New Work und Arbeitsplatzgestaltung als gemeinschaftlicher Prozess: Von Bernd Fels, Mitgründer von if5 anders arbeiten und if5 design, wollten wir wissen, wie er und sein Team Co-Creation-Methoden einsetzen, wo die Methode an ihre Grenzen stößt und welchen praktischen Tipp es für alle gibt, die Co-Creation im eigenen Unternehmen ausprobieren möchten. Dies sind seine Antworten:
Co-Creation bei if5 anders arbeiten und if5 design
Zu Projektbeginn führen wir häufig Orientierungsworkshops durch, bei denen wir den Grad der Partizipation im Projekt definieren. Der Start vor dem Start ist eine entscheidende Phase in Projekten. Sich hier ein bis zwei Tage Zeit für einen Workshop zu nehmen, ist aus unserer Sicht sehr hilfreich.
In Phase 1 (Zielbild) nutzen wir dann beispielsweise Onlineumfragen oder Ideenforen. Bei der Onlineumfrage fragen wir ab, wie Mitarbeiter:innen, wenn sie freie Hand hätten, ihre optimale Arbeitswoche gestalten würden. Sprich: Wie viele Tage würden sie im Büro arbeiten und was passiert im Büro? Das Ideenforum funktioniert als World Café vor Ort oder an einem digitalen Whiteboard. Eine Resonanzgruppe sammelt Ideen und ordnet sie der if5-Blume, bestehend aus Organismus, Raum, Technik, Services und dem Menschen im Mittelpunkt, inklusive Priorisierung zu. Hier lässt es sich ohne Leitplanken völlig frei denken. Natürlich immer mit dem Hinweis, dass nicht alles, was hier erarbeitet wird, später auch umgesetzt werden kann. Die Ergebnisse werden im „Vision-Ziele-Leitplanken“-Workshop vorgestellt – Führen auf Augenhöhe ist das Motto, denn hier fließen die Ergebnisse von Umfrage und Ideenforum mit ein. Anschließend führen wir wiederum mit einer oder der Resonanzgruppe einen Chancen-Risiken-Workshop durch, in dem insbesondere die Leitplanken auf Herz und Nieren geprüft werden. Wie? Mit der Methode der Dynamic Facilitation. Jede(r) Teilnehmende kommt zu Wort und kann Stellung zu den Leitplanken nehmen. Es gibt keine Agenda und das Gehörte wird dann im Termin „weiterverarbeitet“.
Ist das Zielbild definiert, beginnt Phase 2: die Bedarfsermittlung. Mit Hilfe eines Arbeitsweisen- und eines Arbeitsorte-Workshops werden zunächst Mitarbeiter:innen-Personas oder Funktionen und ihre typischen Arbeitsweisen in einer zukünftigen Arbeitswoche ermittelt. Hier kommen Entwickler:innen aus den Organisationseinheiten zum Einsatz. Optional kommen Tester:innen hinzu, die die Ergebnisse durch die Entwickler:innen vorgestellt bekommen und gegebenenfalls modifizieren. So wird die Akzeptanz in einer Organisationseinheit auf eine breitere Basis gestellt. Sehr empfehlenswert ist der Einsatz der Tester:innen in der nächsten, der dritten Projektphase.
