Die monatliche Kolumne für das IBA Forum von Dr. Daniel Dettling, einem der profiliertesten Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum, beschäftigt sich im November 2023 mit dem menschlichen Faktor in der Arbeitswelt, dem Human Factor at Work:
Der menschliche Faktor in der Arbeitswelt: Über Wertschätzung statt Überstunden
„Arbeit ist nicht unser Leben“, so prominente Vertreter der Generation Z, „unser Wert als Mensch definiert sich nicht über Produktivität.“ Ein neues Schreckgespenst zieht durch die Chefetagen: „Quiet Quitting“, eine neue Welle „stiller Kündigungen“. Statt laut den Job zu quittieren, leisten immer mehr Beschäftigte allenfalls noch Dienst nach Vorschrift. Allein in den USA gehören etwa 50 Prozent aller Arbeitnehmenden zu den Quiet Quitters. Für Deutschland haben das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und die Karriereplattform LinkedIn ausgewertet, in welchen Branchen die Wahrscheinlichkeit am höchsten ist, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen. Besonders betroffen von der neuen Kündigungswelle sind der Bildungs- und Gesundheitssektor.
Mit „stiller Kündigung“ hat Quiet Quitting nichts zu tun. Es geht vielmehr um die menschliche Identifikation mit dem Unternehmen, um Bindungen und Beziehungen. Überstunden, flexible Arbeitszeiten und Aufgaben, die nicht im Vertrag stehen, werden von den Quiet Quitters abgelehnt. Stattdessen gilt die Devise „Feierabend ist Feierabend“. Statt sie zu beschimpfen, sollten moderne Arbeitgeber ihnen besser zuhören und lernen. Der US-amerikanische Start-up-Berater Ed Zitron rät Arbeitgebern: „Wenn du willst, dass Leute außergewöhnliches Engagement zeigen, dann biete ihnen etwas dafür! Zeig ihnen einen direkten Weg von ‚Ich gebe mein Bestes‘ hin zu ‚Ich werde dafür belohnt‘.“
Psychische Gesundheit wird wichtiger
Mehrarbeit gehört für immer mehr Arbeitnehmer zum neuen Normal. Allein in Deutschland haben zuletzt 4,5 Millionen Menschen Überstunden geleistet, das sind 12 Prozent aller Beschäftigten. Ein Drittel von ihnen hat mehr als 15 Stunden die Woche zusätzlich gearbeitet. Fast ein Viertel der Überstunden wurden nicht bezahlt. Die Angst vor Burn-out hat seit der Corona-Pandemie massiv unter den Beschäftigten zugenommen. Das Thema „psychische Gesundheit“ hat sich zur größten Aufgabe im betrieblichen Gesundheitsmanagement gewandelt.
Working out loud
Modernes Personalmanagement beginnt mit guter Führung. Es geht um Feedback, Orientierung und die richtigen Instrumente. Der größte Hebel ist es, allen im Team zu zeigen, wie wichtig sie für den Erfolg des großen Ganzen sind. Je höher das aktive Commitment, desto stärker geht das Engagement der Beschäftigten über das im Arbeitsvertrag geregelte Verhalten hinaus. Die Antwort auf „Quiet Quitting“ ist „working out loud“ (WOL): das eigene Verhalten für andere so sichtbar zu machen, dass andere davon lernen können. „Quiet Quitter“ laut stellen heißt, auf eine gesunde und menschliche Arbeitswelt zu setzen. Und das möglichst laut.
Dr. Daniel Dettling ist Zukunftsforscher und Gründer des Instituts für Zukunftspolitik (www.institut-zukunftspolitik.de). Dort erschien vor Kurzem das Buch „Eine bessere Zukunft ist möglich – Ideen für eine Welt von morgen“.
Titelbild: Dr. Daniel Dettling (Foto: Laurence Chaperon)