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Decision AI: Wie Künstliche Intelligenz die Arbeitswelt verändert

Work Culture Festival

Andreas Loroch, Thorsten Heilig und Wolfram Sauer im Gespräch auf der ORGATEC 2024
IBA Redaktionsteam IBA Redaktionsteam ·
7 Minuten

Die Arbeitswelt befindet sich in einem Wandel, der tiefgreifender kaum sein könnte. Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) dringen in immer mehr Bereiche vor und verändern die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten, Entscheidungen treffen und Führungsstrukturen organisieren. Auf dem Work Culture Festival 2024 in Köln diskutierten Andreas Loroch, Mitgründer von VORSPRUNGatwork, und Thorsten Heilig, CEO von paretos, wie Decision AI – Entscheidungs-KI – diese Entwicklungen vorantreibt und welche Chancen und Herausforderungen damit verbunden sind.

Decision AI: Eine neue Disziplin

Der Begriff „Decision AI“ beschreibt den Einsatz von KI zur Verbesserung von Entscheidungsprozessen in Unternehmen. Thorsten Heilig betonte, dass die zunehmende Komplexität Unternehmen dazu zwingt, immer mehr Entscheidungen in immer kürzerer Zeit zu treffen. Von operativen Prozessen wie der Lagerhaltung bis hin zu strategischen Weichenstellungen bietet KI die Möglichkeit, riesige Datenmengen zu analysieren und daraus präzise Handlungsempfehlungen abzuleiten. Heilig veranschaulichte dies an einem Beispiel: Ein viraler Social-Media-Post über ein Gurkensalatrezept führte dazu, dass Gurken plötzlich bundesweit ausverkauft waren. Hier kann KI durch frühzeitige Mustererkennung Unternehmen helfen, rechtzeitig auf solche Entwicklungen zu reagieren und Lieferketten sowie Lagerbestände optimal anzupassen.

Die Rolle von KI in Unternehmen

Heiligs Firma paretos entwickelt Plattformen, die Unternehmen unterstützen, bessere Prognosen zu erstellen und operative Prozesse effizienter zu gestalten. KI kann beispielsweise helfen, optimale Lagerbestände zu ermitteln oder komplexe Lieferketten so zu steuern, dass Kosten minimiert und Ausfälle vermieden werden. „Es gibt mehr Möglichkeiten, Produkte auf Lager und Supermärkte zu verteilen, als es Sterne im Universum gibt“, sagt Heilig. Hier übertrifft KI die menschliche Fähigkeit zur Problemlösung. Dennoch bleibt der Mensch für Heilig ein wichtiger Teil des Prozesses: „KI ist kein autonomer Entscheider, sondern eine Kollegin, die hilft, repetitive und datenintensive Aufgaben zu bewältigen.“

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Führung neu denken: Die Bedeutung der Intuition

Die Integration von KI verlangt nach neuen Führungsansätzen. Traditionelle Hierarchien, in denen Entscheidungen oben getroffen werden, funktionieren in einer zunehmend komplexen Welt nicht mehr. Andreas Loroch sieht eine Abkehr von starren Hierarchien hin zu vernetzten Entscheidungsstrukturen, in denen KI als virtuelle Kollegin Transparenz schafft und Entscheidungsgrundlagen liefert: „KI gibt uns Einblicke, die wir als Menschen nicht erfassen können. Sie hilft uns, bessere Entscheidungen zu treffen.“ Doch trotz aller technologischen Fortschritte bleibt die Intuition ein unersetzlicher Faktor. „Die Währung der Zukunft ist das Fühlen und Spüren“, so Loroch. Gerade bei Entscheidungen, die auf unklarer oder unvollständiger Datenlage basieren, ist die Fähigkeit, intuitive Schlüsse zu ziehen, wichtiger denn je. Führungskräfte müssen daher lernen, KI als Ergänzung zum eigenen Urteilsvermögen zu verstehen und Intuition mit datenbasierten Erkenntnissen zu verbinden.

Neue Rollen für Mitarbeiter

Mit dem Einzug von KI in die Arbeitswelt verändern sich auch die Anforderungen an die Mitarbeiter. Thorsten Heilig und Andreas Loroch betonten, dass Selbstführung zu einer Schlüsselkompetenz wird. Mitarbeiter müssen lernen, Verantwortung zu übernehmen, eigenständig Entscheidungen zu treffen und ihre Arbeit eng mit den Fähigkeiten von KI-Systemen zu verzahnen. Dabei verschiebt sich der Fokus zunehmend zu einem prozessorientierten Ansatz: Die Aufgabe besteht nicht mehr nur in der direkten Kundeninteraktion, sondern immer mehr darin, sicherzustellen, dass die KI-Systeme mit präzisen und relevanten Daten versorgt werden. Diese veränderte Rolle erfordert neue Kompetenzen. Mitarbeiter müssen ein grundlegendes Verständnis für technologische Werkzeuge wie KI entwickeln, um deren Potenziale effektiv nutzen zu können. Vernetztes Arbeiten gewinnt ebenfalls an Bedeutung, da Teams auch lernen müssen, nahtlos miteinander und mit KI-Systemen zusammenzuarbeiten. Hinzu kommt die Notwendigkeit einer klaren und präzisen Kommunikation – insbesondere in hybriden Teams aus Mensch und Maschine. Heilig betonte, dass diese neuen Anforderungen auch eine kritischere Auseinandersetzung mit KI-Ergebnissen erfordern, anstatt diese blind zu akzeptieren. So entstehe eine neue Dynamik in der Arbeitswelt, in der menschliche Fähigkeiten und technologische Unterstützung optimal miteinander verschmelzen.

