Zwischen Effizienz, Automatisierung und Innovationsdruck rückt eine entscheidende Ressource zunehmend in den Hintergrund: der Mensch. Dabei sind echte Beziehungen mehr als ein „Nice-to-have“. Sie sind das Fundament jeder erfolgreichen Zusammenarbeit – gerade in Zeiten künstlicher Intelligenz.
Die stille Gefahr hinter dem Effizienzgewinn
Künstliche Intelligenz revolutioniert die Art, wie wir arbeiten. Täglich. Tiefgreifend. Flächendeckend. Sie formuliert Texte, schreibt Protokolle, analysiert Daten, erstellt Präsentationen. Sie ist schnell, präzise, fehlerfrei. Und sie verändert nicht nur Arbeitsprozesse, sondern auch Kommunikation und Kollaboration.
Was dabei oft übersehen wird: KI reduziert nicht nur Aufwand, sondern auch zwischenmenschliche Berührungspunkte. Wenn Briefings automatisch generiert, Entscheidungen vorstrukturiert und Abstimmungen auf ein Minimum beschränkt werden, fehlt uns genau das, was Teams stark und erfolgreich macht: Das menschliche Miteinander.
Wenn Gespräche durch Prompts ersetzt werden und was das mit Corona zu tun hat
Viele erste Projektschritte laufen inzwischen nicht mehr über ein gemeinsames Meeting oder den spontanen Austausch in der Kaffeeküche, sondern über einen Prompt im Chatbot. KI ist der neue Sparring-Partner: sie beantwortet Fragen, strukturiert Ideen und schlägt Lösungen vor. Wo früher Diskussionen im Meetingraum neue Perspektiven eröffnet haben, man vor Pappen Layouts bewertet hat, verläuft heute vieles glatt, weil es vorab durch KI gefiltert wurde. Was dabei zunehmend fehlt ist echter Dialog zwischen Kollegen.
Ein Blick zurück in die Corona-Zeit zeigt: Dieses stille Verlernen des Gesprächs hat schon dort begonnen. Home Office, Isolation, Remote Calls – plötzlich war Kommunikation fast nur noch funktional. Persönliche Abstimmungen, spontane Begegnungen und informelle Gespräche fielen über Monate hinweg aus. Eine Maßnahme, die zunächst der akuten Krisenbewältigung diente, ist in vielen Arbeitskontexten zur neuen Normalität geworden. Was blieb, waren Tagesordnungen, Screensharing und Chatnachrichten. Viele Teams haben seitdem Mühe, zur alten Nähe zurückzufinden.
In gewisser Weise ist KI nun die technologische Fortsetzung dieser Entwicklung. Sie bietet Lösungen, ohne dass wir miteinander sprechen müssen. Sie reduziert Aufwand, aber eben auch Begegnung. Die Pandemie hat unsere Kommunikationsgewohnheiten verändert.
Künstliche Intelligenz verstetigt diese Veränderung, wenn wir nicht bewusst gegensteuern.
Nähe braucht keinen Business Case – sondern Raum
Es sind die kleinen, oft beiläufigen Momente, die Teams zusammenschweißen: ein Lachen im Video-Call, ein zustimmender Blick im Meeting, ein ehrliches „Wie geht’s dir eigentlich?“. Diese Situationen entstehen nicht auf Knopfdruck und sie lassen sich nicht automatisieren oder durch eine KI ersetzen.
In der Begeisterung über technische Möglichkeiten wird oft übersehen, dass genau diese menschlichen Mikromomente entscheidend dafür sind, ob Zusammenarbeit gelingt. Wer sich emotional eingebunden fühlt, kommuniziert offener, denkt kreativer, handelt verantwortungsvoller und bleibt seinem Arbeitgeber in der Regel auch länger treu. Vertrauen ist noch nie durch Tools entstanden, sondern schon immer durch zwischenmenschliche Beziehungen.
Beziehung statt Reibungsvermeidung
Die Vorstellung, dass reibungslose Prozesse das höchste Ziel sind, greift zu kurz. Denn: Reibung ist kein Fehler im System, sie ist oft die Voraussetzung für Innovation. In Diskussionen entstehen neue Perspektiven. In Auseinandersetzungen wächst gegenseitiges Verständnis. In Unstimmigkeiten entwickelt sich Nähe.
Wenn wir KI einsetzen, um Reibung zu vermeiden, um Zeit zu sparen, verhindern wir oft auch Beziehung. Und genau diese Beziehung ist es, die gerade in komplexen, dynamischen Arbeitsumgebungen den Unterschied macht: zwischen gut und großartig, zwischen Teamwork und echter Teamkultur.
Menschlichkeit als strategischer Faktor
Der Mensch ist mehr als eine Ressource, er ist der Resonanzkörper eines Unternehmens. Seine Fähigkeit zur Empathie, zur Reflexion, zur Verbindung mit anderen ist durch keine Technologie ersetzbar. Je stärker KI unsere Arbeit durchdringt, desto klarer wird: Zwischenmenschliche Beziehungen sind nicht das Gegenstück zur digitalen Transformation, sondern ihre tragende Säule.
Unternehmen, die das verstehen, investieren nicht nur in Technologie, sondern erst Recht in Beziehungspflege. In Menschen. Sie schaffen bewusst Räume für echte Begegnung, auch im digitalen Raum. Sie fördern Führung, die Nähe zulässt. Und sie erkennen: Wer Menschen verbindet, baut Zukunft.
Fazit: Lasst uns den Menschen wieder ins Zentrum rücken
Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. In sehr vielen Bereichen ist das auch gut so. Dennoch sollten wir nicht zulassen, dass sie zum Maßstab unserer Zusammenarbeit wird. Der Mensch mit seinen Gefühlen, Gedanken, Unsicherheiten und Stärken ist nicht austauschbar. Und echte Nähe ist nicht digitalisierbar. Zwischenmenschliche Beziehungen sind keine Verzögerung im System. Sie sind der Herzschlag lebendiger Zusammenarbeit. Nur wer das versteht, ist auch für die Zukunft gut gewappnet.
Nina Daub ist Marketingspezialistin mit Schwerpunkt auf Markenkommunikation, Branding und Corporate Design. In über 15 Jahren Berufserfahrung hat sie Unternehmen unterschiedlichster Branchen dabei unterstützt, Marken strategisch zu positionieren und konsistent erlebbar zu machen. Aktuell ist sie als Senior Projektmanagerin bei der Markenagentur Callies & Schewe in Mannheim tätig und begleitet dort Projekte an der Schnittstelle von Strategie, Design und Transformation. Sie denkt Marken ganzheitlich: als Ausdruck von Haltung, Identität und Beziehung. Ihr besonderes Interesse gilt der Frage, welche Rolle menschliche Zusammenarbeit und zwischenmenschliche Nähe im Zeitalter von KI und Automatisierung spielen. Sie ist überzeugt: Starke, erfolgreiche Marken entstehen dort, wo Technologie den Menschen dient und nicht ersetzt. Für weitere Informationen: https://www.linkedin.com/in/nina-anne-daub-4b812530/
Titelbild: Midjourney