KI ist der neue Megatrend, verspricht Wissen und Effizienz, ist überall verfügbar, doch in vielen Unternehmen noch wirkungslos. Also fragt der Industrieverband Büro und Arbeitswelt ganz konkret: Wie anders werden Menschen mit Maschinen zusammenarbeiten? Welche neuen Impulse bringt die KI für die Arbeitsteilung in Organisationen? Und wie verändern sich Führung und Wissenstransfer in den Teams?
Künstliche Intelligenz wird unsere Arbeitswelt gravierend verändern – ja, klar. Weniger klar ist allerdings, wie Unternehmen nun Abteilungen umbauen und die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine neu organisieren sollen. Genau das interessiert uns als Industrieverband Büro und Arbeitswelt, und natürlich auch, in welchen Räumen und Realitäten diese neue Zusammenarbeit mit KI künftig stattfinden wird. Wir denken, dass hier mehr möglich sein wird, als es hybride Officekonzepte bisher abbilden konnten. Und um jetzt nicht gleich wieder in bekannte Muster zurückzufallen, vergessen wir mal das hybride Büro von heute und konzentrieren uns auf die Zusammenarbeit mit KI von morgen.
Unterstützt hat uns bei diesem Ausblick die Trendforscherin Birgit Gebhardt, die für das Pre-Read zur neuen „New Work Order“-Studie die zentralen Treiber, Prämissen und Ansätze zur Kollaboration mit KI skizziert hat. Selten war es so zwingend, die Zukunft zu gestalten, und so möchte der IBA mit dem Pre-Read ein Jahr vor der ORGATEC die Diskussion eröffnen und das Fachpublikum einladen, die hier beschriebenen Zukunftsperspektiven mit Feedback oder Beispielen zu bereichern.
Beginnen wir also mit der Trendperspektive:
Warum ist KI der zentrale Impulsgeber für neue Formen der Zusammenarbeit?
KI ist kein ganz neues Phänomen, sie begleitet uns seit den Anfängen des Machine Learning auf Großrechnern und in der Automatisierung industrieller Prozesse. Und doch haben sich jetzt die Spielregeln für die Zusammenarbeit mit ihr verändert – schneller und tiefgreifender, als es viele Organisationen erwartet haben.
KI war schon lange unter uns – als Motor für Effizienz, Prognose und Automatisierung. Später erlebten wir ihre Leistungsfähigkeit bei Spielen wie Schach, im algorithmischen Börsenhandel der 1980er-Jahre oder in der visuellen Mustererkennung in Bildern von stadträumlichen bis zu zellulären Strukturen.
Und dennoch: Verglichen mit dem, was jetzt geschieht, scheint die digitale Transformation bisher nur der Auftakt gewesen zu sein. Mit Large Language Models und Generative AI hat sich die KI-Entwicklung qualitativ verschoben. Sie ist nicht mehr bloß ein Analyse- und Automatisierungstool im Hintergrund, sondern wird gesprächig, kreativ und intuitiv nutzbar. Und mit diesen neuen Eigenschaften verändert sie unsere Zusammenarbeit: KI kann heute Sprache und Bilder verstehen, Dialoge führen, Inhalte dokumentieren und selbst generieren – und das in einem iterativen Modus aus kreativer Varianz und „Try & Error“-Fortschritten. Vor allem ihre niederschwellige Verfügbarkeit über einfache Interfaces bringt sie direkt in den Alltag von Teams und Organisationen.
Damit steigt der Druck – und zugleich die Chance –, KI nicht nur als Werkzeug, sondern als Impulsgeber für neue Formen der Zusammenarbeit zu verstehen. Denn wenn Technologie plötzlich überall andocken kann, verändern sich nicht nur Prozesse und Geschäftsmodelle, sondern auch die gesellschaftlichen, kulturellen und organisationalen Grundlagen, auf denen die Zusammenarbeit beruht.
Schauen wir uns die Umwälzungen einmal genauer an, kommen die Schubkräfte für den Megatrend KI gleich aus mehreren Richtungen:
- Technologisch verweist Künstliche Intelligenz nicht bloß auf eine weitere digitale Funktion, sondern auf ein Bündel an adaptiven Fähigkeiten, die sich vernetzen, speisen, trainieren und erweitern lassen. Sie ist damit nicht nur Werkzeug, sondern eine Querschnittstechnologie des digitalen Zeitalters: Sie verbindet Front- und Backoffice, Prozesse und Produkte, Märkte und Kunden, Menschen und Maschinen. Diese Verknüpfung schafft eine neue Integrationslogik, die die Zusammenarbeit über klassische Grenzen hinweg möglich macht. Im Pre-Read zeigt sich zudem, wie KI auch die Grenzen zwischen dem Physisch-Realen und dem Digital-Virtuellen erweitert und sich Arbeitsumgebungen über Augen und Ohren stülpen und in simulierte Anwendungskontexte verwandeln.