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Organisationen im Wandel

Die Einführung von KI verändert nicht nur einzelne Arbeitsprozesse, sondern auch ganze Organisationsstrukturen. Wie Loroch erläuterte, zeigt das Beispiel Bayer, wie Unternehmen Hierarchien aufbrechen, um Entscheidungen flexibler und schneller zu treffen. Bis zu 80 % der traditionellen Führungsrollen könnten durch neue, agile Teams ersetzt werden, die eng mit Märkten und Kunden interagieren. Diese neuen Strukturen fördern eine Kultur des Experimentierens und Lernens – eine Voraussetzung, um mit der Geschwindigkeit der technologischen Innovation Schritt zu halten.

Lernen als Wertschöpfung

In einer Welt, die von ständigem Wandel geprägt ist, wird Lernen zu einer zentralen unternehmerischen Fähigkeit. Sowohl Menschen als auch Maschinen lernen – und müssen dies immer enger miteinander verzahnt tun. Andreas Loroch betonte, dass eine lernende Organisation nicht nur auf individuelle Entwicklung setzt, sondern darauf, dass Teams und Unternehmen als Ganzes ihre Fähigkeiten ständig erweitern. Dies erfordere eine Unternehmenskultur, die Fehler als Chance begreife und Raum für Experimente schaffe.

Die Balance zwischen Mensch und Maschine

Ein zentrales Thema des Talks war die Balance zwischen technologischer Effizienz und menschlicher Intuition. KI kann Prozesse beschleunigen, datenbasierte Entscheidungen erleichtern und repetitive Aufgaben übernehmen. Strategische und kreative Entscheidungen bleiben aber in menschlicher Hand. „KI erweitert unsere Möglichkeiten“, so Loroch, „sie schafft Freiräume, damit wir uns auf Intuition, Kreativität und Empathie konzentrieren können.“ Heilig ergänzte, dass KI-Modelle nur so gut sind wie die Daten, mit denen sie trainiert werden. Die menschliche Kontrolle über diese Systeme bleibe daher unerlässlich. Ziel sei eine Zusammenarbeit, bei der die Stärken von Mensch und Maschine optimal genutzt werden.

Chancen und Verantwortung

Die Transformation von Organisationen ist nicht nur eine technologische, sondern auch eine kulturelle Aufgabe. Unternehmen müssen Rahmenbedingungen schaffen, in denen Menschen und Maschinen gleichermaßen lernen und wachsen können. Gleichzeitig gilt es, eine klare Zukunftsvision zu entwickeln und diese mit Mut und Offenheit zu verfolgen. Die Arbeitswelt der Zukunft wird davon abhängen, ob es gelingt, die technologischen Möglichkeiten der KI mit den menschlichen Stärken zu verbinden – eine Balance, die über den Erfolg der Transformation entscheidet.

Work Culture Festival Impressionen

Ikonische Momente erleben Hier finden Sie eine erste kleine Auswahl an Fotos des Festivals.

Andreas Loroch ist Mitgründer und Co-CEO der VORSPRUNGatwork GmbH. Sein Slogan „Turning VISION into PASSION“ beschreibt ihn gut. Die VORSPRUNGatwork-Vision „Eine Wirklichkeit zu schaffen, zu der jede*r unbegrenzt werthaltig beitragen kann“ ist die Triebfeder seines Wirkens. Er ist überzeugt davon, dass Geschäfts- und Betriebssysteme, deren Mittelpunkt die Menschen sind, dauerhaft marktführend sind. Das Design und die Architektur von hoch wandlungsfähigen Systemen sowie der Transformationsprozess zu eben diesen sind sein Spezialgebiet. Sein positives Menschenbild ist der Schlüssel im Umgang mit jeglicher Komplexität. Weitere Informationen: vorsprungat.work

Thorsten Heilig ist Gründer und CEO von paretos, einer Plattform für Entscheidungsintelligenz, die von multinationalen Unternehmen und KMUs genutzt wird. Paretos kombiniert modernste KI für unternehmerische Anforderungen mit einem patentierten Ansatz, um eine skalierbare Lösung für komplexe und sich schnell ändernde Marktanforderungen zu bieten. Thorsten war zuvor COO der moovel group / reach now (ein Mercedes Benz/BMW-Unternehmen) und ist außerdem Unternehmensberater und Redner, der Keynotes zu den Themen KI, Innovation, Agile Culture und Digitale Transformation hält. Kürzlich wurde er von der Zeitschrift W&V zu einem der 100 einflussreichsten deutschen Unternehmer des Jahres 2024 gewählt. Im Dezember 2023 erschien sein Buch Decision Intelligence. Transform Your Team and Organization with AI-Driven Decision-Making beim Wiley-Verlag. Weitere Informationen: paretos.com

Titelbild: © IBA