Flächen multifunktional nutzbar zu machen. Gerade in Deutschland mit seinem hohen Bestand an Bürogebäuden besteht die Aufgabe darin, diese Anforderungen in Bestandsgebäuden umzusetzen, die nicht immer optimal dafür ausgelegt sind. Gleichzeitig führt die Digitalisierung dazu, dass Routinearbeiten und autonome Tätigkeiten abnehmen, während komplexe Aufgaben, die nur in Kooperation gelöst werden können, zunehmen. Ironischerweise sind aber viele bestehende Bürogebäude so konzipiert, dass sie vor allem die Einzelarbeit am Schreibtisch unterstützen. Diese traditionellen Arbeitsplatzkonzepte basieren auf festen Strukturen, zum Beispiel standardisierten Schreibtischgrößen, die für Papier- und Computertätigkeiten konzipiert wurden – Arbeitsformen, die immer weniger relevant werden. In Zukunft wird es daher darauf ankommen, Arbeitsumgebungen neu zu denken. Der Schreibtisch ist nicht mehr das zentrale Element, stattdessen werden Räume für Zusammenarbeit, Austausch und ein positives Erleben des Unternehmens immer wichtiger. Diese Entwicklung bietet einerseits Chancen, insbesondere ältere Bestandsgebäude besser zu nutzen, stellt andererseits aber auch große Anforderungen an Planende, Beratende und Nutzende. Denn nicht nur die Raumgestaltung, auch die Organisationsstruktur muss immer flexibler werden, um sich den veränderten Bedürfnissen anzupassen.
Malte, vielen Dank für das Gespräch.
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Malte Kopmann studierte Architektur an den Technischen Universitäten Darmstadt und Trondheim, Norwegen. Nach seinem Studium war er als Unternehmensberater unter anderem bei JLL Frankfurt tätig. Bei Drees & Sommer ist er als Senior Expert New Work Transformation für die Planung, Konzeption und Begleitung von Projekten zur Einführung neuer Arbeitswelten zuständig. Mehr Informationen zum Drees & Sommer-Consultant, ‑Planer und ‑Projektleiter unter: https://www.linkedin.com/in/malte-kopmann-aa3b8588/.
Drees & Sommer ist ein international tätiges Beratungsunternehmen für den Bau- und Immobiliensektor mit Hauptsitz in Deutschland. Die wesentlichen Leistungen des Unternehmens sind Entwicklungs- und Prozessberatung, Infrastrukturberatung, Projektmanagement und Engineering sowie Immobilienberatung. Mehr Informationen: https://www.dreso.com/de/.
Titelbild: Cecilie_Arcurs, iStock