In der Projektphase 3 (Ideen- und Konzept), arbeiten wir mit einem spielerischen Ansatz: dem Puzzle-Workshop. Hier ist der Co-Creation-Anteil am höchsten: Innerhalb definierter Leitplanken, die durch das Projektteam und das Entscheidungsgremium entwickelt und verabschiedet werden – wie einer Sharing-Quote, dem ermittelten Flächenprogramm samt Raum- und Flächenmodulen -, können die Teams recht frei auf der zugewiesenen Zielfläche unter Anleitung neue Arbeitswelten gestalten. Ein iterativer Prozess entsteht, nicht selten mit Anpassungen im Flächenprogramm, denn: Die Teilnehmer:innen befinden sich auf einer Lernreise. Nicht alles, was im Vorfeld definiert wurde, hat noch Bestand. Die Ergebnisse aus diesen Methoden werden nun den Tester:innen vorgelegt und eine abermalige Optimierungsschleife kann die Folge sein (Design-Thinking-Prozess). Charmant an dieser Methode ist der spielerische Ansatz und auch das haptische Momentum. Hier wird Raumgestaltung auf der Zielfläche für alle direkt sichtbar – auch in Form von „das geht nicht, weil …“. Gründe gibt es viele: Arbeitsstättenrichtlinien, Architektur, Budget oder die Leitplanken passen nicht hierzu. Aber viel wichtiger: Es werden Alternativen erkennbar, es zeigt sich, was jenseits des Schreibtisches alles möglich ist, gemeinsame Lösungen werden gesucht und gefunden. Co-kreativ kann somit etwas Neues entstehen.
In der langen und wichtigen Phase 4 der Umsetzung, kommen je nach Bedarf unterschiedlichste Co-Creation Methoden zum Einsatz. Dies ist stark abhängig von dem Grad der Akzeptanz. Wenig Akzeptanz benötigt viel Veränderungsbegleitung, viel Akzeptanz benötigt wenig Veränderungsbegleitung – ganz ohne wird es jedoch in der Regel nicht gehen. Die Methodenvielfalt ist groß: Hands-on-Sessions, Themenclubs, Kreativworkshops, Learning Lunch, Infomarkt, Floor Walks, Pulse Checks, Culture Boost Groups, Workhacks, Fishbowls, Barcamps, Teamorganisation bis hin zu Coachings. Die richtige Dosierung ist entscheidend.
Der Nutzen von Co-Creation
Wenn es Unternehmen schaffen, ihre Beschäftigten aktiv an Projekten zu beteiligen und darüber hinaus eine transparente Kommunikation pflegen, hat das einen enormen Impact auf die Mitarbeiterbindung. Jene, denen eine aktive Teilnahme in Prozessen wichtig ist, werden sich dem Unternehmen noch stärker verbunden fühlen. Insbesondere dann, wenn die Beteiligung auch Früchte trägt. Aber natürlich gibt es auch Mitarbeiter:innen, die einfach nur ihren Job machen wollen. Oder Organisationen, die im New Work schon sehr weit sind. Hier ist Co-Creation nicht unbedingt eine bindungsstärkende Maßnahme, sondern kann auch als lästige Übung wahrgenommen werden.
Und es gibt durchaus Aufgabenstellungen und Phasen, in denen Co-Creation nicht zielführend ist. Oder Organisationen, bei denen weniger Co-Creation auch mal mehr ist, oder schlichtweg durch die Unternehmenskultur nicht gewünscht ist, wobei wir im letzteren Fall auch gerne mal nachfassen, um die Chancen von Co-Creation nicht einfach zu vergeben. Am Ende bestimmt der Auftraggeber.
Ein Tipp am Rande:
Behalten Sie einen Teil Ihres Möbelbudgets vor dem Einzug in der Hinterhand, indem nicht alles schon ausgestattet wird. Erst nach Einzug beginnt eine Neue Arbeitswelt und mit ihr die Erkenntnis, dass noch nicht alles richtig ist oder eben etwas fehlt. Gut, wenn man dann noch nachordern kann.
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Bernd Fels ist Mitgründer von if5 anders arbeiten, if5 design sowie Initiator der Initiative spaces4future. Er berät und referiert zu Neuen Arbeits- und Lernwelten. Der Diplom-Volkswirt mit Schwerpunkt Umweltökonomie und Raumwirtschaftslehre interessiert sich zudem für nachhaltige Regional- und Stadtentwicklung mit besonderem Bezug zu Arbeits‑, Lern- und Lebenswelten sowie den hiermit einhergehenden Themenwelten von Mobilität, Logistik und Energie.
Titelbild: if5 anders arbeiten