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Vertrauen first, Bedenken second! – von Dr. Daniel Dettling

Kolumne

Dr. Daniel Dettling, Foto: Laurencen Chaperon
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Die Kolumne für das IBA Forum von Dr. Daniel Dettling, einem der profiliertesten Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum, beschäftigt sich im Mai 2025 mit der Frage, wie der Abbau von Bürokratie gelingt:

Eine gute Bekannte, Spitzenbeamtin eines deutschen Bundesministeriums, leidet an einem Luxusproblem: Sie hält sich und ihr Referat für überflüssig, will zu ihrem Abteilungsleiter gehen und um Auflösung ihres Referats bitten. Betroffen wären gut 30 Mitarbeitende. Das Einsparpotenzial beträgt rund 1,5 Millionen Euro. Eine beinah lächerliche Summe angesichts des Gesamtetats der Behörde von mehr als 180 Milliarden Euro. In Deutschland beschäftigt der öffentliche Dienst 5,4 Millionen Menschen, ein Plus von 400.000 seit der Jahrtausendwende.

 

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Weniger Bürokratie, mehr Wachstum

Ein Übermaß an Bürokratie kommen Bürger und Unternehmen teuer zu stehen. So verliert Deutschland, EU-Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum, Berechnungen zufolge fast 150 Milliarden Euro jährlich an Wirtschaftsleistung. Ungefähr sechs Prozent ihrer Umsätze geben Unternehmen in Deutschland für Bürokratie aus. Der Weg zu mehr Wachstum ist weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung. Die Wirtschaftsleistung in Deutschland wäre um 96 Milliarden Euro höher, wenn das deutsche Digitalisierungsniveau der Verwaltung dem von Dänemark entsprechen würde. 

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More for less: Mehr Leistung mit weniger Beschäftigten

Mehr Digitalisierung ist auch aus Gründen der Demografie notwendig. In wenigen Jahren verliert die Verwaltung in Europa bis zu jedem dritten Beschäftigten. Der Weg, auf jede neue Aufgabe mit neuem Personal zu begegnen, wird nicht mehr funktionieren. Die demografische Lücke wird sich nur durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und mehr Digitalisierung kompensieren lassen. Die Fachkräftelücke (nicht nur im öffentlichen Dienst) lässt sich Studien zufolge durch den Einsatz generativer KI um ein Drittel reduzieren. Die Corona-Pandemie der Jahre 2020–2022 hat zu einem Boom von digitalen Lösungen geführt und gezeigt, was remote und kontaktfrei auch in der Verwaltung möglich ist. Je digitaler das Land, desto schneller und bürgernäher waren Reaktion und Weg aus der Krise.

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Ein neues Mindset für Staat und Verwaltung

Digitalisierung und KI sind nicht alles. Es braucht weder die viel beschworene Kettensäge des argentinischen Staatschefs Javier Milei noch eine neue „Effizienzagentur“ wie sie Elon Musk in den USA vorantreibt. Was es braucht, ist ein Kulturwandel. Staat und Verwaltung sollen sich nicht abschaffen, sie sollen steuern und nicht rudern. Das Machen können Unternehmen und Bürger besser.  Entscheidend ist weder die Staatsquote noch die Regulierungsdichte, sondern das Maß an Vertrauen zwischen Bürgern, Staat und Verwaltung. Das zeigt auch eine aktuelle Befragung: Unter den Top-Maßnahmen zum Abbau von Bürokratie aus Sicht der Unternehmen steht „Stärkeres Vertrauen“ an erster Stelle. 

Skandinavische Länder mit einer ähnlich hohen Dichte an Regulierung sind leistungsfähiger, weil ihre öffentlichen Beschäftigten autonomer und eigenverantwortlicher arbeiten. Wer Verantwortung übernimmt, kann auch Fehler machen. Eine bessere Fehlerkultur macht aus der Verwaltung eine lernende Organisation. In vielen Amtsstuben dominiert heute immer noch die Mentalität: „Erlaubt ist nur, was explizit gestattet ist.“ Staat und Verwaltung brauchen für die Zukunft ein neues Mindset: „Was nicht verboten ist, ist erlaubt!“ Vertrauen first, Bedenken second.

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