- Ökonomisch verspricht KI nicht nur Effizienzgewinne durch Prozessautomatisierung, sondern zwingt Unternehmen, die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine neu zu definieren. Wir beobachten bei AI-driven Companies, wie die KI Prozesse verschlankt, beschleunigt und zugleich neue Wertschöpfungspotenziale eröffnet. Besonders KI-Agenten, die ganze Workflows abteilungsübergreifend übernehmen können, machen das Silodenken obsolet: Sie öffnen Wissenszugänge für gemischte Teams, binden externe Partner ein und schaffen damit Plattformen für kollaboratives Arbeiten. Gleichzeitig entstehen neue Geschäftsmodelle für Organisationen, die diese Agenten trainieren und betreiben. Der Pre-Read skizziert hier die Übergangsstufen von einem KI-optimierten zu einem AI-native Unternehmen und versucht, ein neues Modell der vernetzten und kreislauffähigen Wertschöpfung mit KI zu entwickeln.
- Gesellschaftlich eröffnet Künstliche Intelligenz neue Spielräume für die soziale Interaktion: Sie prägt Kommunikationsformen in sozialen Medien, verändert Lernwege und rückt Bildungschancen in neue Kontexte. Damit verbunden ist die Herausforderung, Deskilling zu vermeiden – also nicht nur Routinen an Maschinen abzugeben, sondern zugleich durch Upskilling die Qualifikationen von Menschen zu erweitern. KI wird zum Katalysator für Teamarbeit in gemischten Gruppen, in denen unterschiedliche Perspektiven zusammenfinden und kollektives Wissen entsteht. Weil KI Entscheidungen vorbereitet und Handlungsmöglichkeiten eröffnet, wächst auch die Notwendigkeit, sie kritisch zu hinterfragen und gesellschaftliche Verantwortung klar zu verankern. Der Pre-Read stellt die gesellschaftlichen Prämissen in Beziehung zu den ökonomischen Zwängen. Erst im Zusammenspiel teils gegensätzlicher Erfordernisse werden die Rahmenbedingungen konkret und die Ableitungen zukunftsfähig.
- Kulturell verändert KI die Erwartungen an die User Experience: Systeme personalisieren, antizipieren und schaffen in erweiterten Realitäten (Augmented, Virtual, Mixed) neue Dimensionen der Zusammenarbeit. Kulturell wird Arbeit dadurch zunehmend hybrid – sie oszilliert zwischen Präsenz und Digitalität, zwischen virtuellen Meetings und realen Laboren. KI wirkt zudem als Impulsgeber für Physical AI: Sie verbindet digitale Intelligenz mit physischen Umgebungen und schafft so neue Schnittstellen zwischen Mensch, Maschine und Raum. Die Kollaboration am digitalen Zwilling hat nicht nur technische Vorteile – faktenbasiert in Echtzeit, standortübergreifend –, sondern sie kann auch kulturell Blue-Collar- und White-Collar-Worker inhaltlich zusammenbringen, ganz konkret am jeweiligen Produkt. Was KI-basierte Kollaborationssysteme können, sollte dem Büro nicht verwehrt bleiben, und so überlegen wir im Pre-read, ob nicht auch die real-physische Nähe zwischen Produkt und Fertigung die Forschungs- und Entwicklungsabteilung aus dem Office näher an die digitale Fabrik rücken ließe. Beispiele finden wir bei Henn Architekten für das Forschungs- und Innovationszentrum von BMW oder in der Bionic Workbench von Festo. Auf diese Weise könnten Erfahrungswissen, Prototyping und Skalierungslogik gleich in einer neuen Kultur der Zusammenarbeit verschmelzen.
Wenn KI nicht länger nur unterstützende Technik, sondern ein aktiver Mitgestalter wird, betrifft das nicht nur Prozesse und Geschäftsmodelle, sondern den Kern des Arbeitens selbst. Die entscheidende Frage lautet daher:
Wie verändert KI die tägliche Kollaboration, Führung und den Wissenstransfer?