Unter der Moderation von Stefan Keuchel, PR-Direktor der NEW WORK SE, sprachen bei der New Work Experience im Juni 2022 Julia Bangerth, CHRO bei der DATEV AG, Jonathan Kurfess, CEO und Gründer von Appinio, und Tim Good, Senior Managing Director bei Accenture, über notwendige Veränderungen im Recruiting.
In der neuen Arbeitswelt steht auch das Recruiting vor neuen Herausforderungen. Die bisherigen Konzepte reichen nicht mehr aus, um die benötigten Talente zu finden. Die kritischere Auseinandersetzung mit Arbeitgebern, der Trend zum Wechsel des Arbeitsplatzes – eine XING-Studie von Anfang 2022 besagt, dass sich 37 % der Deutschen vorstellen können, ihren Job in den nächsten zwölf Monaten zu wechseln – und der zunehmende Fachkräftemangel erfordern neue Methoden, um Talente zu finden.
New Hiring synchronisiert Recruiting und Lernen
Fragt man Julia Bangerth nach ihren Erfahrungen in der Pandemie, so berichtet sie, dass bei DATEV die Umstellung auf Remote Work viel leichter gefallen ist als gedacht. Auch haben sich in dieser Zeit ein neues Verständnis und ein neuer Umgang mit dem Thema Recruiting herausgebildet. Weg von einer isolierten Betrachtung, hin zu neuen Konzepten, bei denen eine Synchronisierung von Recruiting und Lernen stattfindet. Für Bangerth sind Mitarbeiter, die bereits im Unternehmen tätig sind, eine wertvolle HR-Ressource, die es künftig weiterzuentwickeln gilt. Durch spezielle Weiterbildungsprogramme – bei DATEV gibt es unter anderem das einjährige Programm „Become an Engineer“ – lassen sich offene Stellen mit internen Kandidaten besetzen. Wichtig dafür sind Anreize, die Mitarbeiter, die einen Wunsch nach Veränderung in sich tragen, dazu motivieren, sich die notwendigen Skills für die Übernahme neuer Rollen anzueignen. New Hiring bedeutet für Bangerth daher ganz klar interne Talentförderung und Lernen im Unternehmen.
Software-Tools und Künstliche Intelligenz gewinnen an Bedeutung
In Einstellungsverfahren werden künftig Software-Tools und Künstliche Intelligenz eine wichtigere Rolle spielen. In Kombination mit menschlicher Intelligenz sorgen digitale Prozesse für Effizienz in allen Recruiting-Phasen und setzen dabei Standards. Für Tim Good ist für das Finden von Talenten eine „Applied Intelligence“ mit zugänglichen Tools notwendig, die die Suche nach Potenzialen unterstützt. „Not filtering out candidates, but filtering candidates in“, sollte das Motto im Recruiting werden. Potenziale zu erkennen und Mitarbeiter zu entwickeln sieht er als eine Hauptaufgabe von HR an. Auch die Candidate Experience wird zu einem wichtigen Erfolgsfaktor von New Hiring. Hier setzt Accenture verstärkt auf digitale Arbeitsatmosphären. Das Metaverse ist ein fester Bestandteil der HR-Digitalstrategie von Accenture. In „The Nth Floor“ ist für bestehende Mitarbeiter und Bewerber im One Accenture Park eine neuartige Employee Onboarding Experience mit einem Mix aus immersiven Erfahrungen, interaktiven Präsentationen und Demonstrationen möglich. Wie für Bangerth sind auch für Good die bestehenden Mitarbeiter wichtige Quellen, um Talente zu finden. Der interne Aufbau von Skills wird künftig mit der externen Kandidatensuche koexistieren.
Unternehmenskultur als Employer-Branding-Faktor
Gelebte Unternehmenskultur ist für Jonathan Kurfess ein wichtiger Faktor bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter. Mit seiner „Remote first“-Philosophie und einem Arbeitsmodell, das auf Vertrauen und Flexibilität baut, konnte das Hamburger Unternehmen Appinio viele neue Mitarbeiter rekrutieren. „Jeder sollte bei Appinio ein Mini-CEO sein“, so Kurfess. Seine Mitarbeiter dürfen von überall auf der Welt aus zu flexiblen Zeiten arbeiten und auch die Zahl ihrer Urlaubstage frei wählen. Das HR-Modell von Appinio setzt stark auf Vertrauen und geht von dem Menschenbild aus, dass Mitarbeiter mit dem Anspruch an sich selbst, gut zu performen, ihrer Arbeit nachgehen. Das erfordere auf Mitarbeiterseite ein hohes Maß an Engagement, unternehmerischem Mindset und Ownership, schaffe aber auch Identifikation und Begeisterung. Radikal neu zu denken und neue Wege zu gehen, das ist für Kurfess das New Hiring und eine Erfolgsformel im Kampf um Talente.
Die Teilnehmer der Panel-Diskussion waren sich darüber einig, dass es für Unternehmen in Zukunft schwieriger sein wird, offene Stellen zu besetzen. New-Hiring-Konzepte, so das gemeinsame Fazit, müssen sich deshalb von klassischen Verfahren verabschieden und die Inhouse-Talentförderung stärken, aber auch das Recruiting durch den verstärkten Einsatz von Software unterstützen und innovativere Arbeitsmodelle einbeziehen.
Jonathan Kurfess ist CEO und Gründer des digitalen Marktforschungsunternehmens Appinio. Der Unternehmer, der 2020 vom Wirtschafsmagazin „Forbes“ in die Best-of-Liste „30 unter 30“ als einer der erfolgreichsten europäischen Jungunternehmer gewählt und in den FT1000 der Financial Times gelistet wurde, steht für flexible Arbeitsmodelle und eine vertrauensbasierte Zusammenarbeit.
Julia Bangerth, Personalvorstand bei der DATEV eG, dem beliebtesten Arbeitgeber im Bereich IT und Kommunikation im Jahr 2022, setzt den Schwerpunkt ihrer HR-Arbeit vor allem auf das Thema Future of Work. Das Personalmagazin zeichnete sie im Jahr 2019 als CHRO des Jahres und 2021 als einen der 40 führenden HR-Köpfe Deutschlands aus.
Tim Good, Senior Managing Director in der Strategy & Consulting Practice bei Accenture und Leiter des Talent & Organization/Human Potential Teams in Europa, setzt auf Arbeitsatmosphären, die engagieren und inspirieren. Change Management und die Entwicklung globaler Talent- und HR-Strategien sind seine Spezialgebiete.
Stefan Keuchel, PR-Direktor bei der NEW WORK SE, moderierte die Panel-Diskussion im Juni 2022 in der Hamburger Elbphilharmonie. Der PR-Experte war zuvor unter anderem als Pressesprecher bei Google, Tesla und in PR-Agenturen tätig.
Titelbild: https://unsplash.com/@eprouzet
Der gesamte Vortrag wird von der NEW WORK SE unter diesem Link zum Nachhören bereitgestellt.